Lexus etabliert eine neue Sportauto-Baureihe. Und widerspricht zuindest hierzulande dem Grundsatz „Zucker kommt zuletzt“ ganz gewaltig; der jüngst präsentierte RC F tritt mit durchtrainierten 477 PS an um das mitteleuropäische Sportcoupé-Segment von oben aufzurollen.
von Franz J. Sauer
„Wir können auch anders!“ So tönte Lexus-Chefentwickler Yukihiko Yaguchi mit geballter Faust im Umfeld der Präsentation des neuen Sport-Lexus RC F. Luxus und Hybrid sind das eine, reinrassige Sportwagen das andere. In letzterer Kategorie tat sich die noble Schwesternmarke von Toyota jüngst eher wenig hervor. Auch den hochspaßigen GT86 startete man unter den Labels von Scion, Toyota und Subaru – klar, er wäre puncto Luxusappeal auch zumindest einen Halbstock zu tief für Lexus angesiedelt gewesen. Spaß war also bislang eher weniger der entscheidende Maßstab, wenn man sich für einen Lexus entschied – obwohl der SUV RX, die Luxus-Limousine LS oder auch die mittige NX-Reihe keineswegs spaßbefreite Autos repräsentieren. So auf den Putz wie der RC F haute hierzulande allerdings noch kein Fahrzeug unter dem Signet mit dem großen L.
Gefalzt, aggressiv, knapp 500 PS stark. Wir können auch anders, sagt Lexus mit diesem Auto. Und zieht die Supersportler-Laufschuhe an.
AMG, M-GmbH, quattro – kennen wir. All diese wunderbaren Beinamen machen den biederen Geschwistern aus den Werkshallen ihrer Konzernmütter Daimler, BMW oder Audi Beine und verleihen ihnen die Abilität, Freunden der forcierten automobilen Fortbewegung den Blutdruck zu steigern. Ähnliches vermag bei der Marke Lexus der Buchstabe „F“. Tut dies an mittiger Stelle beim Ober-Hammer-Lexus LFA (den auf hiesigen Straßen noch wenige zu Gesicht bekamen) und tat dies hocheindrucksvoll auch beim superbösen IS F vorvergangener Bauart. 423 PS befeuerten dereinst die Einsteiger-Reihe in die Lexuswelt, machten aus einer biederen Kleinlimousine ein heckgetriebenes Supergeschoß und – wurden von der Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen. Während die zivilen Versionen IS 250 und IS 300 h sehr wohl das hiesige Asphaltgetümmel aufwerten, kam der IS F praktisch nie vor. Weshalb er dieses auch im aktuellen Lexus-Portfolio heimischer Provenienz nicht mehr tut.
Lexus ist Luxus, punktum. Vielleicht noch Hybrid, auf hohem Niveau. Für all jene, die auf technologischen Fortschritt im Dienste der Schadstoffverringerung und den dicken SUV vor der Haustüre gleichermaßen nicht verzichten wollen. Aber Sport? Naja. Daher ist hierzulande auch weitgehend unbekannt, wofür das „F“ bei den Lexussen mit den Sportschuhen eigentlich steht. Die Erklärung ist recht simpel: für den Fuji-International Speedway, ja, genau den, Niki Lauda und dings. Dort werden die bösen Lexen scharfgemacht. Schlüssig wie wohlklingend. Und man fragt sich, wann der erste europäische Autobauer endlich auf die Idee kommt, das sportliche Sahnehäubchen irgendeiner Baureihe schlicht und ergreifend „N“ für Nürburgring zu taufen.
„Wir können auch anders.“ stellte dieser verschneiten Tage auch Österreichs Lexus-Generalimporteur Frey klar und rollte einen superblitzblauen RC F vor die versammelte Meute der Motorjournaille. Dieser traf diese nicht ganz unerwartet, man war auf diesen schon seit der Vienna Autoshow rechtschaffen angespitzt. Aber in echt und vor allem auf der Straße, mit Nummerntaferln hinten und vorne, macht sowas dann schon mehr her als im Scheinwerferlicht einer überladenen Messehalle. Und weil man es kaum erwarten kann, ein Sportauto diesen Auftrittes schnell und direkt in seinem natürlichen Umfeld zu erfühlen, erfindet man allerlei „Pfah-was-hab-es-ich-heut-eilig-Ausreden, um die besorgte Einschulung von Presse-Gottseibeiuns Roman Sobotka so kurz wie möglich zu halten.
