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Alfa Romeo Stelvio – Das hohe Herz

Alfa Romeo Stelvio

Mit dem ersten SUV von Alfa Romeo, dem Stelvio werden keine klassischen Werte überrollt. Selten fühlte sich ein Hochstelzer so down to earth an.

von Franz J. Sauer
Hinten ein bisserl Maserati, naja no na, schließlich gehört man irgendwo zum selben Unternehmen. Aber vorne? Meine Herren, das ist Brutalität. Noch nie hat sich das Wappen einer Automarke so in Szene gesetzt wie jenes hier vorne dran. Irgendwo im grauschleirigen Hinterstübchen der automobilen Erinnerung gab es mal eine ähnlich markante BMW-Niere auf einem Bayern. Aber heutzutage, in Zeiten von auffallendem Understatement traut sich das keiner mehr. Andererseits – Alfa hats nötig. Zu wenige Erfolgserlebnisse brachten die letzten Jahre, zu wenige Überlebensgarantien die letzten Modelle. Das wunderschöne Coupé? Zu Abverkaufspreisen am Gebrauchtmarkt. Die gottvolle Brera? Spendiere einen Euro, wenn wer einen sieht. 159, Kombi oder auch nicht? Schön anzusehen, ins Straßenbild eingepasst, aber halt eben doch kein Audi A4. Giulietta? Netter Versuch. Mito? Arna, schau owa. Nicht falsch verstehen – lauter tolle Autos (auch der Arna). Aber Erfolge? Ein Jammer in Prolongation.
Feine Proportionen, rund gezeichnet. mit viel Herz und Hingabe, wie es sich gehört.

Aber dann: die Giulia. Hoffnung keimt auf. Sofort zum Marktstart wird auch der Superhaudrauf geliefert, mit 510 PS. Und eine Quadrifoglio-Version für die nicht ganz so verrückten Spinner ward ebenfalls aufgetischt. Und alles, alles, alles wird andauernd als Vorhut präsentiert. Als Vorspeise für die große Sache. Den ersten SUV der Marke.

Stelvio. So nannten die bei Moto Guzzi ihre große Geländemaschine. Nach einem feinen Pass, beliebt bei allen Autofahrern, im Norden Italiens, wo denn auch sonst und eingedeutscht heißt der nämliche Stilfser Joch. Allrad war bei Alfa bislang immer ein gern genommenes, aber doch unter dem Radar durchgeflogenes Feature, verschämt und keinesfalls hochgejazzt, wie etwa anderswo der Quattro. Nun wird der Q4 getaufte Allradantrieb sozusagen Kernelement einer neuen Alfa-Gattung. Und so hat schließlich fast jeder italienische Autohersteller neuerdings auch einen rechtschaffenen Geländewagen im Fahrzeugprogramm.

Klar liegt es nahe, hier und jetzt „Jeeeep“ zu rufen, derlei lag uns ja auch letzthin beim Maserati Levante auf der Zunge. Wie schon dort trifft es aber auch hier nicht zu. Der Stelvio rollt auf der hochgestellten Giulia-Plattform daher, so wie der Levante auf jener des Ghibli. „Alfa Link“ nennt man dieses Baukasten-System bei den Milanesern, das aus all den netten Komponenten, die man im Konzern zur Verfügung hat, das Passendste herauspickt.

Basiswissen

Zwei Motorisierungen werden zum Marktstart geliefert. Ein großer Benziner (2,0 Liter, Turbo-Vierzylinder) mit 280 PS und ein fetter 2,2 Liter Turbodiesel mit 210 PS. Selbstredend passt letzterer am besten zu einem Auto wie diesem, allerdings liefert der böse Benziner einen Gattungs-untypischen Beschleunigungswert von heißen 5,7 Sekunden für die 0 auf 100. Das soll ihm mal einer ohne M-, AMG-, RS– oder SVR-Emblem nachmachen. Auch im Verbrauch zeigen sich deutliche Unterschiede, das soll aber auch so sein. Wenig später kommen dann noch zwei schwächere Aggregate hinzu, ein Benziner mit 200, ein Diesel mit 180 PS. Und letzteren wird es dann auch mit Hinterradantrieb geben, warum auch immer. Keinen Stelvio wird es mit Handschaltung zu kaufen geben, es ist der hier verbaute Achtstufen-Selbstschalter übrigens auch ganz in Wirklichkeit eine rechtschaffene Sensation. Doch dazu später.

