Maserati hat seine Modellpalette für 2018 ordentlich gebürstet. Und präsentiert die Neuerungen standesgemäß auf Schnee und Eis.
von Franz J. Sauer
Man sollte sich langsam daran gewöhnen – auch der Winter verschiebt sein Epizentrum immer weitere nach hinten. Wenn wir neuerdings im späten Oktober unser Schnitzel im Schanigarten bei 23 Grad Celsius einnehmen, so gelangt auch der Schnee erst gegen anfang März in die Niederungen der Städte. Freilich, im alpinen Geläuft konnte man sich heuer kaum über Schneemangel beschweren, eher im Gegenteil und früh genug. Derlei viel Weiß spielte sich, so hört man, schon den ganzen Winter über auch im teuren Aosta-Tal ab, wo die eher nobligen Leute pflegen, ihren Schiurlaub abzuhalten. Und weil diese auch daheim am Vorstadthügel bis spätfrühlings nicht ohne Rutschen in die Garage gelangen, gibt es nun all die netten Maseratis auch mit Allradantrieb.
Grund genug also für eine Marke wie Maserati, die ihr Vorhaben, nicht nur mehr die schnelle Sportwagenklientel bedienen zu wollen spätestens mit der Niederkunft des Luxus-SUV Levante bewies, in Wintersportorten wie Courmayeur (ist in Italien, auch wenn es nach Frankreich klingt) einen Flagship-Store zu eröffnen. Und im kurvigen wie verschneiten Umland der schönen Ortschaft die neuen Features des Modelljahrganges 2018 vorzustellen.
Nicht vor Ort: die beiden Hauptberufs-Sportler GranTurismo und GranCabriolet. Die haben im Schnee nun wirklich nichts verloren, ausserdem auch keinen Allradantrieb. An der Maserati Winter Tour teilnehmen dürfen die jüngeren Modelle Ghibli (gab es früher als Coupé) und Levante nebst dem Limo-Klassiker Quattroporte, bereits in siebter Generation seit 1963 auftretend.
All diese Modelle gibt es wohl auch mit Dieselmotor und Heckantrieb. Aber es gibt sie auch mit bösen Benzinern und folgerichtig mit Allradantrieb. Fürs Individualisieren sind dann die Bei-Kürzel GranLusso und GranSport zuständig, insgesamt hat man es in allen drei Baureihen mit durchwegs dem Luxussegment verpflichteten Automobilen zu tun. Was nicht zuletzt in formidabler Innenausrüstung und nicht minder exquisiten Materialien ebendort durchschlägt. Leistungsmäßig bringen die Benziner bis zu 430 PS aufs Tapet, alleweil genug für sportliches Fahren, aber auch entsprechend Morch für den gepflegten Powerslide auf Schnee und Eis. Und weil der Allradantrieb mitdenkt, lässt sich bei beherztem wie unvermutetem Gasstoß zunächst genug Power auf die Hinterachse übertragen, dass der Hintern schön hinauswandert.
Der Sound dabei: gottvoll. Die Traktion: überraschend. Die Bremserei: nun ja, sich recht unterschiedlich anfühlend bei den einzelnen Baureihen. Doch dazu später. Zunächst gehört noch klargestellt, dass Maserati (innerhalb des Fiat-Chrysler-Konzerns eindeutig der Ferrari-Verwandtschaft zugeordnet) mit der Erweiterung seines Wirkungsbereiches ins Mittelklasse- und SUV-Segment seinen weltweiten Absatz in wenigen Jahren (seit 2011) verzehnfacht hat. Vor allem China spielt hier als Markt eine große Rolle. Ebendort fahren übrigens signifikant mehr jüngere Menschen und auch mehr Mädels Maserati. In der alten Welt und den USA liegt der Alters-Durchschnitt der Käufer um gut zwanzig Jahre höher bei mitte Fuffzig. Und davon fahren hauptsächlich die Buben einen Dreizack. Dem gehört marketingtechnisch entgegengewirkt. Einerseits mit Aktivitäten wie der Winter Tour. Aber auch mit einem „Einstiegsmodell“ wie dem Ghibli. Der in eingefleischten Audi- BMW- und Mercedes-Märkten eine gute Alternative zu den jeweiligen Volumsmodellen A6, Fünfer und E-Klasse darstellt. Jetzt muß nurmehr die hartnäckige Markentreue des eingefleischten Mitteleuropäer gebrochen werden.