Lexus RC F Basiswissen
Zunächst aber mal die Basics. Die RC-Reihe, das große Lexus Coupé also feierte sein Debut auf der Tokyo Motorshow 2013. An der Basis verfügt der RC über eine Benziner- (RC 350) und eine Hybrid-Variante (RC 300h), in dieser Konfiguration – wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb, geschalten über die aus dem IS F bekannte Achtgang-Direktautomatik – ist er auch seit einem Jahr auf dem deutschen Markt erhältlich. Über unsere schöne Alpenrepublik kommt die RC-Baureihe ab Start in der superbösen F-Variante und nur in dieser. So schlagen 477 PS aus auf acht Zylinder (im V) verteilten, 4969 ccm Hubraum mit einem Brachialmorch von 530 Nm (4800 – 5600 U/min) auf die aussschließlich angetrieben Hinterachse ein. Ein selbstsperrendes Torsen-Differential verhindert das Schlimmste, allerlei Eektronik züchtigt Flieh- und sonstige Kräfte quer durch die verschiedenen Sport-Modi. Die Achtgang-Automatik mit sequentiellen Schaltmodi (heißt nichts anderes, als dass hier ein Wandlergetriebe zugange ist, dessen Gänge sich im Bedarfsfall aber auch direkt durchreissen lassen, wie sich’s gehört per Wippe hinterm Lenkrad) stellt bereitwillig jedwede Art von benötigtem Übersetzungsverhältnis her und weil man ja auch gerne hört, wie man fährt, sorgt eine vierschröttige Sportauspuffanlage aus eigenem Anbau für den nötigen Rumms. Als Konkurrenz werden vollmundig Kaliber wie ein Audi RS5, ein BMW M4 oder aber der Mercedes-AMG C 63 genannt – die nämlichen Fahrzeuge matchen sich mit dem RC F sowohl in Leistungsdaten wie Preisgefüge ganz ordentlich. Einzig puncto Prestige wird der Japaner bis auf weiteres den Aussenseiter geben. Ein Umstand, dem man bei Lexus so hartnäckig wie möglich entgegentreten möchte.
Lexus RC F: Here comes the Message
Klarerweise rückt einer wie der RC F bei jener Gelegenheit mit allem an Elektronik und Sportkompetenz aus, was ein Großkonzern wie jener von und zu Toyota bereitzuhalten vermag. Mit Verve wird der RC F zur Raumstation hochgerüstet, wovon man schon beim Erstkontakt eine ziemliche Ahnung bekommt. Es ist ein Cockpit, das einen hier umschlingt, so weit entfernt vom wohltuenden Spartanertum eines Toyota GT86 wie der Mond vom Mars. Drei Fahrmodi trennen die Spreu vom Weizen, lassen die Laune des schicken Stylers von gemütlich auf hochaggressiv umschalten. Origrinelle Benamsungen wie „Slalom“ lassen einen sofort erahnen, wofür sie sich eignen, um die Sperefeken des jeweiligen Fahrprogrammes dem jeweiligen Piloten auch nachdrücklich in den Frontallappen zu projizieren, gibt sich ein an Mäusekinos überreiches Armaturenbrett rechtschaffenste Mühe.
Der Lexus RC F ist keiner, der dich und deine mangelhaften Sportfahrer-Skills gerne bloßstellt. „Nehmen noch Drehmoment?“ fragt er dich höflich, bevor du in die kompromißlose „Track“-Stellung des Fahrmodusregler wechselst.
