Neuer BMW Siebener: So will BMW im Oberhaus neue Maßstäbe bei Komfort und Dynamik setzen.
von Thomas Geiger
BMW läutet den Wachwechsel auf Wolke Sieben ein: Drei Monate vor der Publikumspremiere im September auf der IAA hat der neue Vorstandschef Harald Krüger deshalb jetzt in München das Tuch vom neuen Siebener gezogen. Und genau wie im Himmel der Bayern gibt es dabei auch im automobilen Oberhaus zwei ganz unterschiedliche Großwetterlagen, die BMW mit dem gleichen Auto besser abbilden will als je zuvor. Denn wer vorne links sitzt, der soll die sechste Generation des Flaggschiffs als agilste und dynamischste Limousine in der Oberklasse erleben. Und wer andere für sich fahren lässt und stattdessen lieber im Fond lümmelt, dem versprechen die Entwickler den komfortabelsten Luxusliner im Segment. Ach ja, und um den Klimaschutz sorgen sie sich natürlich auch. Wenn die neue Generation am 24. Oktober in den Handel kommt, dann feiert BMW die Limousine deshalb zugleich als sparsamster Siebener aller Zeiten.
Das Design markiert zwar nur eine zurückhaltende Evolution, selbst wenn der Siebener jetzt serienmäßig aus LED-Scheinwerfern strahlt und auf Wunsch wie der i8 mit Laserlicht geordert werden kann. Doch unter dem Blech zetteln die Bayern eine echte Revolution an. Denn zum ersten Mal in der Großserie nutzen sie das Karbon-Knowhow von i3 und i8 und fertigen weite Teile der Rohkarosse aus Kohlefaser. Zusammen mit einer strengen Diät für jede andere Disziplin sinkt das Gewicht des Luxusliners so um bis zu 130 Kilo und drückt das leichteste Modell wieder deutlich unter zwei Tonnen.
Davon profitiert man gleich doppelt: Wer es darauf anlegt, der kann mit dem Siebener so flink um die Kurven flitzen wie mit einem Fünfer und erlebt das Dickschiff als ungeheuer handlich und agil. Nicht umsonst gibt es natürlich wieder eine Allradlenkung und einen neue gestalteten Fahrerlebnisschalter mit einem etwas größeren Einflussbereich.
Neuer Siebener-BMW: Effizienz über alles.
Gleichzeitig geht mit dem Gewicht natürlich auch der Verbrauch zurück. Zusammen mit der nächsten Generation von Motoren wird der Luxusliner deshalb bis zu 20 Prozent sparsamer und fährt im besten Fall mit 4,5 Litern vom Prüfstand. Das ist der Eckwert für den 730d, der mit seinen jetzt 265 PS und 620 Nm künftig die Basis markiert. Daneben gibt es zum Start erst einmal zwei weitere Benziner: Den 740i mit einem ebenfalls drei Liter großen Sechszylinder mit 326 PS und 450 Nm sowie den 4,4 Liter großen Achtzylinder im 750i, der jetzt mit 450 PS und 650 Nm an den Start geht und mit 4,4 Sekunden von 0 auf 100 zum vorläufigen Sprintkönig wird. Bei Vollgas allerdings fahren alle Siebener gleich schnell: Denn die 250er-Marke ist für jede Variante gesetzt. Dabei rollt der 750i grundsätzlich auf allen Vieren und für den 730d gibt es den Allradantrieb zumindest gegen Aufpreis.
Bei diesen drei Motoren soll es allerdings nicht bleiben. Denn für die ganz verwöhnte Kundschaft wird es mit etwas Zeitversatz wieder einen V12 im 760i geben, und für Sparer bringt BMW schon bald den ersten Siebener mit Plug-In-Technik. Der elektrisch unterstützte Vierzylinder bekommt das Kürzel 740e, hat mit zusammen 326 PS die gleiche Leistung wie der Sechszylinder, kann aber bis zu 40 Kilometer elektrisch fahren und kommt so auf einen bislang unerreichten Normverbrauch von 2,1 Litern.
