Kritik an der reinen Vernunft
Der neue Kia ProCeed
Text: Jakob Stantejsky
Der ProCeed kostet bei gleichem Motor und identischer Ausstattung 700 Euro mehr als der konventionelle Sportswagon, der weiterhin im Programm bleibt. Mit seiner um vier Zentimeter abgesenkten Dachlinie, der weit nach vorn geneigten Heckscheibe und der schnellen Fenstergrafik in der Flanke sieht er zwar deutlich schnittiger aus, büßt dabei aber fast keine Platz ein: Gerade einmal 29 Liter Laderaum opfert der ProCeed der schönen Kehrseite und landet mit 594 Litern noch immer ganz vorn in seiner Klasse. Serienmäßig ist die Rückbank dreigeteilt und wenn man sie ganz umlegt, passen bis zu 1.545 Liter hinter die auf Wunsch elektrische Klappe. Den einzigen Nachteil dieses Karosseriekonzepts trägt deshalb der Fahrer – nein, nicht, weil der ProCeed besonders schwer wäre oder in den Kurven Mühe machte. Im Gegenteil, schließlich wird er nur mit den stärkeren Motorvarianten von 136 PS aufwärts angeboten. Sondern weil man den mit Abstand schönsten Kombi im Segment zwar gut anschauen, aber schlecht hinausschauen kann – zumindest nach hinten.
Aber in der Regel gehören die Augen ja auch nach vorn auf die Straße. Erst recht, wenn man mit der GT-Variante unterwegs ist, die jetzt das Motorenprogramm für das Schrägheck (ab 28.590 Euro) und den ProCeed (ab 31.190 Euro) nach oben abrundet. Der 1,6-Liter große Turbo bringt immerhin 204 PS und 265 Nm auf die Straße und geht so sogar auf GTI-Kurs. Was ihm dazu an Elan fehlt, macht er mit Emotionen wieder wett. Denn wo er im Standardbetrieb bei aller Souveränität noch relativ ruhig und verhalten auftritt, spannt er nach dem Druck auf die Sporttaste spürbar die Muskeln an: Die Lenkung wird strammer, die aufpreispflichtige Doppelkupplung (2.000 Euro) schaltet schneller und vor allem knurrt der Vierzylinder dann wie ein wütender Wachhund, der endlich von der Kette will. Tut man ihm diesen Gefallen, stürmt er entsprechend gierig davon und fühlt sich dabei viel engagierter an, als er in Wirklichkeit ist. Denn nach der gefühlten Raserei mag man kaum glauben, dass im Datenblatt ein Sprintwert von 7,5 Sekunden für den Handschalter und 7,4 Sekunden für das DSG-Modell sowie Spitzengeschwindigkeiten von 230 und 225 km/h stehen. Gefühlt jedenfalls sind die 250 Sachen locker drin.
Zwar erlaubt sich Kia mit dem ProCeed und Ceed GT einen kurzen Ausflug ins Reich der Reize und verlässt die Hirnhälfte, in der die Vernunft zu Hause ist. Doch bald kehrt der Ceed wieder dorthin zurück. Denn noch in diesem Jahr bringen die Koreaner für Kopfmenschen und Umweltbewegte einen Mildhybrid mit 48-Volt-Technik und kurz darauf einen Plug-In. Und für alle Praktiker, die es lieber erhaben als elegant mögen, gibt es den Ceed zum Jahreswechsel auch noch als SUV.