Lexus RC F – so fährt er sich
Ins Leben beruft man den V8 wie bei aktuellen Autos sowieso üblich per Startknopf, klare Sache. Der Sound heißt einen freundlich-bollernd willkommen, von sicherlich vorhandenen Vibrationen trennt einen ein wahrhaft paradiesisches Ledergestühl, das mindestens so viel Hightech in seinen orthopädischen Grundkenntnissen vereint, wie alle anderen Komponenten dieses Sportmuskels in ihren Bereichen auch. Dass Lenkung, Pedallerie, Schaltwählhebel und Sitzgeometrie vom Luxus der übrigen Lexen viel mitbekamen, streicht erfolgreich das Gran Turismo Wesen des scharf gezeichneten Viersitzers hervor. Der erste Straßenkontakt stellt sich entsprechend glamourös dar, zunächst bekommen wir die guten Manieren des RC F vorgestellt. Derlei wärmt wunderbar auf, man spürt den Druck, mit diesem Gerät herzhaft anzustoffen, zwar irgendwo im Hinterkopf, könnte jetzt aber auch mal ganz entspannt auf ein Kaffeetscherl nach Salzburg gleiten, bevor man es richtig krachen lässt.
Gut, spätestens in der ersten verführerischen Kurve juckts einen dann doch. Kaffeetratsch wird auf die lange Bank geschoben, das erste Angasen verläuft verführerisch und wenn hier noch irgendwer verleugnen mag, das Sportlerwesen dieser Fahrmaschine nicht in jeder Faser zu verspüren, sollte er umkehren und die netten Lexus-Leute um einen Hybrid-SUV aus dem Sortiment zu bitten.
Klar fährt man rauf auf die Höhenstraße, klar nähert man sich dem glitschigen Kopfsteinpflaster zwischen den Schneehaufen mit der gebotenen Ehrfurcht zunächst, bald dann aber auch gleich übermütig. Man ertappt sich dabei, trotz arktischer Temperaturen das Fenster einen Spalt zu öffnen, zu verführerisch tönt die Motorbollerei von hinterwärts. Und wenn man das erste Mal einen kleinen Heckschwanzler provoziert, gaaanz smooth, gaaanz unschuldig und doch auch vorwitzig, erkennt man bald die wahre Größe dieses Sportautomobils.
Der Lexus RC F ist keiner, der dich und deine mangelhaften Sportfahrer-Skills gerne bloßstellt. „Nehmen noch Drehmoment?“ fragt er dich höflich, bevor du in die kompromißlose „Track“-Stellung des Fahrmodusregler (inklusive aller Nachlässigkeiten einer abgespeckten Sicherheitsarchitektur) wechselst. Und doch auch bald durch ungestüme Ausbruchs-Versuche (ein imaginärer, erhobener Zeigefinger scheint durch den Innenraum zu geistern …) mit dem Respekt-Zügel gegängelt wirst.
Lexus RC F – Fazit
Im Schnellverfahren lehrt einen der Lexus RC F einiges über das Wesen aktueller Sportcoupés. Räumt ein, dass Wohlfühlen in sechsstelligen Preiskategorien (zwar gibt sich der Einstiegs-Preis in die RC F Welt von 98.900 Euro noch knapp fünfstellig, wer wird in dieser Klasse aber das Basismodell wählen?) unabdingbar wichtig ist, klärt behände, wie schnell man die Grenzen vom Gleiten zum Wetzen bisweilen überschreiten kann und führt den Hobby-Sportfahrer mit Stil und eiserner Hand an die Ränder seines eigenen Fahrkönnens heran, ohne dafür Schockmomente oder sonstige Gruselerlebnisse der Near-Miss-Kaltverformung über Gebühr zu beanspruchen. Klar wünscht man sich die Nordschleife unter die Achsen dieses Sportwagens, nicht zuletzt um Leistungssuperlative wie die 270 km/h Spitze oder den Beschleunigungswert von 4,5 Sekunden bis zum Hunderter ohne die Kieberer-Kelle im Gnack herausfahren zu können. Andererseits nähere man sich solchem Geläuf mit diesem Auto nicht ohne den gebührenden Respekt, Fahrprogramme hin, Elektronik-Sicherheitsnetz her. Auch Höhenstraßen können bedenklich eng werden, wenn 477 Pferde mit sportlichsten Genen im großen Stil ausbuhren wollen.