Spät, aber umso heftiger
Die erste Fahrt im BMW X7
Text: Thomas Geiger
Bis er zu Schätzpreisen ab 80 000 Euro auf den Markt kommt, dauert es zwar noch fast ein Jahr und zum ersten Mal ungetarnt sieht man ihn im November auf der Autoshow in Los Angeles. Doch weil die Bayern um ihren Nachholbedarf wissen und gar nicht früh genug für den Spätstarter trommeln können, haben sie schon jetzt rund um das US-Werk in Spartanburg zur ersten Testfahrt mit den Prototypen gebeten.
Dabei ist die Stoßrichtung für den König der X-Games klar umrissen, sagt Sebastian Sauerbrei aus der Entwicklungsmannschaft: „Das ist der Siebener unter den X-Modellen.“ Er hat mit dem größten Nieren-Grill in der jüngeren Firmengeschichte und einem stattlichen Format von rund 5,10 Metern deshalb nicht nur die Präsenz einer aufgebockten Luxuslimousine, sondern soll auch deren Komfort und Klasse bieten, umreißt Sauerbrei den Entwicklungsauftrag.
Deshalb lassen schon die handgeschnitzten Prototypen ein ausgesprochen vornehmes Ambiente erwarten, es wird alle Assistenten aus Fünfer und Siebener geben und es gibt eine Sitzlandschaft, die keine Wünsche offen lässt. Bei rund drei Metern Radstand hat man auch auf der Rückbank, beziehungsweise zwei optionalen Einzelsitzen im Fond mehr Platz als bei den meisten SUV in der erste Reihe und zum ersten Mal bei einem X-Modell bietet BMW auch eine dritte Sitzreihe an, die ihren Namen verdient. Anders als bei vielen Konkurrenten ist sie keine Strafbank, sondern wenn man es erst einmal durch die Tür und über den Vordersitz geschafft hat, können es dort selbst Erwachsene halbwegs gut aushalten. Bei dem Ballett von Polstern und Passagieren helfen ein Heer von Servomotoren. Denn alle Sitze lassen sich elektrisch verschieben, umlegen oder wegklappen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das auch mit einer App oder dem so genannten Display Schlüssel funktioniert.
Der Siebener unter den SUV – diese Vorgabe hat auch die Fahrwerksentwickler umgetrieben. Denn wie jeder BMW will auch der X7 an dynamischen Ende des Segments fahren, selbst wenn er 2,3 Tonnen wiegt. Und wie jeder Luxusliner soll er extrem komfortabel sein, erst recht, wenn er vor allem in Amerika verkauft wird, wo die Langstrecke auf dem Highway zum elebten Alltag gehört. Diesen Spagat stehen die Bayern mit einem aufwändigen Technikpaket: Sie bauen eine progressive Lenkung und ein elektronisch geregeltes Sperrdifferential ein, es gibt die mitlenkende Hinterachse und eine Wankstabilisierung. Und als erstes X-Modell bekommt der Siebener fürs Grobe eine Luftfederung an beiden Achsen. So kann die Elektronik nicht nur je nach Beladung das Niveau ausgleichen, sondern tatsächlich die Höhe des Aufbaus um bis zu acht Zentimeter variieren und Federwege und Toleranz kontrollieren: Im Sportmodus hart und kurz, beim komfortablen Setup weich und lang – so schwebt der X7 mal wie auf Wolken und beißt sich mal überraschend hungrig durch die Kurven. Und weil es in beiden Richtungen vier Zentimeter Spielraum gibt, macht der X7 zum bequemen Einstieg einen Kniefall und geht im Gelände wie auf Stelzen, so dass er X5 & Co sogar davonklettert.
Zwar gibt es kein gemeinsames Karosserieblech mit dem X5, rechtfertigt die BMW-Mannschaft die Eigenständigkeit. Doch unter der Haube wird die Verwandtschaft dafür um so offensichtlicher. Auch der X7 wird wohl mit den neuen Sechs- und Achtzylindern fahren, die im X5 bald ihren Einstand geben. Das heißt bei den Dieseln bis zu 400 und bei den Benzinern fast 500 PS.
Wenn es dabei bleibt, hat BMW allerdings zwei Chancen vertan. Denn erstens werden die Bayern für Amerika und China um einen Plug-in-Hybriden nicht herumkommen. Und zweitens sollten sie nicht nur über eine M-Version, sondern auch über einen V12 nachdenken. Weil es den weder bei Audi, noch bei Mercedes oder beim Range Rover gibt, würden die Letzten plötzlich die Ersten sein. Und Zeit genug hätten sie ja gehabt.