Frage: Wie verlässt man als Automobil-Hersteller den absteigenden Ast? Mit Innovation und neuster Technik? Ach, woher denn! Es braucht einfach ein SUV.
Text: Maximilian Barcelli
So sah das offensichtlich auch Alfa Romeo. Und deshalb: Stelvio. Neben Giulia und Giulietta (und den anderen, die keine Frauennamen tragen) der Hahn im Korb, sozusagen. Und was für einer. Ein stolzes Tier, das mit einer avantgardistischen Optik zu beeindrucken weiß. Denn während manch anderer Hersteller nach etlichen Generationen noch mit der Designlinie der SUV-Modelle zu kämpfen hat, war Alfas erster ein Treffer ins Schwarze. Oder ins Grigio Vesuvio, außerhalb des Alfa-Universums auch ganz simpel „Grau“ genannt. In dieser Farbe beglückte uns der Italiener zwei Wochen lang.
Und schon beim ersten Lokalaugenschein wird klar: Alfa weiß einfach wie man begehrenswerte Fahrzeuge baut. Zarte Linien, ein grimmiger Blick, der Alfa-typische Kühlergrill fehlt selbstverständlich auch nicht und von hinten braust sich das ganze Drama schlussendlich zum Höhepunkt auf. Ganz abgesehen davon, ist die Marke ein wenig abseits des Mainstreams positioniert, was die ganze Sache noch etwas exklusiver macht. Aber zurück zur Kehrseite des Stelvio: Die abfallende Dachlinie macht eine gute Figur, dafür ist die Sicht nach hinten ausbaufähig. Ausmerzen kann man dieses Problem mittels Kreuzchen in der Ausstattungsliste: Für läppische 869,95 Euronen assistieren uns Parksensoren und die Rückfahrkamera beim Einparken. Im Fahrassistenz Paket PLUS ist ebenfalls ein Toter-Winkel-Warner, ein Fernlichtassistent und Rück- und Außenspiegel mit Abblendfunktion enthalten. Nicht ausmerzen können die Systeme allerdings das schwierige Dieseltönen, welches aus den, in die Stoßstange integrierten und herrlich aussehenden, Auspuffblenden eilt.
Wir haben schon schönere Selbstzünder als den 2,2-Liter-Vierzylinder von Alfa gehört. Dafür garantiert er mit seinen 210 Pferdchen ansehnlichen Vortrieb und macht dadurch seine am Drehzahldachgeschoss manchmal unsmoothe Art wieder wett. Und spätestens auf der kurvigen Landstraße ist dem Tönen des Motors ganz und gar verziehen und das italienische Feuer beginnt zu lodern. Wie filigran sich ein Sport Utility Vehicle doch bewegen kann, den Nordschleifen-Rekord des Quadrifoglio glauben wir ohne zu zögern – und sogar ohne Notar. Schon mit unsportlicher (aber zu einem solchen Auto passenden) Motorisierung imponiert der Stelvio mit einer ganz besonderen Kurvenaffinität.
Der größte Genuss lässt sich jedoch im Innenraum finden: Das Lenkrad. Dort, wo die Hände während der Fahrt am meisten ruhen (oder eben nicht ruhen), ist eine tolle Haptik nicht zu unterschätzen. Und sie ist im Alfa toll. Es ist immer wieder eine besondere Freud, mit diesem dünnen Lenkrad die Richtung vorzugeben. Ein kleiner Wehrmutstropfen sind jedoch die ultralangen und bisserl supersport-liken Schaltwippen. Nicht weil sie unschön anzugreifen oder gar billig sind, nein. Sie fehlen in unserem Testwagen – leider. Sonst gibt sich der Alfa im Inneren von einer guten Seite. Der Materialmix ist ausgewogen, ein bisserl Plastik lässt sich schon auch finden, im großen und ganzen ist das alles aber schon mehr als okay.
Und auch wenn ein „mehr als okay“ jetzt nicht besonders voller Emotionen sprüht, so ist der Alfa – vor allem optisch – doch ein sehr emotionales und unterm Strich gelungenes Vehikel. Fahrtechnisch von aller feinsten Güte, Qualitativ meist hochwertig und ganz grundsätzlich eben: Anders.