Jaguar I-Pace – Made in Austria!

Jaguar I-Pace

Miau!

Es werden nicht mehr alle englischen Katzen brüllen (können). Der SUV-Crossover Jaguar I-Pace ist, als Concept, der erste Vorbote englischer Vollelektriker. Mit Austro-Touch: Er wird bei Magna Steyr in Graz gebaut.

Text: Beatrix Keckeis-Hiller
Fotos: Jaguar

Jaguar Electrifies“ leuchtet es neongrün von der Wand. Oh ja, das tun die englischen Großkatzen aus Coventry! Aber die Engländer meinen damit jetzt – auch – wirklich Strom. Als Treibstoff. Für den Jaguar I-Pace. Der soll bei den Briten das Elektrozeitalter in Großserie einläuten. Doch nicht auf die zurückhaltend-vernünftig-biedere Art und auch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger der braven lokalen Emissionsfreiheit, sondern auf die gewohnt betont dynamisch-sportlich-performante Art.
Dem entsprechen die technischen Eckdaten: 400 PS, 700 Newtonmeter Maximaldrehmoment, 0 auf 100 in rund vier Sekunden. Generiert wird diese Leistungsbereitschaft aus zwei Elektromotoren à 200 PS (und 350 Nm) Leistung. Sie sind in die Achsen integriert. Einer treibt die vordere der andere die hintere an. Damit ist permanenter Allradantrieb gegeben. Als Energiequelle dient ein Lithium Ionen-Batterie-Paket mit 90 kW/h Kapazität.
Das ist, flüssigkeitsgekühlt, schwerpunktsenkend im Fahrzeugboden, zwischen den Achsen, montiert und ebenso eine Jaguar-Eigenentwicklung wie die Permanentmagnet-Synchronmotoren. Das Gesamtpaket soll für mindestens 500 Kilometer Reichweite gut sein. Ist die aufgebraucht, soll der I-Pace an der 50 kW-Gleichstrom-Steckdose in knapp mehr als zwei Stunden wieder voll geladen sein. Neunzig Minuten gibt Jaguar für eine Ladung auf achtzig Prozent an.
Genau geschaut wurde auf eine Fahrdynamik-fördernde Gewichtsverteilung. Diverse Steuerungselektronik ist unter der Fronthaube  positioniert (die bei Verbrennern das Dach des Motors ist), das Batteriemanagement-System sitzt im Heck. Der Fahrwerksaufbau entspricht denen aller anderen Jaguar-Modelle auch: vorne Doppelquerlenker, hinten Integral-Link-Aufhängung. Das I-Pace Concept steht auf 23-Zöllern. Wie bei allen Großkatzen ist an den Haupt-Komponenten hauptsächlich Aluminium verbaut. Eine Gewichtsangabe lieferte Jaguar allerdings noch nicht.
Auch optisch bringt der am trendigen SUV-Segment orientierte Crossover das Performance-Thema zweifelsohne rüber. Die enge Verwandtschaft zum C-X75 Concept und zu den Serien-Brüdern F-Type und F-Pace will er gar nicht ableugnen. Die Handschrift von Chef-Designer Ian Callum ist unverkennbar, er hat, wieder, einen Sportwagen kreiert. Der ist 4,680 Meter lang, 1,890 Meter breit und 1,560 Meter hoch. Der Luftwiderstandsbeiwert liegt, mit vergleichsweise gekürzter Schnauze, zentral postierter Fahrerkabine, kurzen Überhängen, damit langem Radstand, ausgeprägt schenkeliger Seitenlinie und selbstbewusster Schulterpartie bei aerodynamisch günstigen 0,29 cW.
Trotz seiner Schlankheit offeriert der Elektro-Brite Wohnraum für fünf Personen, im Fond dank ebenen Bodens – es gibt ja keinen Kardantunnel – mit kommodem Einstieg und zusätzlichen Staufächern unter den Sitzen. Hinter die Heckklappe passen 530 Liter Gepäck. Unter der Frontklappe – der Terminus „Motorhaube“ trifft ja nicht zu – kann man auch noch einmal 36 Liter Ladegut verstauen. Die Interieur-Einrichtung folgt den gewohnten Jaguar-Prämissen mit Sportlenkrad samt Bedientasten und breiter – frei schwebender – Mittelkonsole mit geräumigem zentralem Staufach. Die Sitzposition ist deutlich niedriger als etwa im F-Pace. Die Bildschirme sind deutlich größer sowie zahlreicher als in den Verbrenner-Jags.
