Pferdefleischhauer
Der Ford GT auf der Jagd nach Ferraris
Ein Ford, der einen Ferrari herausfordern kann? Das ist kein Fall von Größenwahn, sondern das nächste Kapitel einer ebenso alten wie guten Geschichte. Denn wenn die Amerikaner in diesem Sommer endlich ihren neuen GT vom Stapel lassen, ist das nicht weniger als die Wiedergeburt einer Legende.Von Thomas Geiger
Achtstellig sind die Summen zwar nicht, die ein paar handverlesene Raser für die pro Jahr gerade einmal 250 Exemplare des neuen GT bezahlen sollen. Doch eine halbe Million muss man schon anlegen, wenn man im teuersten Ford aller Zeiten ab diesem Sommer noch einmal Ferraris jagen will. Allerdings bekommt man dafür auch ein Auto, das alle Grenzen sprengt.
Denn das Serienmodell sieht nicht nur fast genauso aus wie der Rennwagen, mit dem die Amerikaner im letzten Jahr pünktlich zum 50. Jubiläum ihres Sensationssieges in Le Mans noch einmal einen Klassensieg errungen haben. Sondern er fährt auch so. Auf Tempo und auf nichts anderes als Tempo getrimmt, gibt der GT den kompromisslosem Tiefflieger, der nur widerwillig in das Korsett der Straßenzulassung gezwungen wurde: Die Sitze so fest mit der Karosserie aus Karbon verbacken, dass man für die perfekte Position stattdessen die Pedale verstellen muss, das Lenkrad mit Knöpfen und Schaltern gespickt wie in der Formel 1 und das Display dahinter nur Daten und kein Kino – so fokussiert sich der Fahrer wie von selbst auf die Straße und rast ohne Ablenkung dem Horizont entgegen.
Zwar ist der GT für die Rennstrecke entwickelt und deshalb auf einem Rundkurs in seinem Element. Nicht umsonst verwächst er fast mit der Fahrbahn, hält narrensicher seiner Spur, nutzt jede noch so kurze Gerade zum Zwischenspurt und verzögert mit den Keramikbremsen und der riesigen Airbrake vor den Kurven derart eisern, dass einem die Fliehkraft fast die Augen aus dem Schädel treibt. Doch kann man mit dem Boliden tatsächlich auch ein bisschen Bummeln. Natürlich ist er viel zu breit und unübersichtlich für den Stadtverkehr und bei einem Kofferraum kaum größer als eine Schuhschachtel dürfte es mit Urlaubsfahrten schwierig werden. Doch im Komfortmodus sind die Federn sanft und die Automatik bedächtig genug für eine langsame Landpartie. Nicht umsonst haben die Amerikaner einen Navi-Bildschirm in den Querträger aus Karbon geschnitten, eine Klimaanlage in das Puzzle der Versteifungsröhren für die Kabine gequetscht und sogar die offenbar unverzichtbaren Cupholder in den Mitteltunnel gezwängt.
Das Problem ist deshalb weniger das Auto, als sein Fahrer. Denn wer im GT sitzt, der kann einfach nicht langsam. Und er will es auch nicht. Zu riesig ist der Reiz des Rasens und zu groß die Versuchung, schnell wieder in den Trackmode zu wechseln, sich fünf Zentimeter tiefer auf den Asphalt plumpsen zu lassen und einmal mehr zur Jagd auf Ferrari & Co zu blasen.
Das ist ein Privileg, das allerdings nicht viele Ford-Fahrer haben werden. Nicht nur, weil das Auto so unsagbar teuer ist. Sondern mehr noch, weil es so selten gebaut wird. Denn obwohl Ford die geplante Laufzeit bereits auf vier Jahre verdoppelt hat, wird es nur 1.000 Exemplare geben.
Aber für alle Enttäuschten haben die Amerikaner einen Trost: „Alles, was wir bei diesem Auto ausprobieren, kommt irgendwann auch der Großserie zugute“, verspricht Technikvorstand Raj Nair. Beim neuen GT meint er damit neben dem Leichtbau mit einem Karbonchassis vor allem die Elektronik: War der erste GT40 von 1964 noch ein nahezu mechanisches Auto, das Kabel eigentlich nur für Scheinwerfer und Blinker kannte, hatte das seinerzeit komplett aus Aluminium gefertigte Remake von 2005 immerhin schon ABS.
Mit dieser Datenflut dirigiert die Elektronik bald zwei Dutzend Regelsysteme von den Ventilsteuerzeiten über das Torque Vectoring bis hin zum adaptiven Fahrwerk und den Schaltzeiten der Automatik, die alle nur ein Ziel haben – den Wagen schneller und schärfer zu machen Und zwar so, dass der Fahrer davon möglichst wenig mitbekommt. Denn anders als in vielen europäischen Supersportwagen fühlt sich der GT nicht an wie ein digitaler Renner, sondern wie ein analoges Auto, mit dem man bei jedem Rennen ringen muss. Nur dass man am Ende, der Elektronik sei Dank, doch immer der Sieger bleibt.