BYD Seal U DM-i – Reich in der Mitte
Beim Hersteller BYD macht man in Europa den Namen zum Programm: Außergewöhnlich viel Auto fürs Geld bietet der chinesische Hersteller fortan nicht nur mehr im reinen E-Segment, sondern neuerdings auch mit anderen alternativen Antrieben, wie beim Midsize SUV Seal U DM-i, der auf einen Plug-In-Hybrid-Antrieb setzt, wobei es auch noch ein paar Kinderkrankheiten in Sachen Technik und Komfort auszumerzen gilt.
Der chinesische Autohersteller BYD gehört hierzulande nun schön langsam zum gewohnten Straßenbild. BYD steht – für diejenigen, die es noch nicht wissen – ausgeschrieben für „Build Your Dreams“. Und man muss ehrlicherweise zugeben, dass der Name hier tatsächlich zum Programm wird. Denn bei BYD rückt man dank beachtenswertem Preis/Leistungs Verhältnis dem Traum vom eigenen Fahrzeug in den verschiedenen Fahrzeugklassen deutlich näher als bei vergleichbaren Fahrzeugen aus Europa und Japan.
Nun hat man sich ja in Europa, um die „ach so bösen Chinesen“ abzuwehren, zumindest politisch darauf verständigt, das Thema der Strafzölle für in China hergestellte E-Autos umzusetzen – eine Maßnahme, die übrigens keiner der europäischen Hersteller tatsächlich befürwortet hat – und damit vermeintlich die einheimischen Hersteller zu schützen. Doch in China ticken die Uhren nun mal etwas anders, und so schöpfen die chinesischen Hersteller aus dem Vollen. Sie bieten – wie im Falle von BYD, die ja eigentlich in Europa als reine E-Marke antreten wollten – nun eben auch Modelle mit Verbrennungsmotoren an und reagieren damit auf die Herausforderungen am Markt in atemberaubender Geschwindigkeit.
Genau so ein Modell ist der BYD Seal U DM-i, der nun hierzulande als Plug-in-Hybrid angeboten wird. Also mit der Möglichkeit das Fahrzeug wie ein E-Auto zuladen und eine gewisse Strecke rein elektrisch zurückzulegen, bei Bedarf jedoch auf einen Benzinmotor zurückzugreifen. Und das zu einem Preis, der wohl die meisten Verkäufer europäischer Hersteller mit einem ratlosen Achselzucken zurücklässt. Ab aktuell 37.980 Euro (Aktionspreis) ist der Seal U DM-i aktuell zu haben und bietet enorm viel Auto fürs Geld. Klar, es gibt noch die eine oder andere Kleinigkeit zu bemängeln, allerdings nichts Weltbewegendes, wie sich beim ersten längeren Intensivtest über Weihnachten herausstellte.
In Sachen Optik und Design muss der große BYD den Vergleich mit den Europäern keinesfalls scheuen. Sportlich, elegant und mit eigenständigem Lichtdesign ist der Seal U in der Mitte der Midsize-SUVs angekommen. Die Proportionen stimmen, markant ist die Front mit den dynamisch wirkenden Scheinwerfern, die Verarbeitung ist auf Augenhöhe mit den Europäern, das Auto wirkt optisch wie auch haptisch durchaus robust und selbstbewußt.
Im Innenraum des BYD Seal U wohnt man auf veganem Leder – also einem Kunstleder – und folgt damit einem aktuellen Trend. Mir persönlich ist das ja eher egal, aber gut, soll sein, wenn es denn das Gewissen der Konsumenten beruhigt…
Ein weiterer moderner Ansatz ist die umfassende Nutzung von Touchscreens, die auch im Seal U umgesetzt wird: Der zentrale Bildschirm misst beeindruckende 15,6 Zoll und kann um 90 Grad gedreht werden, von Quer- auf Hochformat – eine Besonderheit der Marke. Ein nettes Gimmick, aber nach dem fünften Mal Drehen, um die Kinder im Fond zu beeindrucken, bleibt der Screen wahrscheinlich für längere Zeit in einer der beiden Stellungen.
Vor der Fahrt empfiehlt es sich, an kalten Tagen die Lenkrad- und Sitzheizung zu aktivieren. Beide sind in zwei Stufen regelbar, wobei die erste oft zu schwach und die zweite einen Deut zu stark ausfällt. Ein weiteres Detail im Bereich Klimakomfort: Die automatische Heizleistung könnte stärker sein. Generell muss BYD hier noch etwas nachbessern, was die Klimaautomatik betrifft, denn oftmals muss man die Heizung auf 26 Grad im Winter stellen, damit es wirklich warm wird im Auto.