Hinter dem Volant steckt statt der traditionell gestalteten Uhren-Anordnung ein interaktives virtuelles Kombiinstrument. Ausladend ist der Infotainmentsystem-Bildschirm, der über der Mittelkonsole sitzt. Direkt auf dieser platziert ist ein Touchscreen. Dennoch gibt es auch noch echte Drehregler, etwa für die Klimaanlagensteuerung, sowie die eine und andere Taste, zum Beispiel zum Einlegen der Fahrstufen. Von denen es genau drei gibt: vorwärts, rückwärts und Leerlauf.
Nicht gespart hat die Design-Abteilung bei der Gestaltung des Interieurs. Es ist geprägt von feinen Materialien wie Leder und offenporiges Holzdekor sowie Metall-Akzenten. Teil des Gesamtpakets ist ein durchgehendes gemustertes Panorama-Glasdach. Die Oberflächen der eingesetzten Materialien sind zum Teil strukturiert oder mit Logos und Gravuren dekoriert. Was davon Standard oder Option ist wird sich an den ersten Serienmodellen zeigen.
Auf die Idee, ein voll elektrifiziertes Modell zu bauen ist Jaguar nicht erst gestern gekommen. Hinter dem I-Pace Concept stecken bis jetzt vier Jahre Entwicklungszeit. Erstmals sichtbar gemacht hat sich das anhand des I-Type, jenem Elektro-Monoposto, mit dem die Engländer heuer in den Rennsport zurückgekehrt sind: in die Formel E. Die ersten beiden Races der Saison 2016/2017 sind gelaufen, in Hongkong und in Marrakesch. Die Strom-Katzen haben zwar noch nicht auf den vordersten Podiumsplätzen aufgezeigt, aber mehr als mithalten können sie.
Mithalten kann auch Österreich bei der englischen Elektrifizierung. Seit der Auto Show in Los Angeles ist es amtlich: Der I-Pace wird bei Magna Steyr in Graz gebaut. Das hat Jaguar-Boss Ralph Speth bestätigt. Im Steirischen wird dafür eine neue Fertigungs-Linie eingerichtet, und die Vorbereitungen auf die Serien-Produktion beginnen im kommenden Jahr. 2018 sollen die ersten Elektro-Katzen in den Handel kommen. Zur Preisfrage gibt es noch keine konkreten Angaben. Ian Callum und der Jaguar-CEO gehen unisono von der Tarif-Lage eines gut ausgestatteten vergleichbar starken XF aus, mit einem Aufschlag zwischen zehn und fünfzehn Prozent.
Jaguar hat für den I-Pace bewusst nicht, wie es andere Hersteller tun, eine eigene Sub-Marke kreiert. Das Kürzel I reiht sich wie selbstverständlich in die Nomenklatur-Philosophie ein. Die Engländer haben eine nahtlose Fortführung der Markengeschichte im Sinn. Selbst wenn die großen Katzen nicht mehr grollen und schreien und brüllen können. Nicht einmal so richtig fauchen. Maximal so etwas wie miauen, wenn man sich das jeiernde Jaulen eines Elektromotors (im konkreten Fall sind es ja gleich zwei), akustisch so übersetzen kann. Callum meint dazu, mit unüberhörbar bedauerndem Unterton, dass sich die Zeiten eben ändern, und dass auch eine Performance-betonte Marke wie Jaguar mit diesen gehen müsse. Er verspricht aber: „Wir werden beweisen, dass ein Zero Emission-Fahrzeug ein hoch dynamisches, echt sportliches und fahraktives Auto sein kann.“ Darauf miauen wir.
Die Präsentation des Jaguar I-Pace inszenierten die Briten nach allen Regeln der aktuellen elektronischen Kunst. Mit dem weltweit ersten virtuellen Modell-Launch. Simultan, in Echtzeit, in Kalifornien, auf der LA Autoshow, und in England, im Zentrum von London. Dafür setzte Jaguar zu beiden Seiten des Atlantiks 300 Präsentations-Teilnehmern ein Head Mounted Display – kurz HDM – auf und zauberte den I-Pace in den virtuellen Weltraum, samt reeller Erläuterung der optischen und technischen Details. Das, bevor die Kollegen in Amerika den I-Pace tatsächlich und leibhaftig auf der Bühne betrachten konnten.

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