Kia e-Niro: Ein reines SUV-Gewissen ist kein Luxus!
Maximilian Barcelli
Kia e-Niro: Ein reines SUV-Gewissen ist kein Luxus!
Audi e-tron, Jaguar I-Pace, Mercedes EQC oder Tesla Model X – wer einen elektrischen Crossover mit reichlich Reichweite fahren wollte, musste bislang tief in die Tasche greifen. Doch jetzt will Kia beweisen, dass ein reines SUV-Gewissen kein Luxus sein muss.
Von Thomas Geiger
Allerdings gibt es dafür nur ein Basismodell mit deutlich abgespeckter Technik. Dem E-Motor müssen dann 136 PS reichen und der Akku hat lediglich 39,2 kWh. Zwar verspricht Kia schon dafür 289 Kilometer Reichweite und beziffert das Spitzentempo auf 155 km/h. Doch wirklich attraktiv wird der e-Niro, wenn man ein bisserl Extrabudget für das Antriebs-Upgrade lockermacht. Dann geht die E-Maschine mit bis zu 204 PS und 395 Newtonmetern zu Werk und saugt den Strom aus einem Akku von gewaltigen 64 kWh. Das ist genug Kapazität für eine Reichweite von bis zu 455 Kilometer und damit für eine sorgenfreie Alltagsmobilität.
Dass der e-Niro dabei mit einem ausgesprochen kräftigen Antritt aufwartet und in 7,8 Sekunden auf Tempo 100 kommt, daran hat man sich bei Elektroautos mittlerweile gewöhnt. Genau wie an die bescheidene Höchstgeschwindigkeit, die hier auf 167 km/h limitiert ist und nicht so ganz dazu passt. Immerhin feiert Produktmanager Steffen Michulski den e-Niro als sportlichstes Modell in der Palette. Aber was überrascht bei diesem Kia, das ist der Aufwand für die unterschiedlichen Fahrprofile. Und mehr noch: Für die Rekuperation.
So gibt es nicht weniger als vier Charaktereinstellungen von Sport bis Eco-Plus, die sich vor allem in Sachen Fahrspaß deutlich unterscheiden und mit zunehmendem Sparanspruch sogar die Leistung drosseln und Nebenverbraucher wie die Klimaanlage abklemmen. Und wer die Energie beim Bremsen zurückgewinnen will, kann mit den Wippen am Lenkrad nicht nur vier Stufen der Verzögerung wählen, sondern den Wagen mit dem linken Hebel auch gleich bis zum Stillstand abbremsen. Wenn man sich daran erst einmal gewöhnt hat, dann braucht man die Fußbremse nur noch im Notfall.
Mit dem neuen Antrieb haben die Koreaner auch Ambiente und Ausstattung auf Vordermann gebracht. So gibt es im Cockpit nun digitale Instrumente und ein erweitertes Heer von Assistenten hilft bei der Spurführung, der Wahrung des Abstands, regelt das Tempo und passt auf, dass der Fahrer in der Stille des Stromers nicht einschlummert. Obwohl die Batterien gewaltig sind und der riesige Freiraum unter der Haube ungenutzt bleibt, ist das Platzangebot im e-Niro nicht schlechter als bei den konventionellen Modellen. Im Gegenteil: Vorn wirkt er etwas luftiger, weil der Schaltknauf zum Drehrad geschrumpft ist, es eine elektrische Parkbremse gibt und die Mittelkonsole etwas tiefer sitzt. Und der Kofferraum ist mit seinen 451 bis 1405 Litern sogar etwas größer als gewöhnlich und absolut Familientauglich.
Das ist der Vorteil, wenn man die Akku-Technik wie Kia in ein SUV einbaut. Fragt sich nur, warum das in dieser Klasse sonst keiner macht. Es wird wohl an der Nachfrage liegen. Jedenfalls ist der Niro nicht nur der einzige elektrische Crossover in der Kompaktklasse, sondern obendrein auch das einzige Auto, das nahezu alle alternativen Antriebe abdeckt. Schließlich gibt es ihn auch als Hybrid und mit Plug-In-Technik – fehlt eigentlich nur noch die Brennstoffzelle. Die will Kia binnen zwei Jahren aber eh auch in den Handel bringen.
Der Preis vernünftig, die Fahrleistungen in Ordnung und die Reichweite mehr als Alltagstauglich – so wird der e-Niro zum Hero der Klimaschützer, die ein Crossover mit Platz für Kind und Kegel fahren wollen, ohne dafür ein Vermögen auszugeben. Nur eine gängige Anforderung ans Elektroauto kann er nicht erfüllen. Denn auch wenn der Kühlergrill nun geschlossen ist und es rund um die Gürtellinie ein paar blaue Zierstreifen gibt, sticht man mit diesem Stromer ganz sicher nicht aus der Masse heraus. Dass ist der Nachteil, wenn man sich für das gängigste Karosseriekonzept in der gebräuchlichsten Fahrzeugklasse entscheidet.
Aber auch dafür hat Kia eine Lösung in petto. Zeitgleich mit dem e-Niro startet der nächste Soul, den es bei uns nur noch als Elektroauto geben wird. Der ist zwar ein bisschen kleiner und wird womöglich auch nicht so weit mit einer Ladung fahren, aber als coole Kiste aus Korea sind ihm alle Blicke gewiss. Und zwar nicht nur an der Ladesäule.