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Renault 5: Jeans und Kindheit und drei Monatsgehälter

Niki Skene, der auch schon mal BMW X5 fuhr, hat seine Autoliebe nun ein paar Klassen tiefer kalibriert. Und überlegt sich die Anschaffung eines saucoolen digitalen Displays mit vier Rädern dran.

von Niki Skene.

Ich hab gerade eine richtig gute Zeit in einem Auto gehabt. Gleich mehr dazu. Vielleicht zuerst kurz zu mir. Ich bin ein Kind der 1980er. In meiner Kindheit war Finanzieren noch nicht so ein Ding. In meiner Elterngeneration war ein Kreditnehmer eigentlich schon fast als Krimineller zu sehen, mindestens “ein Bein im Kriminal” jedenfalls. Also gekauft wurde, was man aus dem Kontostand bezahlen konnte. Für ein Auto hat mein Vater die Daumenregel “3 Monatsgehälter” vorgegeben.

Heute ist das etwas fluffiger. Es ist relativ egal, wieviel Geld du am Konto hast, das einzige, was zählt ist, ob du der Bank glaubhaft machen kannst dass du die Raten bedienen kannst, dann fließt Geld weiterhin. Du fährst, was du möchtest – und wenn dir dann ein Auto begegnet, dass du cool findest, dann nimmst du das einfach auch dazu. Elfenbeinturmgerede? Mitnichten, ich habe das perfektioniert! Bin die tollsten Autos gefahren, weit weg von meiner finanziellen Liga. Ich war einfach nur wirklich gut darin, eine Story verkaufen. Und die Story war, egal wie hoch meine Schulden bereits waren: „Ich verstehe Geld wirklich gut und ich kann es fließen lassen. Aber jetzt lasst es mal zu mir fließen.”

Und es floss. Oh Boy, wie es floss. Bereits als 20 jähriger hatte ich einen 200tsd Kredit, ganz ohne Sicherheiten, meine erste Wohnung habe ich finanziert und mit der Finanzierung die Schulden, die ich eingebracht habe, gleich mitfinanziert. Ich hatte quasi -20% Eigenkapital. Und so gings dahin. Die Wohnung zum Haus geflippt und der Fuhrpark war nicht bescheiden. Immer tolle Autos (Mehrzahl!) vor der Türe. Natürlich immer neu vom Band. Klar.

Irgendwann, da muss ich jetzt gar nicht näher darauf eingehen, wars dann doch aus. Komisch. Naja und seither ist die Wohnung doch um einiges kleiner und die Autos sind doch um einiges älter. In anderen Worten: es ist ein guter Tag, wenn am Ende (oder während) einer Ausfahrt nicht irgendein Lamperl rot leuchtet und mich daran erinnert, dass Autos rund um die 300.000km gerne beginnen, zu sterben.

Ich erzähle das alles, weil ich gerade nicht so verwöhnt bin, was Fahrfreude angeht. Aber heute wars anders. Heute habe ich richtig Spaß im Auto gehabt. Der R5 (Renault 5) war nie ein cooles Auto. Der Golf GTI war damals ein cooles Auto, nicht der R5. Es war das Auto, dass meine Mutter im Rahmen der 3 Monatsregel gefahren ist. Immerhin war es Ihres, aber das waren die Autos anderer Leute auch. Nein, der R5 war kein cooles Auto. Aber irgendwie mochten wir ihn. Meine Mutter hatte den R5 in Müllabfuhr-Orange, das war in den 1970ern und -80ern total in Ordnung. Ihr Letzter, ein blauer R5 GTX wurde mein erstes Auto.

Ein tolles Auto. Also ich fand ihn toll. Nachtaktives Wild leider weniger. Falscher Zeitpunkt, falscher Ort. Sowohl Tier als auch Fahrzeug haben die Begegnung nicht überlebt. Da war ich 20. Und es war bislang das letzte Mal, dass ich aus einem R5 ausgestiegen bin – wobei herausgekrochen wahrscheinlich die richtigere Bezeichnung wäre. Auf allen vieren. Ich glaube, durch die gebrochene Heckscheibe des am Dach liegenden Renault. Unverletzt. Der R5 hat mir zum Abschied das Leben gerettet. Oder irgendein Glücksengel, wahrscheinlich der heilige Christophorus – je nachdem, woran man glauben möchte.

Heute, etwa 32 Jahre später, sitze ich das erste Mal wieder in einem R5. Und natürlich hat der nix mehr mit dem R5 zu tun, in dem ich meine Kindheit verbracht habe. Viel cooler. Auch viel cooler als der Golf GTI, heute – heißt der überhaupt noch GTI? Egal.

Natürlich alles digital und Display im R5. Ich frag den Verkäufer von RDW Währing, ob meine Mutter den noch kaufen würde. So als alter R5 Hase. Nein, die älteren Leute mögen das nicht, wenn es nur mehr Displays und keine Tasten gibt. Die nehmen dann den Dacia Sandero mit Schalter und Basisausstattung. Schluck.

Themenwechsel. Also alles Display und digital. Und wie es sich für ein e-Auto gehört, ein sanftes Synthesizer-Rauschen statt Motorgeräusch. Wobei ich ja das Jammern der frühen Franzosen höre, und alle die in einem R5 oder R4 oder einer Ente gesessen sind, wissen wovon ich rede: der Motor klang immer so, als würde er leise vor sich hin weinen. Franzose halt. Immer ein bissl Drama (und wer das nicht gerne liest, soll sich einfach schnell einen französischen Film reinziehen. Die sind einfach immer ein bissl dramatischer).

Meine Frau fragt mich, warum der Jeans-Stoff als Innenausstattung. Ich antworte selbstbewusst, “weil in der Zeit alle Jeans getragen haben – ein Zitat an die Zeit, quasi”. Keine Ahnung ob das Unsinn ist, oder nicht. Ich find den R5 jedenfalls toll. Soviel Spaß in einem Auto, so soll das sein. Vielleicht nehm ich mir den einfach dazu. Sind ja nur drei Monatsgehälter, also die drei meiner besten Monatsgehälter, seit ichs weiß halt. Wer weiß: vielleicht mach ich die jetzt ja.

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