Generell gilt aber für das Infotainmentsystem sowie die BYD-App, dass die Chinesen ihre Software-Vorreiterrolle hier eindrucksvoll ausspielen. Die App funktioniert ultraschnell: Wenn man darüber die Standheizung aktiviert, Fenster oder Türen öffnet, dann dauert dies nur ein Augenzwinkern lang, während man bei manchen anderen Herstellern hier nach wie vor Geduld beweisen muss, während man auf den Display starrt und darauf warten muss, bis sich das sich meist drehende Aktualisierungs-Symbol endlich verzieht. Ebenso ist beim Starten des Fahrzeugs das Infotainmentsystem sofort zur Stelle und einsatzbereit. Auch das Navi ist ein paar Sekunden nach dem Drücken des Startknopfes bereit – ebenfalls ein Unterschied zu zahlreichen anderen Systemen, die derzeit am Markt sind. Der Grund dafür ist die Software-Struktur von BYD: Während bei manchen europäischen Fahrzeugen bis zu 90 Steuergeräte im Auto miteinander kommunizieren müssen, funktioniert vieles im BYD über Softwarelösungen und nur wenige Schaltzentralen, die demnach deutlich schneller miteinander „reden“ können.
Fahrkomfort und Handling des Seal U sind auf Bequemlichkeit ausgelegt, wobei das Fahrwerk und die Lenkung – wie bei vielen chinesischen Modellen – die kleinen Schwachstellen bleiben. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Punkte in zukünftigen Versionen und Updates verbessert werden, da die Hersteller aus dem Reich der Mitte in diesem Bereich schnell lernen und Änderungen vor allem extrem schnell umsetzen können. Das Fahrwerk ist im Normalbetrieb, also in der Art und Weise, wie wahrscheinlich 95 % aller Fahrer dieses SUV bewegen werden, absolut ausreichend komfortabel und agil. Die Lenkung ist im Stadtbetrieb und bis ca. 80 km/h unauffällig. Allerdings wird sie ab diesem Tempo dann deutlich zu straff. Hier wäre eine Möglichkeit zur Abstufung im System wünschenswert, um die Straffheit nach dem jeweiligen Geschmak einstellen zu können. Die Lenkung bleibt unabhängig vom gewählten Fahrmodus indirekt, und Querfugen werden teilweise deutlich weitergegeben an den Fahrer.
Ebenfalls etwas ungewohnt ist die Tatsache, dass sich der adaptive Tempomat nur bis 130 km/h aktivieren lässt und auch nur bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h funktioniert.
Ein klarer Pluspunkt ist das großzügige Platzangebot. Zwar liegt die Ladekante etwas hoch, aber mit umgeklappter Rückbank entsteht ein Laderaum von bis zu 1.440 Litern – sehr ordentlich für ein Mittelklasse-SUV.
Das hybride Antriebskonzept überzeugt durch flüssige Übergänge zwischen Elektro- und Hybridmodus. Bei höheren Geschwindigkeiten wird der Verbrenner hörbar, insbesondere ab 125 km/h, wo er konstant arbeiten muss, um das schwere Fahrzeug anzutreiben. Dabei zeigt die Energiegrafik, dass der Verbrenner weniger zum Laden der Batterie beiträgt, da er vollständig mit dem Vortrieb beschäftigt ist. Der Motor wird grundsätzlich aber nicht unangenehm laut, außer auf sehr steilen Autobahnpassagen.
Zur Reichweite: BYD gibt bis zu 1.080 Kilometer an, mit einer vollen 18,3-kWh-Batterie und einem 60-Liter-Tank. Im Alltag haben wir rund 860 Kilometer erreicht bei einem Mix aus Autobahn, Landstraße und Stadtverkehr. Der Verbrauch lag bei rund 6,5 Litern Benzin und 16 kWh Strom – ein guter Wert für ein SUV dieser Größe. Wird die Batterie während der Fahrt durch den Verbrenner geladen, steigt der Verbrauch allerdings schnell auf über 10 Liter, teilweise auf der Autobahn bei etwas erhöhtem Reisetempo auch mal auf 14 Liter.
Der Seal U punktet durch seinen attraktiven Preis, seine umfangreiche Ausstattung, den großzügigen Innenraum und die gute Langstreckentauglichkeit. Die wenigen Minuspunkte bei Lenkung, Heizung und Fahrdynamik sind in Anbetracht des wirklich attraktiven Preises durchaus zu verkraften. Es ist davon auszugehen, dass BYD diese Kinderkrankheiten recht rasch in den Griff bekommen wird und sie dann schnell in der Serienproduktion umsetzt.