Alleine haben sie es nicht geschafft und mit Suzuki auch nicht. Doch jetzt nimmt der VW-Konzern einen dritten Ankauf, endlich den indischen Markt zu knacken und schickt dafür Skoda ins Rennen. Als Experten für die eher billigen Autos sollen die Tschechen den Niedersachsen die Tür öffnen zu einem Land, das zwar seit 20 Jahren auf den versprochenen Boom wartet, das mit nicht einmal 3,5 Millionen Pkw-Zulassungen pro Jahr für knapp 1,5 Milliarden Menschen aber zu wichtig ist, um es zu ignorieren.
Von Thomas Geiger
Deshalb haben sie in Wolfsburg eine Milliarde Euro lockergemacht und Skoda das Mandat für die vielleicht letzte große Wachstumsregion der Autowelt übertragen – und nur 18 Monate später zeigt die Offensive erste Wirkung: Denn zur Autoshow in Delhi enthüllen die Tschechen jetzt die Studie Vision IN, die binnen Jahresfrist in Serie gehen und zum Motor des Fortschritts werden soll. Schließlich hat der Konzern auf dem Sub-Kontinent noch viel vor: „Indien ist einer der spannendsten und vielversprechendsten Wachstumsmärkte für den Volkswagen Konzern”, sagt Skoda-Chef Bernhard Maier: „Gemeinsam mit der Marke Volkswagen streben wir bis 2025 einen kombinierten Marktanteil von fünf Prozent an. Für ŠKODA würde Indien damit zu einem der fünf weltweit größten Märkte aufsteigen.
Die Hoffnungen ruhen dabei – wie könnte es in diesen Tagen anders sein – zunächst auf einem SUV: Mit knapp 4,30 Meter etwa so groß wie der Kamiq, aber deutlich kantiger und mit mehr Charakter gezeichnet, steht der Vision IN auf der sogenannten MQB A0-Architektur, die VW Polo & Co nutzen. Allerdings wurde sie im neuen Entwicklungszentrum in Pune für den indischen Markt modifiziert und soll mit den lokalen Anpassungen und den regionalen Lieferanten das Rückgrat der angekündigten Modelloffensive bilden.
Für europäische Verhältnisse fast noch ein Kleinwagen, tritt der Skoda in Indien bereits in der gehobenen Mittelschicht an. Denn wo die Straßen von Winzlingen wie dem Renault Kwid, dem Suzuki Alto oder dem Hyundai i10 dominiert werden, sind SUV wie der Ford EcoSport, der Kia Seltos und demnächst dann auch der Skoda nur etwas für Besserverdiener.
Entsprechend edel haben die Tschechen die Studie gestaltet: Außen funkeln Chrom und beleuchtete Kristallglas-Elemente und drinnen gibt es neben digitalen Instrumenten, einem großen, freistehenden Touchscreen, den üblichen Simply-Clever-Ideen für Ablagen und Staufächer sowie reichlich Lack und Leder auch noch einen interkulturellen Brückenschlag: Denn die kleine Skulptur auf der Mittelkonsole, die dem digitalen Bedienassistenten Gestalt gibt, erinnert genauso an böhmisches Bleikristall wie an die riesigen Diamanten an den Turbanen der Maharadschas. Selbst das Dekor des Armaturenbretts hat Hintersinn und erinnert an den traditionellen Stoffdruck des „Kalamkari“ mit seinen geschnitzten Rosenholz-Stempeln.
Während Skoda bei der Materialauswahl obendrein sehr nachhaltig und etwa mit Stoffen aus Rhabarber, Eichenfasern oder Ananasblättern experimentiert, geht es unter der Haube mit einem 150 PS starken und 197 km/h schnellen 1,5-Liter-Benziner eher konventionell zu. Vom überall sonst auf der Welt derzeit kaum verzichtbaren Elektromotor jedenfalls ist bei Skoda keine Rede – selbst wenn die indische Regierung ebenfalls ambitionierte Pläne für die elektrische Revolution aufgelegt hat. Doch in einem Land, in dem viele Haushalte weder Strom noch fließendes Wasser habe und die Straßen selbst in den Großstädten oft nur asphaltene Flickenteppiche sind, will an einen schnellen Siegeszug der Stromer kaum jemand glauben und Skoda ist mit dem Verbrenner gut beraten.
Auch wenn Skoda schon von einer seriennahen Studie spricht, wird sich an dem Auto auf dem Weg in die Serie noch ein bisschen was ändern. Doch wohin die Reise gehen wird, kann man in Delhi ebenfalls bereits sehen. Denn dort zeigt VW zeitgleich den neuen Taigun, der auf der gleichen Plattform steht, die gleiche Technik nutzt und auch ein ähnliches Format hat. Zwar glänzt er mit weniger Lack und Leder im Innenraum und muss sich mit LED-Scheinwerfern statt schillerndem Bleikristall begnügen, doch dafür haben sie in Wolfsburg schon den Beinamen „Studie“ gestrichen und planen schon die Markteinführung.
Egal ob Vision IN oder VW Taigun – für die nächsten Jahre haben die Autos aus dem Projekt „India 2.0“ erst einen rein indischen Fokus und würden sich bei uns mit Kamiq und T-Cross beißen. Doch der nächste Abschwung wird auch in Europa kommen, und während sie in Wolfsburg & Co mit Hochdruck neue Elektroautos entwickeln, könnten sie im Konzern dann für ein paar bezahlbare Benziner vom anderen Ende der Welt vielleicht noch dankbar sein.