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BMW 7er – The Sixth Sense

Motorblock fährt BMW 7er

BMW hat mit dem neuen 7er die Herausforderung angenommen, die Mercedes in feinste Materialien verpackt auf die Straße gestellt hat. Eines können wir sagen: Die Messlatten liegen nun einige Stufen höher.

Text: Rainer Behounek
Sagen Sie es keinem. Oder wissen Sie was? Es ist mir egal ob es wer weiß oder nicht. Ich bin eingeschlafen. Hinten, im Fond des neuen BMW 7ers. Ich habe mir ein paar Minuten Frieden gestohlen, nach einer von Streiks überschatteten und mit Stolpersteinen übersäten Anreise. Als ich das Flugzeug zur Präsentation nach Porto betrat, sah ich einen kleinen Jungen auf meinem Platz, Fenster. Neben ihm die vermeintliche Mama mit einem suchenden Blick, der bei mir fündig wurde. Nicht, dass ich den Jungen böse angeschaut hätte, den Blick nach dem Sitz erkennt man einfach.

Die Fluglinie hat Mama und Sohn auseinander gesetzt. Natürlich führte ich die beiden zusammen und kam mir richtig super vor, bis zu dem Zeitpunkt, als ich seinen Sitzplatz übernahm und zwischen zwei aufgeregten Deutschen saß, und nicht in Sitzreihe zwei sondern 28. Den beiden signalisierte ich erst gar nicht, dass ich Ösi bin, ich wollte einfach meine Ruhe.
Ruhe. Die fand ich wie erwähnt im Fond des 7ers. Der Beifahrersitz klappte sich nach vorne und ließ eine Fußablage zurück, die perfekt mit meinem Lounge-Sitz harmonierte. Wir schwebten über die Straßen als wären statt Reifen vier Hooverboards angebracht, die Marty McFly in Zurück in die Zukunft II unter den Füßen hat. Vorne prügeln acht Zylinder unentwegt auf den Straßen- und Luftwiderstand ein, ich merkte davon nicht das Geringste. 160, 110 oder 200 km/h es macht keinen Unterschied. Als ich so da lag und das Glasdach ober mir bewunderte, das im Dunkeln leuchten kann, fielen mir die Augen zu.

Blinkergeräusch, Straßenrand, Pinkeln, Arme wegstrecken, Kopf schütteln, Jacke ausziehen, Fahrersitz einstellen. Der 7er ist – Langversion mit Loungesitz und Vitality Programm oder nicht – ein Fahrerauto. In der Basis-Version 730d verfügt der rechte Fuß über 265 PS. Der 740i werkt schon mit 326 PS und der 750i lässt mit 450 PS sowieso nichts anbrennen.

… Es ist ein sehr persönliches Auto, in vielerlei Hinsicht. Unzählige Umfragen und Analysen wurden durchgeführt: Was brauchen die Insassen, was gefällt ihnen und auf was möchten sie nicht verzichten? Die Techniker hörten genau zu …





Ich musste während der Fahrt an die Techniker denken, die ich mit Fragen ausgepresste, wie eine saftige Orange. Wenn sie über den Mitbewerb nachdenken, liegt eine Art Spielcharakter in der Luft. Als das Thema auf die Mercedes S-Klasse fällt, leuchten ihre Augen. „Durch Wettbewerbsanalysen wussten wir ja in etwa, was da auf die Straße kommen wird. Mit dem Endergebnis haben wir nicht gerechnet. Das Auto ist richtig gut geworden, da kann man nichts sagen.“ Wie zwei Leichtathleten, die einandern zusehen, anerkennend applaudieren und sich freuen, wenn sie an der Reihe sind. Mercedes legt vor, BMW nimmt den Ball auf und spielt ihn weiter. Und sie haben ihn weit gespielt. Haben alles genommen, was sie an Technik im Regal hatten und daraus ein – in der Tat – Flaggschiff kreiert. Es ist ein sehr persönliches Auto, in vielerlei Hinsicht. Unzählige Umfragen und Analysen wurden durchgeführt: Was brauchen die Insassen, was gefällt ihnen und auf was möchten sie nicht verzichten? Die Techniker hörten genau zu.