Mittelgröße

So richtig einordnen lässt sich die Optik des Stelvio nicht schnell. Man zweifelt bald an seiner Einschätzungsfähigkeit. Ist er nun ein Kompakter, oder doch ein Großer? Sind 4,69 Meter Außenlänge mehr Tiguan oder doch eher Q5? Haben zwei Räder oder ein ausgewachsener Kinderwagen mühelos Platz im Kofferraum? Oder ist die Anhängekupplung für die fünfköpfige Familie doch eher das unverzichtbarste Extra?

Gelungen ist die Optik jedenfalls. Am Heck zeigt sich Verwandtschaft mit dem Maserati, die Front und ihre Art, Eindruck zu schinden, haben wir schon erwähnt. Die Seitenlinie behält Spannung, fette Anbauten untenrum haben in der Seitenansicht Charme, sind aber, wenn man von hinten drauf schaut, a bit too much. Klar, irgendwo rein hat man die Auspuffenden schnitzen müssen, wie das nun wieder Mode ist. Aber so richtig ausgeklügelt wirkt diese Endpartie nicht. Ebenso wenig wie Heckklappe und Leuchteneinheit – da grüßt ein bisserl der Fiat durch. Was nicht weniger bedeutet, als dass uns das Ganze in spätestens 20 Jahren unsäglich gut gefallen wird.

Handwerkskunst

Komplett gelungen ist der Innenraum. Hier stimmt alles, passt alles und es lässt sich auch noch leicht bedienen, da hätte man bei Maserati durchaus abschauen sollen. Das Lenkrad liegt satt in der Hand, der Gearstick hat was gaminghaftes und die beiden Drehregler passen sich wunderbar ins Kuchlholz der Mittelkonsole. So mögen wir italienische Handwerkskunst.

Dass sich all das auch ein wenig leichtfüßig, dünnhäutig und somit zerbrechlich anfühlt, ist ebenfalls seit einigen Jahren Standard bei Alfa. Ein Tadel, den die schönen Italiener insofern zu unrecht kassieren, als ja nur die Deutschen und Franzosen in ihrer Haptik der letzten Jahre so viel dicker geworden sind, während die Italiener sich nur ein wenig weiterentwickelt haben. Halten tun sie letztlich ganz genau so lange.

Aussen gelungen, innen sensationell. Bloß die Heckpartie wird uns erst in 25 Jahren gefallen.

Ist er nun ein Kompakter, oder doch ein Großer? Sind 4,69 Meter Außenlänge mehr Tiguan oder doch Q5?

So fährt er sich

Wir starten die Hatz auf die Berge, diesfalls in Tirol, gleich mal mit dem Benziner. Und geben uns nach wenigen Sekunden, beziehungsweise dem ersten Hinaufbeschleunigen ziemlich baff: Dieses Fahrverhalten hat nichts mit dem aller anderen SUV zu tun, die wir kennen! Säße man nicht sichtbar höher, man würde sich in einem Sportkombi wähnen. Knackig frisch und pickig gebärdet sich die Straßenlage, kein Geschwanke, kein Tauchen nach irgendwohin. Der Sound ist genau dort, wo man ihn bei einem Alfa haben will und woher die Automatik aber sowas von ganz genau weiß, wann ich der Meinung wäre, dass es Zeit zum Schalten ist, wissen bloß die Götter. Fuzzy Logic hat uns noch nie so genau eingeschätzt oder auch nach kurzer Zeit kennengelernt, und wer sich vor personalisierter Werbung neben seinem Facebook-Thread fürchtet, der sollte spätestens jetzt vor dem Alfa Stelvio Angst bekommen. Auch der Diesel fährt sich akkurat, passt natürlich viel, viel besser zu so einer Art Auto, aber der Benziner macht halt doch mehr Spaß.

Fazit

Wenn der erste SUV von Alfa Romeo nicht auch gleich ein Ladentisch-Erfolg wird, so liegt das nur an der Deutschen-Deppertheit der europäischen SUV-Käufer. Dieses Auto ist rundum gelungen, macht Spaß wie Sinn und bereichert ein ohnehin wie deppert wachsendes Autosegment um ein ganz und gar unfades, neues Familienmitglied, nach dem sich bald auch hierzulande einige Köpfe umdrehen werden.

Die Preise

Der Einstieg in die Alfa-Stelvio-Welt beginnt mit dem 180 PS Heckantriebs-Diesel (den es aktuell nur zum Bestellen, noch nicht aber zum Anschaun gibt) um 44.020 Euro. Der starke Diesel in der Modellausführung „Super“ kostet ab 51.230 Euro, für Schnellentschlossene gibt es den Stelvio Turbobenziner als „First Edition“ um 64.990 Euro, womit die Spitze der Fahnenstange im Preisgefüge auch schon erreicht wäre.

Und nun bitten wir zur Probefahrt!




Oh Romeo!

Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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