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Aston Martin Vantage: Eiliger Engländer

Komm auf die dunkle Seite

Aston Martin Vantage: Eiliger Engländer

Willkommen auf der dunklen Seite der Pracht. Denn nachdem Aston Martin die reichen Raser mit dem DB11 verführt und quasi mit Samtschuhen auf Speed gebracht hat, zeigen sich die Briten jetzt mit dem neuen Vantage von der rohen Seite und schnüren die Boxerstiefel.

Von Thomas Geiger

So, wie ihr berühmtester Kunde James Bond mal den Charmeur im Smoking und mal den knallharten Killer im Kampfanzug gibt, so bedient sein Haus- und Hoflieferant in Sachen Automobil nun ebenfalls die niederen Instinkte: Nicht der sinnliche Genuss im Gran Turismo sondern die reine Raserei mit einem zum Rennwagen radikalisierten Luxusliner steht im Vordergrund, wenn der Vantage im Juni zu Preisen ab 154.000 Euro in den Handel kommt.
Dafür gibt es ein Auto, das mit dem DB11 trotz der gemeinsamen Plattform nicht mehr viel gemein hat. „Nicht umsonst haben wir 70 Prozent der Teile ausgetauscht“, sagt Simon Croft aus dem Aston-Martin-Management. Außerdem ist der Vantge, der sich die beiden ohnehin nutzlosen Rücksitze des DB11 schenkt, 30 Zentimeter kürzer als sein großer Bruder, hat zehn Zentimeter weniger Radstand und bringt mit seinen 1,5 Tonnen glatte fünf Zentner weniger auf die Waage. All das verfehlt seine Wirkung nicht: Der Vantage fühlt sich deshalb in jeder Hinsicht leichter, handlicher, gieriger und giftiger an. Während der DB11 durch die Landschaft gleitet wie ein Jumbo-Jet über den Atlantik, fühlt man sich im Vantage wie in der Kanzel eines Kampfjets im Tiefflug und zwingt den Wagen mit dem kleinen Finger in die engsten Kehren auf der Ideallinie.
Diesen Eindruck stützen die Briten mit der extrem tiefen Sitzposition und einem Cockpit, das zwar weder ergonomisch ist, noch sonderlich gute Ausblicke bietet, das aber mit den schmalen Scheiben, dem eingebauten Tunnelblick und der Schalterformation um den hoffnungslos überladenen Mitteltunnel mächtig Eindruck schindet. Dazu passt auch das Design, bei dem die Engländer ihre aristokratische Eleganz fahren lassen und sich ein Raubtier zum Vorbild genommen haben: Tiefer auf die Straße gekauert als jeder andere Aston Martin vor ihm, die Leuchten zu wütenden Schlitzen verengt, jede überflüssige Linie aus dem ganz eng um die Technik geschnürten Blech getrieben – statt eines großen Gleiters ist der Vantage ein Fighter, der die Konkurrenz förmlich von der linken Spur beißt.
Als erklärten Rivalen auf der Rennstrecke und mehr noch auf der Autobahn haben sie bei Aston Martin den Porsche 911 ausgemacht. Auf dem Papier steht der Vantage gegen ihn nicht schlecht da: Denn für 154.000 Euro gibt es so ein Paket bei Porsche nicht, zumal der Vantage zwar das meistverkaufte Modell der Briten sein wird, gemessen am Elfer aber trotzdem ein exklusiver Exot bleibt. In der Praxis werden sich die Briten mit dieser Kampfansage ein wenig schwertun: Zwar ist der Vantage exklusiver und je nach persönlichem Geschmack auch eleganter. Doch weder wirkt er so alltagstauglich wie der Schwabe, weil er dafür zu hart und zu spitz ist, noch lässt er sich ganz so aggressiv bewegen. Denn für die reine Raserei ist er dann doch wieder zu kultiviert und gönnt seiner Kundschaft zu viel Restkomfort.
Selbst der Motor klingt bei aller Power irgendwie verhalten und zugeschnürt, auch wenn das Triebwerk im Grunde über jeden Zweifel erhaben ist. Nicht umsonst kommt es von Kooperationspartner Mercedes-AMG und treibt dort den GT an. Für Aston haben sie das 4,0-Liter-Triebwerk in Affalterbach auf 510 PS und 685 Nm kalibriert. Während die wegen der ausgeglichenen Balance ins Heck gewanderte ZF-Automatik ihre Gänge mit der Präzision und dem Tempo eines Schweizer Uhrwerks wechselt und die elektronische Differentialsperre die Kraft verteilt, schießt der Aston davon, als gäbe es kein Morgen mehr. Bei Vollgas ist er wegen der geänderten Übersetzung zwar etwas langsamer als der DB11 und schafft nur 314 statt 322 km/h. Doch dafür ist er, wie es sich für einen Rennwagen mit Straßenzulassung gehört, der bessere Sprinter und nimmt seinen großen Bruder drei Zehntel ab: Gerade einmal 3,6 Sekunden vergehen, bis das Coupé bei Tempo 100 ist.
Zwar kann man in diesem Auto kaum lockerlassen und fährt den Vantage deshalb so verbissen, dass der Genuss bisweilen ein wenig auf der Strecke bleibt. Doch ganz ohne Reiz ist dieses Rasen trotzdem nicht. Und wem das Coupé dabei nicht sinnlich genug ist, den bitten die Briten noch im ein paar Monate Geduld. Denn im nächsten Frühjahr gibt es den Vantage auch als offenen Volante – und spätestens dann geht sogar über der dunklen Seite der Pracht die Sonne auf.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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