Das ist BMW im nächsten Jahrzehnt
Der BMW iNext
Von Thomas Geiger
„Das ist unser der Trailblazer, der BMW den Weg in die Zukunft ebnen wird“, hebt Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich die Studie auf ein ganz hohes Podest: „Hier zeigen wir, was wir unter der Mobilität von Morgen verstehen.“ Und anders als die vielen anderen Studien, die man in letzter Zeit zu diesem Thema gesehen hat, ist der iNext nicht nur eine ferne Vision. „Sondern dieses Concept Car ist ein sehr konkreter Hinweis auf die nächste Generation von iModellen und kommt 2021 in Serie“, sagt Fröhlich.
Der elektrische Antrieb ist für BMW dabei so selbstverständlich und nebensächlich, dass sich Fröhlich erst auf Nachfrage bequemt, ein paar Details wie die Reichweite von über 600 Kilometern und den Sprintwert von weniger als vier Sekunden zu verraten. „Mit bald 500.000 elektrifizierten BMW bis zum Ende der Dekade ist das für uns schon das neue Normal,“ sagt Fröhlich und nennt deshalb andere Herausforderungen: Die Konnektivität und das autonome Fahren sind für ihn die Themenfelder, auf denen das Rennen künftig entschieden wird. „Und mit Lösungen wie im iNext wollen wir auch da in Führung gehen“, sagt Fröhlich.
Als erster BMW, der konsequent fürs autonome Fahren entwickelt wird, ist der iNext deshalb von innen nach außen gestaltet worden. Während die Karbon-Karosse wirkt wie eine Mischung aus X5 und i3 und eigentlich nur wegen des eiförmigen Hecks und des Kühlers überrascht, der eher an Hasenzähne als eine Niere erinnert, betritt man durch die gegenläufig angeschlagenen Türen ohne B-Säule eine völlig neue Welt. Nicht konventionelle BMW-Modelle wie der Siebener standen hier Pate, sondern Boutique-Hotels: Die Sitze erinnern deshalb eher an Sessel und Sofas, wo früher mal Konsolen waren, stehen jetzt Beistelltische und die Materialauswahl ist warm und wohnlich. „Bislang war die Digitalisierung immer kalt, nüchtern und abweisend“, hat Damagoj Dukec beobachtet, der das Design für BMW i leitet. „Damit wollen wir beim iNext Schluss machen.“
Dazu passt auch das, was man heute Neudeutsch „User Experience“ nennt. Denn nach dem Motto „Shy Tech“ statt „High Tech“ gibt es außer den beiden großen, irgendwie fast schon antiquierten Touchscreens vor der Frontscheibe kaum mehr sichtbare Bedienelemente – selbst die Pedale verschwinden im Boden und das Lenkrad macht sich dünne, wenn man vom Boost-Modus in den Ease-Modus wechselt und die Führungsaufgabe an den Wagen delegiert. Alles, was es zu steuern und bedienen gibt, bespricht man mit dem digitalen Assistenten über das Kommando „Hey BMW“ oder macht entsprechende Gesten. Und wer partout irgendwo dran herumfingern möchte, der findet überall in den Sitzbezügen und Konsolen Sensorfelder, die auf jeden Fingerzeug reagieren und die Kommandos sogar mit Lichtleitern quittieren. Selbst Bildschirme sucht man zum Beispiel rund um das Sofa im Fond vergebens. Stattdessen hat BMW im Dach einen Beamer installiert, der sich automatisch eine Projektionsfläche sucht und so zum Beispiel ein weißes Blatt zum Display macht.
Zwar spart Entwicklungsvorstand Fröhlich nicht an großen Worten, und weil BMW auf die Botschaft allein offenbar nicht vertraut, haben die Bayern auch noch einen spektakulären Flug um die Welt inszeniert und die Premiere an Bord binnen vier Tagen in München, New York, San Francisco und Peking an Bord eines Frachtfliegers gefeiert. Doch so groß das Brimborium um den iNext ist, so wenig überraschend ist das Auto selbst. Denn rollende Wohnzimmer hat man in den letzten Jahren nun schon wahrlich genügend gesehen. Und viele davon sind bei der Raumaufteilung weitergegangen als BMW, haben zum Beispiel die gewöhnliche Sitzordnung aufgelöst und die Passagiere einander zugewandt.
Beim iNext können sich die Gäste in der ersten Reihe zwar bequem zurücklehnen, die Kopfstützen lassen sich umklappen und mit etwas Geschick kann man sich auch ein wenig nach hinten drehen. Aber die mit den Seitentüren verschmolzenen Lounge-Liegen schauen immer nach vorne und das Lenkrad zieht sich zwar zurück, verschwindet aber nie ganz.
Aus guten Grund, sagt Entwicklungsvorstand Fröhlich. Erstens, weil er den iNext zwar 2021 ziemlich genau so auf die Straße bringen will, aber selbst nicht daran glaubt, dass man bis dorthin immer und überall autonomen fahren darf. “Und in Deutschland wahrscheinlich zuallerletzt,” gibt er sich ungewöhnlich pessimistisch. Und zweitens, weil bei all den vielen Änderungen und Innovationen ein Markenkern nicht angetastet werden soll: Autonom hin, Assistenz her – die Freude am Fahren wird bei BMW auch im nächsten Jahrzehnt erhalten bleiben.