Beispiele für eine gelungene Umsetzung der Bedürfnisse gibt es viele. Die Gestensteuerung umfasst nur ganz wenige Bewegungen und Einsatzgebiete. Lautstärke verändern, einen Anruf annehmen oder abweisen. Man will behutsam mit der neuartigen Bedienung umgehen. Überhaupt findet Bedienung auf sehr vielen Ebenen statt, die, je nach Vorliebe, genutzt werden können oder nicht. Touchdisplays spielen eine große Rolle, alle Funktionen lassen sich aber nach wie vor über altbewährte (Metall-)Knöpfe und Regler bedienen. Natürlich hat auch die Lautstärkenregelung die typischen Regler in der Mittelkonsole und am Lenkrad. Man will dem Kunden alle Optionen überlassen, ob er sie nutzen will oder nicht.

Das Kombiinstrument ist komplett digital, wird aber trotzdem noch einem strukturierten Rahmen umschlossen, eine Verbindung von Tradition und High-Tech. „Was mir nicht gefällt, ist das Sport-Kombiinstrument im Sport-Modus. Das passt nicht zum Siebener“, meine ich. „Da haben wir auch lange überlegt. Gerade die neueren Märkte stehen aber drauf. Wenn Sie es nicht möchten, können die natürlich den normalen Bildschirm beibehalten, wenn sie in den Sportmodus wechseln.“ Genau davon rede ich. Der Innenraum lässt sich persönlich gestalten, trotzdem werden alle Möglichkeiten geboten.

Der neue 7er ist auch ein klares Fahrzeug im tieferen Sinn. Da haben sich unzählige Menschen Gedanken gemacht. „Bei manchen Dingen mussten wir auch sagen: Nein, das verbauen wir nicht. Man darf auch nicht zu scharf schießen. Da läuft man nur Gefahr, in eine Richtung abzudriften, die vielleicht zu weit hergeholt ist. Auch wenn wir uns denken: Wow, natürlich muss das rein.“ „Von welchen Dingen reden wir da?“ „Ach, lassen Sie sich überraschen.“

Selbes Prinzip gilt für den digitalen Smartkey. Man muss ihn nicht bestellen und selbst wenn man es tut, muss man die Funktionen nicht nutzen. Im 7er gibt es eine eigene Ladestation, in der der Schlüssel mit Strom versorgt wird. Geht dem Schlüssel der Saft aus, ändert das nichts an den Basisfunktionen wie Auf- und Zusperren. Das Display bleibt schwarz und Optionen wie Selbst-Ausparken oder Informationen über Restreichweite können nicht abgerufen werden. BMW stellt die Möglichkeiten bereit, einfach deshalb, weil sie es können. Was der potentielle Kunde damit macht, ist ihnen ziemlich egal, das Auto kann’s jedenfalls.

Durch den üppigen Einsatz von Karbonfaser ist er empfindlich leichter geworden, um bis zu 130 Kilogramm gegenüber dem vergleichbaren Vorgänger. Das verbessert Handling und Verbrauch signifikant. Laut Datenblatt soll der 730d mit 265 PS 4,8 Liter auf 100 Kilometer benötigen. Bei einer Beschleunigung von 6,1 Sekunden auf 100. Die Allradversion? 5,1 Liter. Erreicht niemand, schon klar. Zwei Realitätsliter dazu und der 7er bewegt sich noch immer ultrasparsam.

Ich muss Ihnen sagen, dass einer meiner Top-Prioritäten in einem Auto die Soundanlage darstellt. 700 PS und ein Musikambiente wie aus einer Geburtstagsglückwunschkarte? Nicht mal geschenkt. BMW hat in enger Zusammenarbeit mit Bowers&Wilkins die Audio-Messlatte weit nach oben gelegt, auf ein Regal wo so schnell keiner hinkommt. Die Mitteltöner verfügen über eine Kevlarmembran, im Herzstück der 1.400 Watt-Anlage (Watt ist wurscht, wissen wir) stellt sich ein Diamant unliebsamen Schwingungen und löscht sie aus. Ein Sound so weich, wie ein Baby-Popo mit klaren, ausdefinierten Hoch- und Mitteltönern und einem Tiefton, den ich nur mit weichem Eisen beschreiben kann. Hart, gehaltvoll aber nie knochenbrecherisch böse.