Zu den Modellen: Maserati Levante
Der frischeste Maserati wäre von seiner Wesensart noch vor gar nicht allzu langer Zeit schlicht undenkbar gewesen. Schon der Quattroporte wurde als eitle Besonderheit mit hohem Skurrilitätsfaktor im Modellprogramm einer Sportwagenmarke angesehen. Aber wenn der SUV boomt, macht auch die Sportwagenmarke davor nicht halt. Man sieht dies auch anderswo, beim Cayenne, beim F-Pace und auch beim Bentayga. Von Stilbruch kann bei einem Auto wie dem Maserati Levante also längst keine Rede mehr sein. Als SUV im FCA-Verbund wäre hier Verwandtschaft zum Alfa Stelvio denkenswert, diese findet allerdings nur in optischer Hinsicht ein bissl ihren Niederschlag. Und auch wer automatisch annimmt, dass die italo-amerikansiche Verbundenheit mit Jeep hier eine allzu prominente Rolle spielt, liegt falsch. So wie der Stelvio auf der Giulia (hach, da macht Gendern Freude …) baut der Levante konstruktionsmäßig auf dem Ghibli auf. Alles halt ein bissl höher, dafür aber auch ähnlich sportlich. Zum frischen Modelljahr hat man hier hauptsächlich bei den Fahrer-Assistenzsystemen nachgebessert. All das, was früher bloß warnte (Toter Winkel-Assistent, Lane Assist, Abstands-Tempomat) greift nun auch aktiv ein, autonomes Autobahnfahren auf Level 2 ist nun mit allen neuen Maseratis möglich. Bemerkenswert am SUV der Marke bleibt, dass er weniger das Offroad-Lastentier der Gruppe darstellt, als vielmehr umgekehrt einen der sportlichsten Vertreter all der verfügbaren Hochstelzer am Markt gibt. Das Teil lässt sich orgeln als gäbe es kein Morgen, wenn in den Sportmodus gedrückt. Und ganz egal, auf welchem Untergrund man sich bewegt.
Noch nie war die Maserati-Modellpalette so stimmig aufgestellt.
Maserati Ghibli
Früher stand der Name Ghibli bei Maserati für Sportautos. Zuletzt trat der Titel als Namensgeber eines keilförmigen Coupés auf, sozusagen der zweitürigen Version des damaligen Quattroporte. Mit den klassischen Supersportlern vom Schlage eines Merak oder Khamsin hatte der Nineties-Ghibli nicht mehr viel gemein. Aber doch blieb er eindeutig erkennbar Sportwagen. Ein Feature, das der aktuelle Ghibli wohl noch im tiefsten Inneren erfüllt, damit vordergründig aber kaum protzt – wir sagen nur: Diesel! Das Ziel des „kleinsten“ Maserati ist klar: die mittlere Business-Class, die Welt der Fünfer-BMWs oder A6-Audis. Jene Autos also, die gerne vom mittleren Managment bis zur Geschäftsführerebene gefahren werden und in einer gewissen Ausstattungs-Spreizung auch schon mal 70 bis 80.000 Euro kosten dürfen. In diese Kerbe schlägt der Ghibli und die Verfügbarkeit eines Selbstzünders ist hier – vorläufig noch – Pflicht. Mit 275 PS Leistung ist der hier freilich schon auch einer der schnelleren, stärkeren solchen. Aber die Musik spielt wie bei allen Maseratis bei den Benzinern, weil ja dann auch mit Allrad erhältlich, trefflichst SQ4 getauft. Damit liegen in der höchsten Ausbaustufe 430 PS an, um 20 mehr als noch im Vorjahr und überhaupt haben wir damit den stärksten Ghibli aller Zeiten.
