BMW plant einen X7, Audi stellt dem neuen Q7 bald einen Q9 zur Seite und Mercedes rückt den GL näher an die S-Klasse – wo die Deutschen noch übergroße Luxus-SUVs planen, sind die Japaner schon einen gewaltigen Schritt weiter.
Text: Thomas Geiger
Kaum jemand weiß das besser als Jürgen Schmitz. Denn der deutsche Manager ist Statthalter für die noble Nissan-Schwester Infiniti im arabischen Raum und hat entsprechend gut Lachen: Während seine Kollegen in Europa im letzten Jahr gerade einmal 3 900 Autos verkauft haben, stehen in seiner Bilanz rund 7 500 Autos und mit einem Marktanteil von knapp sechs Prozent steht er im Infiniti-Imperium weltweit an Nummer Zwei.
Diesen Erfolg verdankt er vor nicht zuletzt dem urgewaltigen QX80, der sich Dubai, Abu Dhabi und andernorts in den Emiraten wacker gegen die Übermacht von Range Rovern und G-Klassen behauptet. Denn in einer Region, in der die Straßen breit und die Wüsten weit sind, ist man einfach gut aufgehoben in einem Geländewagen, der außen so imposant ist wie die Hochhäuser in der Sheik Zayed Road, innen so viel Platz bietet wie ein Beduinenzelt, es in Sachen Luxus mit den Palästen der Scheichs aufnehmen kann und sich auf Knopfdruck so weit herunter kühlen lässt wie das Regionallager von Bofrost.
5,3 Meter lang, 2,7 Tonnen schwer und von einem 5,6 Liter großen Achtzylinder angetrieben, mag das Auto für europäische Maßstäbe alle gängigen Dimensionen sprengen. Doch in Dubai, Katar oder dem Oman fühlt man sich darin ausgesprochen gut aufgehoben. Weich gebettet in einem von sieben dicken Ledersessel gefühlte drei Meter über dem Boden steht man buchstäblich über den Dingen und verliert deshalb nie den Überblick. Wie ein Elefant im Streichelzoo wirkt man plötzlich schier unverwundbar, wenn ein paar Kleinwagen um einen herum flitzen. Und es dauert keine 20 Kilometer, schon ist man so tief in die wohlige Welt aus Lack und Leder hinab gesunken, dass der Alltag immer weiter an die Wahrnehmungsgrenze rückt und einen die schläfrige Gelassenheit erfasst, die den Wüstensöhnen zu eigen ist.… es in Sachen Luxus mit den Palästen der Scheichs aufnehmen kann und sich auf Knopfdruck so weit herunter kühlen lässt wie das Regionallager von Bofrost …
Vorn thront man in Ledersesseln von Pullman-Format, hinten hat man mehr Beinfreiheit als in einer Mercedes E-Klasse und selbst die dritte Reihe ist geräumiger als die zweite in einem VW Tiguan. Dazu gibt es quadratmeterweise samtweiches Leder, vornehme Holzkonsolen und für die niedrigen Hilfstätigkeiten so viele Elektromotoren, dass andere damit ganze Autos antreiben könnten. Allein der Fahrersitz lässt sich zehnfach verstellen, die Plätze sechs und sieben falten sich auf Knopfdruck in den Wagenboden, und natürlich verstellt man auch das Lenkrad mit einem leisen Surren. Nur der Fußhebel für die Feststellbremse wirkt da seltsam antiquiert.
Dabei hilft auch der Antrieb. Denn hinter dem wuchtigen Bug und seinem imposanten Chrom-Ornat, das den QX80 aussehen lässt wie ein Nashorn im Smoking, steckt ein traditioneller V8-Motor mit 5,6 Litern Hubraum. Dieses Triebwerk ist wie gemacht für die Emirate. Denn mit 400 PS und 560 Nm kann man hinreichend Eindruck schinden und den Giganten wenn es sein muss unter wütendem Geheul auch überraschend schnell auf Trab bringen. Immerhin wuchtet das Kraftpaket den Koloss in knapp acht Sekunden auf Tempo 100 und schafft zur Not über 200 Sachen. Aber vor allem kann man damit wunderbar gelassen über die breiten Wüstenpisten cruisen und sich dann darüber wundern, dass die Sitzlüftung fast lauter ist als das Kraftwerk unter der Haube.
Dass der riesige Tank dabei für kaum mehr als 400 Kilometer reicht, dass die Bremsen nicht unbedingt darauf ausgelegt sind, den fast drei Tonnen schweren Koloss in Rekordzeit zu stoppen, dass man beim Lenken die Weitsicht eines Tankerkapitäns braucht und dass die riesigen Sitze und Sofas so wenig Seitenhalt bieten, dass man sich hinten am besten zwischen der Tür und der riesigen Mittelarmlehne festklemmt, wenn es mit dem Fahrer mal durchgehen sollte, das stört dabei keinen. Denn wer wirklich sportlich fahren möchte in den Emiraten, der hat auch genügend Geld, sich neben einem Luxus-SUV noch einen echten Sportwagen als Spielzeug zu leisten. Autos wie der QX80 dagegen sind so etwas wie der VW Golf des gemeinen Scheichs und passen perfekt in ein Land, in dem der schöne Schein wichtiger ist als alles andere, der Liter Sprit keine 50 Cent kostet und man offiziell ohnehin nicht schneller als 120 km/h fahren darf.
Zwar weiß Schmitz um die Bedeutung des QX80 für sein ehrgeiziges Ziel, den weltweit größten Infiniti-Marktanteil zu erreichen. Und natürlich helfen ihm dabei auch der unkonventionelle QX60 als eigenwillige Kreuzung zwischen Van und SUV, der in Dubai fast schon handliche QX70 sowie die Limousinen der Q50 und Q70. Doch damit er es tatsächlich an die Spitze der Tabelle schafft, hat er noch ein paar Wünsche offen. Zum Beispiel eine sportliche Luxuslimousine wie die in Paris gezeigte Studie Q80, die gut zum schillernden Schaulaufen am Golf passen würde. Weil das aber, wenn überhaupt, erst in ein paar Jahren klappt, baut er weniger auf Schützenhilfe aus Japan als auf Unterstützung aus Stuttgart. Schließlich kooperiert Konzernmutter Renault-Nissan mit Daimler und denkt dabei immer wieder auch mal an Infiniti.
Diese Hoffnung ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten mit seinen Infiniti-Kollegen in Europa. Aber sie richtet sich auf ganz unterschiedliche Modelle. Während der Vertrieb bei uns sehnsüchtig auf die ersten Infiniti-Kleinwagen als Ableger von Mercedes A-Klasse und GLA wartet, hofft Schmitz auf ein paar dicke Dinger aus dem Daimler-Imperium und liebäugelt mit stärkeren Motoren, die seinetwegen gerne auch ein AMG-Logo tragen dürften. „Denn ein paar Performance-Modelle würden hier am Golf gut in unser Portfolio passen“, sagt der Deutsche in Dubai und muss darauf womöglich gar nicht mehr lange warten. Denn im November ist Motorshow in Dubai und eine lose Einladung hat er dazu schon ausgesprochen.