Gibt es einen Punkt, der micht stört? Ja, schon. Ähm… das Design. Mir ist die Heckpartie zu verspielt. Die Vorgänger waren Institutionen, die von üppigen aber einfachen Formen lebten. In der neuen Version sind die Heckleuchten in die Länge gezogen und werden von einem durchgehenden Chromband durchschnitten. Ein wichtiges Designelement stellen die Auspuffabdeckungen dar und die sollten meiner Meinung nach nur Akzente setzen, nicht aber voller Bestandteil einer Erscheinung werden. Durch die großen Öffnungen zieht sich der obere Lichtbereich optisch nach unten und erhält dadurch die blockartige Erscheinung, die so ein Flaggschiff braucht. Das hätte durch den Einsatz von Sicken und Linien erreicht werden sollen und nicht durch optische Auspuffendrohre. Die Front und die Seitenlinie sind geil.

Preise & Technische Daten

BMW 750i xDrive (BMW 750Li xDrive): V8-Benzinmotor mit BMW TwinPower Turbo Technologie (zwei Twin-Scroll-Turbolader, Direkteinspritzung, VALVETRONIC, Doppel-VANOS), Hubraum: 4 395 cm3, Leistung: 330 kW/450 PS bei 5 500 – 6 000 min-1, max. Drehmoment: 650 Nm bei 1 800 – 4 500 min-1, Beschleunigung [0 – 100 km/h]: 4,4 Sekunden (4,5 Sekunden), Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch*: 8,3 – 8,1 Liter (8,5 – 8,3 Liter)/100 Kilometer, CO2-Emissionen*: 194 – 189 g/km (197 – 192 g/km), Abgasnorm: EU6. Ab 133.000 Euro.

BMW 740i (BMW 740Li): Reihensechszylinder-Benzinmotor mit BMW TwinPowerTurbo Technologie (Twin-Scroll-Turbolader, Direkteinspritzung, VALVETRONIC, Doppel-VANOS), Hubraum: 2 998 cm3, Leistung: 240 kW/326 PS bei 5 500 – 6 500 min-1, max. Drehmoment: 450 Nm bei 1 380 – 5 000 min-1, Beschleunigung [0 – 100 km/h]: 5,5 Sekunden (5,6 Sekunden), Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch*: 7,0 – 6,6 Liter (7,0 – 6,6 Liter)/100 Kilometer, CO2-Emissionen*: 164 – 154 g/km (164 – 154 g/km), Abgasnorm: EU6

BMW 730d (BMW 730Ld): Reihensechszylinder-Dieselmotor mit BMW TwinPower Turbo Technologie (Turbolader mit variabler Einlassgeometrie, Common-Rail-Direkteinspritzung), Hubraum: 2 993 cm3, Leistung: 195 kW/265 PS bei 4 000 min-1, max. Drehmoment: 620 Nm bei 2 000 – 2 500 min-1, Beschleunigung [0 – 100 km/h]: 6,1 Sekunden (6,2 Sekunden), Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch*: 4,9 – 4,5 Liter (5,0 – 4,6 Liter)/100 Kilometer, CO2-Emissionen*: 129 – 119 g/km (132 – 122 g/km), Abgasnorm: EU6. Ab 96.000 Euro.

BMW 740e: Reihenvierzylinder-Benzinmotor mit BMW TwinPower Turbo Technologie (Twin-Scroll-Turbolader, Direkteinspritzung, VALVETRONIC, Doppel-VANOS), Hubraum: 1 997 cm3, Leistung: 190 kW/258 PS bei 5 000 – 6 500 min-1, max. Drehmoment: 400 Nm bei 1 250 – 4 800 min-1, BMW eDrive Technologie mit Elektro-Synchronmotor, Leistung: 83 kW/113 PS, Drehmoment: 250 Nm, Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie, Gesamtsystemleistung: 240 kW/326 PS, Beschleunigung [0 – 100 km/h]: 5,6 Sekunden (BMW 740Le: 5,7 Sekunden, BMW 740Le xDrive: 5,5 Sekunden), Höchstgeschwindigkeit: >240 km/h, Höchstgeschwindigkeit elektrisch: 120 km/h (elektronisch limitiert); elektrische Reichweite: 40 km

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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