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Jaguar XE SV Project 8: Extremer Engländer

Extremer Engländer

Der Jaguar XE SV Project 8

Keine 2.000 Zulassungen im letzten Jahr und nicht einmal 300 im ersten Quartal: Angetreten als großer Hoffnungsträger in der Mittelklasse, tut sich der Jaguar XE im Ringen mit Audi A4, BMW Dreier und Mercedes C-Klasse schwerer, als es die Briten erwartet haben. Aber statt den Kopf in den Sand zu stecken und weiter gute Miene zum bösen Spiel zu machen, greifen sie jetzt zu extremen Mitteln: Um wenigstens in der Image-Wertung zu punkten, überlassen sie ihrer Abteilung für „Special Vehicle Operations“ 300 Exemplare des glücklosen Einstiegsmodells, die daraus einen Engländer der Extreme machen: Den XE SV Project 8.

Von Thomas Geiger
Für die Rennstrecke konzipiert und nur mühsam ins Korsett der Straßenverkehrsordnung gepresst, wird aus dem spießigen Stufenheck in den heiligen Hallen der Spezialmannschaft eine Limousine im Kampfanzug, die Konkurrenten wie einen BMW M4 oder einen Mercedes-AMG C 63 zu lustlosen Langweilern stempelt. So extrem wie der Anspruch an das Auto ist allerdings auch sein Preis: Mindestens 182.000 Euro rufen die Brite für den Extremisten auf.
Dafür wird der erlesenen Kundschaft neben einem wilden Kampfanzug aber auch einiges geboten: Wo im XE bislang beim 3,0 Liter großen V6 mit 340 PS Schluss war, quetschen die Briten dafür jetzt ihren famosen V8-Kompressor mit fünf Litern Hubraum unter die Haube, selbst wenn sie deshalb den ganzen Vorderwagen ändern und aus Platzgründen sogar neue Scheinwerfer einbauen müssen. Damit sich die Mühe lohnt, drehen sie gleich auch noch einmal am der Leistungsschraube: 600 statt bisher maximal 575 PS machen Project 8 zu dem bis dato stärksten Jaguar, der je eine Straßenzulassung erhalten hat. Einer der schnellsten ist er obendrein: Von 0 auf 100 in 3,7 Sekunden und bei Vollgas 322 km/h – das hat vorher noch kein anderer Viertürer im Zeichen der Katze geschafft. Und auch sonst gibt es nicht viele Limousinen, die so schnell sind, sagt Projektleiter Mark Stanton, zumindest nicht auf der Nordschleife. Dort ist der XE mit einer Rundenzeit von 7 Minuten, 21 Sekunden und 23 Hundertsteln der aktuelle Rekordhalter unter den Viertürern mit Straßenzulassung.
Egal ob auf der Straße oder auf der Strecke, im normalen Sportsessel der Fünfsitzers oder mit den Hosenträgergurten in die Rennschale des Zweisitzers geschnürt, der statt einer Rückbank einen Überrollkäfig hat und noch näher am Rennwagen ist – sofort ist man Feuer und Flamme für das Auto und kann nur schwer an sich halten. Der Motor hat mit seinen bis zu 700 Nm Schub ohne Ende und das Fahrwerk ist mit dem Abtrieb des mächtigen Heckflügels und der variablen Kraftverteilung beinahe narrensicher – so kämpft man im XE weniger gegen die Physik als gegen die Moral. Denn schwerer als mit den Gesetzen für Haft- oder Fliehkraft tut man sich in diesem Auto mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen: Man ist so schnell viel zu schnell, dass man den Führerschein besser im Abreißblock bestellt – oder sich als moralische Stütze einen vernünftigen Beifahrer an Bord holt.
Natürlich ist ein Auto wie der XE SV Project 8 im höchsten Maße unvernünftig. Und streng genommen ist er auch ein Ausdruck des Scheiterns. Denn wenn sich die Serienversion auch nur halbwegs gut verkaufen würde, müssten die SVO-Experten keine solchen Klimmzüge machen. Doch Projektleiter Stanton kommt aus dem Schwärmen für das Auto gar nicht mehr heraus. „Das ist der Traum eines jeden Ingenieurs, hier durften wir frei von allen Kostenzwängen wirken und alles tun, was ein Auto schnell und scharf macht.“ Und falls ihn zwischendurch mal das schlechte Gewissen gepackt haben sollte, musste er nur eine Werkstattbox weiter schauen: Denn parallel zum Project 8 haben die Briten dort auf Basis des i-Pace einen Rennwagen für den Kundensport aufgebaut – ähnlich schnell, aber flüsterleise und ohne jede Emission und stattdessen mit Elektroantrieb.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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