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Fiat Tipo – Substanz statt Schnickschnack

Motorblock fährt Fiat Tipo

Der Fiat Tipo feiert sein Comeback: Fast drei Jahrzehnte nach dem Ehrentitel „Auto des Jahres“ und über ein Jahr nach dem Ende des Bravo melden sich die Italiener mit einer Neuauflage des Bestsellers jetzt endlich in der Kompaktklasse zurück.

Text: Thomas Geiger
Dabei setzen die Strategen in Turin nicht auf eine, sondern auf gleich drei Varianten und schicken hübsch gestaffelt ein Tipo-Trio zu den Händlern: Die Limousine wird schon seit ein paar Wochen verkauft, der Fünftürer, den die Strategen auf einen Anteil von 60 Prozent schätzen, kommt im Juni und im September steht dann auch noch ein Kombi auf dem Plan. Und als wären die drei Modelle ab 13.790 Euro nicht schon günstig genug, kann man zum Start auch noch 2.000 Euro Eintauschprämie herunter rechnen und landet am Ende beim Preis eines Kleinwagens.

Allerdings sollte man seine Erwartungen dafür auch nicht zu hoch schrauben. Der gemeinsam mit Tofas in der Türkei entwickelte und in Bursa gebaute Tipo ist zwar ein grundsolides Auto. Doch macht Fiat gar nicht erst den Versuch, mit VW & Co zu konkurrieren: Weder das nüchterne Ambiente mit viel kantigem, glatten Kunststoff statt Softtouchlacken und Silikondämpfung kann mit der Noblesse eines VW Golf mithalten, noch ist die Ausstattung auch nur ansatzweise so fortschrittlich. Mit der Maßgabe „Substanz statt Schnickschnack“, erteilen die Italiener dem Wettrüsten eine Abfuhr. Stattdessen bieten sie im Tipo nur an, was sie für wirklich unumgänglich halten – und verlangen dafür natürlich Aufpreis. Mit Abstandsregelung und Notbremsassistent ist man dank der Kopplung an gehobene Ausstattungsniveaus schnell ein paar Tausender weiter. Und das Touchscreen-Navi ist zwar ein hübscher Farbklecks in der nüchternen Landschaft rund ums Lenkrad, schlägt aber noch einmal mit knapp 1.000 Euro zu Buche.




Auch unter der Haube regiert beim Tipo die Ratio: Für die Benzin-Fraktion gibt es einen 1,4-Liter mit 95 oder 120 PS und die Öltanker müssen sich zwischen zwei gleich starken Dieseln mit 1,3 oder 1,6 Litern entscheiden. Die jeweils stärkere Motoren sind zwar beide nicht schlecht und passen mit Normverbräuchen von 6,0 und 3,7 Litern durchaus in die Zeit. Doch die Triebwerke sind zu brummig und die Getriebe zu hakelig, als dass nennenswerte Fahrfreude aufkommen könnte. Außerdem sind Sprintwerte von mehr als elf Sekunden und Spitzengeschwindigkeiten von 200 km/h jetzt auch nicht gerade atemberaubend. Und das gutmütige aber gleichgültige Fahrwerk macht die Sache im Zusammenspiel mit einer eher leichtgängigen, indifferenten Lenkung nicht besser.

Aber hey, wer schneidig fahren möchte, der soll sich doch bitte einen Sportwagen kaufen oder zumindest einen sportlichen Kompaktem wie den GTI. Im Tipo dagegen ist das Fahren noch kein Selbstzweck und wer einfach nur ankommen will, der muss sich auch keinen Luxus wie Mehrlenker-Achsen, Verstellfahrwerke oder Adaptivlenkungen leisten.

Stattdessen freut er sich im Tipo an solider und bezahlbarer Technik und vor allem eines üppigen Platzangebotes für Kind und Kegel. Denn bei 2,64 Metern Radstand und eher dünnen Sitzen fährt man auch in der zweiten Reihe noch relativ bequem und der Kofferraum fast mehr als die meisten Konkurrenten. Schon der Fünftürer schluckt 440 Liter, bei der Limousine sind es 520 Liter und beim Kombi gehen mindestens 550 Liter hinter die große Klappe.

Ja, der Tipo ist eher vernünftig als vergnüglich und anders als seine Konkurrenten nördlich der Alpen weniger zum Angeben als zum Ankommen gemacht. Doch die Lücke, die Chevrolet durch den Abschied aus Europa und Skoda durch den Aufstieg des Octavia hinterlassen haben, ist allemal groß genug für einen neuen Spieler auf dem Golfplatz. Und nur weil dem immerhin von außen ganz ansehnlichen Tipo Glanz und Gloria fehlt, ist er kein schlechtes Auto. Sondern er ist vor allem ein ehrliches Auto, das keine falschen Versprechungen macht. Davon sind die Italiener so überzeugt, dass sie auf ungewöhnliche Weise um Vertrauen werben: Wer mit seinem Tipo nicht zufrieden ist, kann ihn binnen 30 Tagen gegen jedes andere Auto aus dem Fiat-Konzern eintauschen.

Rainer Behounek

War bis 2017 Teil der Motorblock-Redaktion.

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