Mit trockener Mathematik muss man Rüdiger Rutz nicht kommen. Dafür ist der Ingenieur ein viel zu leidenschaftlicher Praktiker, der lieber am Steuer sitzt als am Schreibtisch. Nicht umsonst leitet er die Gesamtfahrzeug-Erprobung für den Mercedes GLE und alle seine Ableger. Doch zumindest mit Kurvendiskussionen kann man den Mercedes-Mann allemal locken – jedenfalls, wenn die Kurven ins Blech gepresst oder in den Asphalt gegossen sind. So wie jetzt beim neuen GLE Coupé, mit dem Rutz zwischen der Weltpremiere auf der IAA in Frankfurt und der Markteinführung im Frühjahr gerade die letzten Testrunden dreht.
Von Thomas Geiger
Dass es ihm dabei auf die Kurven ankommt, hat einen doppelten Grund: Die Kurven im Blech schätzt der Ingenieur, weil das neue GLE Coupé anders als in der ersten Generation kein Schnellschuss mehr als ungelenke Reaktion auf den Erfolg des BMW X6 ist, sondern weil es eine eigene Form bekommen hat und ein eigenes Format und endlich wirkt wie aus einem Guss. Nicht umsonst haben seine Kollegen die Plattform im Radstand um sechs Zentimeter gekürzt. So hat man im Fond zwar trotzdem noch mehr Platz als im Vorgänger und der GLE taugt auch als Coupé als vollwertiger Vier- und zur Not auch als Fünfsitzer. Doch misst der Wagen nur noch 4,94 Meter und sieht unter dem stärker gespannten Dach entsprechend kräftiger und besser proportioniert aus.
Und die Kurven im Asphalt diskutiert er am Steuer dieses Autos gerne, weil der schräge Vetter des GLE eben nicht nur anders aussieht, sondern auch anders fährt: „Der kürzere Radstand macht den Wagen handlicher und die direktere Lenkung sowie das die etwas dynamischere Abstimmung tut ihr übriges“, sagt Rutz, während er den deutlich über zwei Tonnen schweren Wagen mit überraschend lockerem Griff über die Nebenstraßen der schwäbischen Alb treibt und selbst in Spitzkehren am Lenkrad nicht mehr umgreifen muss. Dabei wechselt er mit dem vorausschauenden 48 Volt-Fahrwerk immer mal wieder den Modus, surft mal sanft durch die Kurven wie ein Wellenreiter oder schneidet sie so hart, als wäre diese Nebenstraße ein Slalomparcours.
Treibende Kraft ist dabei ein drei Liter großer Diesel, der hier im GLE 400d auf 330 PS und 700 Nm kommt und dank eines Soundsystems im Abgasstrang alles andere ist als ein Leisetreter. Nicht nur beim Sound kann der Selbstzünder deshalb fast mit dem 53er AMG mithalten, der Rutz im Nacken hängt. Sondern auch an Nachdruck scheint kein Mangel zu herrschen. 22 elektrische Boost-PS aus dem 48 Volt-Starter hin und 520 Nm her – hier und heute jedenfalls hat der vorerst einzige Benziner im europäischen GLE-Programm gegen den Diesel keine Chance und kommt zumindest auf den kurvigen Straßen der Alb nicht am 400d vorbei.
Neben diesen zwei Varianten wird es noch einen GLE 350d mit 272 PS geben und im nächsten Jahr auch den Plug-In-Hybrid mit einem Vierzylinder-Diesel, verrät der Ingenieur. Außerdem hat natürlich AMG einen 63er mit standesgemäßem V8-Motor in Petto. Und dann kommt ja auch noch die Maybach-Version des GLS, die ebenfalls von Rutz betreut wird. Wenn die im nächsten Jahr auch auf der Straße ist, wird es ein bisschen ruhiger für den Erprobungsleiter und er kann sich auf eine dritte Sorte Kurven konzentrieren, die ihm nicht minder gut gefallen dürfte: Die Absatzkurve der GLE-Familie, für die es seit Jahre nur eine Richtung gibt: Nach oben!