Wir sind damit gefahren!
Vision Mercedes-Maybach Ultimate Luxury
Von Thomas Geiger
Dummerweise gibt zweimal Null trotzdem Null – und viel größer sind die Chancen für dieses Auto nicht. Denn dem ohnehin schon endlos langen Namen haben sie in Stuttgart auch noch ein „Vision“ vorausgestellt. Und leider lehrt die Erfahrung, dass daraus so schnell keine Wirklichkeit wird. Zumindest nicht für Selbstzahler, wie reich sie auch sein mögen. Denn so viele Blanko-Schecks auch schon bei Daimler-Chef Dieter Zetsche auf den Tisch geflattert sind mögen, bleibt der rote Riese ein Einzelstück.
Doch wenigstens dieses eine Exemplar darf vier Monate nach der Messepremiere in Peking für eine Stippvisite in die Wirklichkeit und sich für ein paar Stunden auf einer realen Straße beweisen. Ihren wichtigsten Zweck erfüllt die SUV-Limousine dort mit Bravour: Sie fällt auf. Egal wo der rote Riese mit dem üppigen Chrom-Ornat stehen bleibt, bilden sich deshalb sofort Menschentrauben um ihn herum, neugierige Nasen pressen sich an die Fenster und es braucht beherzte Helfer, damit man überhaupt wieder losfahren kann. Wenn selbst ein Bentley Bentayga oder ein Rolls-Royce Cullinan in der SUV-Schwemme unterzugehen drohen, könnte der ultimative Maybach für den Matsch für superreiche Selbstdarsteller die richtige Antwort sein.
Obwohl man mit diesem Auto immer im Mittelpunkt steht, ist man der Welt dabei seltsam entrückt und fühlt sich ziemlich abgehoben. Das gilt im wörtlichen Sinne wegen der großen Bodenfreiheit und den riesigen Rädern und das gilt im übertragenen Sinne wegen des Kokons aus Lack und Leder, der einen ganz eigenen Kosmos bildet. Man sitzt vorne auf Schalen, die innen mit Leder be- und von außen von Roségold überzogen sind, man hat hinten bessere Sessel und mehr Beinfreiheit und natürlich vor allem eine erhabenere Sitzposition als in der langen S-Klasse, genießt eine Luxusverison der neuen Mercedes User Experience MBUX und wo man die Studie anfasst, spürt man edelste Materialen. Und weil das ursprüngliche Konzept aus dem Studio in Peking stammt, gibt es überall dezente Hinweise auf die asiatische Kultur – vom Teerservice auf einem Ebenholztablet in der auf exakt 85 Grad vorgeheizten Mittelkonsole des Fonds bis zum Bambus-Bäumchen, das zwischen den beiden kuscheligen Loungeliegen der Hinterbänkler sprießt.
Und selbst der Antrieb holt einen nicht zurück ins Hier und Heute. Denn wo bei Bentley und Rolls-Royce zwölf Zylinder laut und vernehmlich stampfen, surrt im Maybach zukunftsfest ein Elektromotor. Im Test erlaubt der nicht viel mehr als Schritttempo und nach ein paar Fotofahrten geht der Akku in die Knie. Doch in der Theorie hat der Maybach allemal genügend Power, um mit den fetten Verbrennern der Konkurrenz mitzuhalten. Nicht umsonst sehen die Pläne vier E-Maschinen von zusammen 750 PS vor, mit denen das SUV im Smoking locker auf 250 km/h kommt. Und selbst wenn die 500 Kilometer Normreichweite bei 80 kWh Akkukapazität ein Fabelwert sind, zieht das fast sechs Meter lange Dickschiff nicht den Kürzeren. Denn gattungsgerecht gefahren, kommt man mit Cullinan & Co mit einer Tankfüllung auch nicht weiter.
So gut der Maybach vor die Nase von Bentley und Rolls-Royce passen würde, so gering sind seine Chancen – selbst wenn Wagener mit Studien wie dieser oder den beiden luxuriösen Sportwagen aus Pebble Beach 2016 und 2017 die Hoffnung auf einen dezidierten Maybach schürt und dabei immer wieder die Parallelen zur Emanzipation von AMG mit dem eigenständigen SLS, dem GT und dem GT Viertürer zieht. Zu tief sind die Wunden, die das gescheiterte Maybach-Comeback mit 57er und 62er in der Bilanz hinterlassen hat, als dass noch einmal ein Controller ein paar hundert Millionen Euro für eine eigenständige Entwicklung freigeben würde. Selbst wenn sich die Maybach-Version der S-Klasse noch so gut verkauft. Doch so ganz vergebens ist die Mühe nicht. Schließlich krönt im neuen Jahr ein neuer GLS die SUV-Palette mit Stern und es spricht vieles dafür, dass es den auch als Maybach geben wird. Vielleicht nicht mit einem Stufenheck. Und wohl auch sonst ohne Eingriffe in die Karosserie. Aber auf jeden Fall im Smoking und mit einem Interieur, in dem man zumindest ein paar Elemente der Studie wiederfinden wird. Und je besser der sich verkauft, desto besser sind die Chancen, dass es vielleicht doch nochmal ein eigenes Maybach-Modell geben wird. Bei AMG hat es schließlich auch etwas länger gedauert.