Da kommt dann der Sportler unverkennbar durch. Insgesamt, was Haptik und Dynamik betrifft, fühlt sich der Ghibli ein wenig wie ein kleinerer Quattroporte an, was ihm gut steht, aber nicht durchwegs zum Vorteil gereicht. So schien es bei unserem Testwagen, als wäre die Bremse etwas zu indifferent konfiguriert, das Lenkrad zu groß für das Gesamt-Gewinkel der Fahrgastzelle und die Automatik eine Spur zu nervös beim Runterschalten. Eine Schwäche, die sie mit einem etwa langsamen Wandler-Wesen beim raufschalten zwar soundmäßig interessant, aber vom Sportfaktor her zu behäbig durchführte (im Normal-Modus, wohlgemerkt). Was die neuen Features, also Lane Assist, Totwinkel-Assi und Autonomes Fahren betrifft, verdient sich der Ghibli Bestnoten. Tatsächlich wird Autobahnfahren im mittleren Speedbereich (um die 100) zur absoluten Nebensache, schön entspannend. Die Lenkung hält einen unaufgeregt in der Spur, nähert man sich der Sperrlinie zu sehr und hat man hier die dritte Scharf-Stufe mit Lenkeingriff vorgewählt, wird fast eine Spur zu energisch gegengelenkt – ein Feature, an dem sich manche möglicherweise stoßen.
Maserati Quattroporte
Auch der große Viertürer (man stelle sich vor Mercedes nannte seine E-Klasse so: Mercedes Viertürer 4MATIC. Ehrlich, manchmal beneidet man die Italiener um ihre Sprache …) gibt sich zum neuen Modelljahr frisch geschminkt, speziell was die Assistenten betrifft. Man hat hier einiges an Kürzeln in petto; IVC, EPS, LKA, ADAS oder TSR. Allesamt Themen wie Spurhalten, Totwinkel-Assistent, Autobahn-Assistent und dann noch Electric Power Steering (sehr angenehm, ein bissl indifferent) oder eine Verkehrsschilderkennung. Und allesamt, der guten Ordnung halber sei dies erwähnt, keine großen Sensationen im Feld der Mitbewerber. Aber bei Maserati gab es derlei eben bislang nicht, also freuen wir uns einfach vorbehaltlos. Zumal das Autobahnfahren hier mit dem Dreizack am Lenkrad so voll-halbautomatisch (weil gesetzeskonform) schon eine Extraportion Freude bereitet als, sagen wir, in einem schnöden A8. Vielleicht ist es diese ständig lauernde Urgewalt des 430PS-V8, die man immer abrufen könnte, wenn man denn wollte. Oder aber doch am eindrucksvollen Sound, den die Benziner anders als der Diesel nicht erst synthetisch herstellen müssen. In die Mitte des Antriebsspektrum hat man übrigens bei Quattroporte und Levante einen V6-Benziner mit 350 PS eingeschoben, der SQ4 bringt 430 PS auf alle vier Räder und darum gehts hier hauptsächlich bei der Winter Tour.
Fazit
Selten, nein, eigentlich noch nie war die Maserati-Modellpalette so stimmig dahingehend aufgestellt, dass sie für jeden etwas dabei hatte. Und wenn ich da vom Nicht-Luxus-Kunden spreche, der von vornherein ein Sümmchen jenseits der 50k auf den Tisch blättert, besteht ebenfalls Hoffnung. Auf einen Gebrauchtwagen nämlich. Vom letzten Quattroporte gibt es schöne Gebrauchte um vernünftiges Geld, wenn man auf ordentliche Wartung achtet. Derlei wird in Bälde auch für ein paar übertragene Levanten (oder heißt es Levantes?) sprechen.
Zu fahren sind die Teile alle superspannend bis sportlich, selbst im Stau ergötzt man sich am wirklich exquisit gezeichneten Innenraum und das Stop&Go übernimmt künftig ja die Elektronik. Einzig die Displays hätte man etwas spannender oder ansprechender gestalten können, talking about Digi-Design. Da wäre etwas Nachhilfe bei Familienmitglied Alfa angesagt, wo der Stelvio puncto Display-Formensprache echt revolutionäre, neue Wege geht.
Motoren? Ferrarilike. Fahrwerk? Hart aber gut, Traktion ohne Ende. Komfort? Überraschend allroundig. Und auch das Platzangebot ist zwar eng, aber doch ganz gut angemessen, wie bei guten italienischen Anzügen eben.
Die Preise
Ab 78.875 Euro steht hierzulande der erste Ghibli zur Disposition, der Levante startet bei 87.940 und der erste Quattroporte ist um 115.000 Euro wohlfeil. Das lässt sich freilich in schwindliche Höhen hochlizitieren, aber das ist kein Italo-Feature, das geht bei Deutschen auch. Maserati ist also zurück. Vorausgesetzt, der Dreizack war je weg …
Und jetzt noch den Sound dazu vorstellen. Oder nein: hier unten anhören!