Dynamik
Zwar genießt die Dynamik bei den Bayern noch immer oberste Priorität und mit dem Siebener beweisen sie, dass der Slogan „Aus Freude am Fahren“ weiterhin gilt. Doch weiß die Mannschaft um den neuen Entwicklungschef Klaus Fröhlich natürlich auch, dass der Krieg längst auf anderen Schauplätzen ausgetragen wird. Deshalb steht der neue Siebener neben dem Leichtbau für eine elektronische Aufrüstung, die vor allem dem Bediensystem gilt. Das virtuelle Cockpit von Audi kontern die Bayern mit einer ebenfalls voll digitalen Anzeige, die aber immerhin noch physisch greifbare Skalenringe kennt.
Für die Klimasteuerung gibt es gleich drei kleine Touchscreens und weil der iDrive-Controller in Zeiten des Smartphones vielleicht doch nicht der Weisheit allerletzter Schluss ist, kann man auf dem großen Navigationsbildschirm jetzt auch touchen, wischen und mit gespreizten Fingern zoomen, wie man es von einem Tablet-Computer kennt. Ganz neu dazu kommt die Gestensteuerung, die mit einer Kamera am Innenspiegel gekoppelt ist und zum Beispiel zur Regelung der Lautstärke des Bordprogramms oder das Anrufmanagement genutzt werden kann: Ein Fingerzeig auf das Display, schon hat man den Gesprächspartner in der Leitung. Und wenn man abschätzig von links nach rechts wischt, ist Schluss mit dem Geschwätz.
Während der Siebener mit solchen Gimmicks durchaus Eindruck schinden kann, nimmt man die neuen Assistenzsysteme fast schon als gewöhnlich hin. Dass die Elektronik jetzt bis Tempo 210 sanft in die Lenkung eingreift, wenn man von der Spur abkommt oder einfach nur Entspannt seinem Vordermann folgen will? Extrem aufwändig in der Entwicklung, aber unspektakulär im Alltag. Auch der intelligente Tempomat, den man mit jeweils einem Knopfdruck auf aktuelle Tempolimits eichen kann, ist nicht gerade ein Erweckungserlebnis. Und ausgerechnet das vielleicht attraktivste Extra markiert den Anfang vom Ende der Fahrfreude, wie wir sie kennen. Denn als erster BMW rollt der Siebener die letzten Meter alleine auf seinen Parkplatz, während der Fahrer draußen steht und auf den neuen Display-Schlüssel drückt.
14 cm Extralänge heißen nun „Executive Lounge“.
Wie sehr sich die selbst ernannten Gralshüter der Fahrfreude mittlerweile um vermeintliche Nebensächlichkeiten kümmern und wie wichtig ihnen vor allem die verspielten Vorlieben der asiatischen Kundschaft sind, sieht man erst beim Blick in den Fond, den sie bei der um 14 Zentimeter gestreckten Langversion jetzt vornehm Executive Lounge nennen.Wolke Sieben
Denn die Hinterbänkler werden nicht nur mit einer Zweiachs-Luftfederung auf Wolken gebettet und vom adaptiven Fahrwerk im „Executive Drive Pro“-Modus mit vorausschauender Schlagloch-Erkennung kuschelweich ans Ziel gebracht. Sondern sie ruhen auch auf Wellness-Liegen mit Massage-Funktion und aktivem Muskeltraining, legen die Füße auf ein Wadenkissen, das elektrisch aus der Lehne des Beifahrersitzes ausfährt, surfen auf einem BMW-eigenen Tablet, mit dem man auch die wichtigsten Fahrzeugfunktionen steuern kann, genießen eine elektronische Parfümierung und schauen durch ein Glasdach, in dem bei Nacht ein künstlicher Sternenhimmel funkelt.
Mehr Dynamik, mehr Komfort, mehr Intelligenz, mehr Effizienz und mehr Assistenz – bei so viel „mehr“ wollten sich offenbar auch die Kaufleute nicht mit weniger zufrieden geben und haben beim Preis ordentlich aufgeschlagen. Der 730d als Einstiegsmodell steht deshalb künftig mit 81 900 Euro in der Liste und ist damit knapp 5 000 Euro teurer als bisher. Und bei den 112 700 Euro (alles Deutschlandpreise) für den 750 Li xDrive ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.