Der UX300e war nur eine Notlösung. Denn während sich die europäische Oberliga längst mit dezidierten Akkuautos auf den Weg in die neue Zeit gemacht hat, die Chinesen sich als ernstzunehmende Alternative etablieren und selbst die Amerikaner aufgewacht sind, hat Lexus lange allein auf den Hybrid gesetzt und als grünes Feigenblatt den umgebauten Bruder des RAV4 ins Rennen geschickt. Doch jetzt haben sie auch in Toyota City begriffen, dass es ohne ernsthafte Elektroautos wohl nichts mehr wird mit dem Klassenerhalt und deshalb ihr erstes Modell auf einer reinen Akku-Plattform gebaut: Wenn im April zu Preisen ab 70.550 Euro der RZ450e an den Start geht, zielt der deshalb voll auf Modelle wie den Audi Q8 e-tron, das Mercedes EQE SUV, den BMW iX und den neuen Nio EL7 sowie auf dem wichtigsten Markt in den USA insbesondere auf den Cadillac Lyriq.
Dabei nutzen die noblen Japaner ihre neue Konzernplattform e-TNGA mit dem Akku flach im Wagenboden und je einem Motor pro Achse. Der leistet vorne 204 und wuchtet hinten bis zu 109 PS an die Achse, so dass sich die Systemleistung auf 313 PS summiert und bis zu 434 Nm an den maximal 20 Zoll großen Rädern zerren. Das reicht trotz 2,1 Tonnen Leergewicht für einen vergleichsweise sportlichen Sprintwert von 5,3 Sekunden, wenngleich das Fahrvergnügen mit Rücksicht auf die Reichweite bereits bei 160 Sachen wieder abgewürgt wird.
Auf den ersten Blick ist der RZ450e damit nicht viel mehr als ein Toyota bZ4x im Smoking, der dankenswerter Weise besser aussieht, mit seinem frechen Haifisch-Gesicht aus der Masse heraussticht, sich als Extravaganz eine Zweifarb-Lackierung leistet und vor allem keinen ganz so unaussprechlichen Namen hat. Und obwohl er mit 4,81 Metern Länge genau zwischen NX und RX rangiert, bietet er innen dank des Radstandes von 2,85 Metern ein großzügigeres Raumerlebnis als das europäische SUV-Flaggschiff und schluckt obendrein 522 bis 1.451 Liter Gepäck. Nur drinnen mangelt es ein wenig an Ablagen, weil zum Beispiel für das Handschuhfach kein Platz mehr ist im schlanken Cockpit. Aber immerhin ist dafür im Mitteltunnel Platz genug für all den Kleinkram, den man partout nicht los wird beim Reisen.
Doch Lexus wäre nicht Lexus, wenn sie nicht ein bisschen mehr Finesse ins Fahrverhalten und natürlich Noblesse in die Kabine gebracht hätten. Wo der Toyota es durchaus ernst meint auch mit Abstechern ins Unterholz, ist der RZ trotz des serienmäßigen Allradantriebs vor allem für die Straße gemacht und gibt dort den luxuriösen Leisetreter, der sich durch nichts und niemand aus der Ruhe bringen lässt. Und anstelle der vergleichsweise tristen Toyota-Einrichtung gibt’s für den Lexus ein sichtbares und vor allem spürbares Upgrade, bei dem die Konsolen zu wahren Handschmeichlern werden. Der Stil ist anders als bei den Europäern oder Amerikanern und auch die Balance aus Touchscreens und traditioneller Handwerkskunst – doch wenn es ums Ambiente geht, spielen die Japaner damit durchaus in der Oberliga.
Bei den Akkus ist das dagegen eher nicht der Fall. Genau wie der bZ4x hat auch der RZ ein Lithium-Ionen-Paket mit 71,4 kWh Kapazität, von denen 64 genutzt werden. Und auch bei Lexus wird Onboard nur mit 11 kW und an der DC-Säule mit bis zu 150 kW geladen. Angesichts des mickrigen Akkus sind die Ladezeiten mit bestenfalls 30 Minuten für die ersten 80 Prozent zwar trotzdem akzeptabel. Doch dafür ist die Reichweite mit WLTP-Werten zwischen 395 und 440 Kilometern kaum konkurrenzfähig. Auch das mag ein Grund sein, weshalb es neben spürbar unterschiedlich abgestimmten Fahrprogrammen für Sport und Comfort auch noch eines für Range gibt. Dann schaltet die Elektronik alle Nebenverbraucher ab, drosselt die Motoren, limitiert das Tempo auf 100 km/h – und holt so schon mal 70 oder 100 Kilometer mehr aus dem Akku.
Während Lexus beim Zusammenspiel von Batteriegröße, Ladegeschwindigkeit und Reichweite offenbar nochmal ranmuss, geben die Japaner zumindest in einer Disziplin den Kurs vor. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn für Schätzpreise jenseits von 2.000 Euro gibt es im RZ450e erstmals eine neue Steer-by-Wire-Lenkung ohne mechanische Verbindung zwischen dem Lenkrad und den Rädern. Und als wäre das nicht schon Umstellung genug, weil die Rückmeldung da eine ganz andere, weil stark gefilterte, ist, bauen die Japaner auch noch eine variable Übersetzung ein, die mit zunehmendem Lenkeinschlag größer wird. Wo man bei anderen Autos in Kurven kräftig kurbeln muss, braucht es hier deshalb nicht mal eine halbe Umdrehung für einen maximalen Ausschlag. Das erfordert zwar ein wenig Eingewöhnung, beruhigt die Arbeit am Lenkrad aber ungemein und macht das lästige Umgreifen gar vollends überflüssig.
Um den neuen Kurs zu unterstreichen, mustern die Lexus-Ingenieure aber nicht nur die Lenksäule aus, sondern mit ihr auch gleich noch das Lenkrad und bauen statt dessen wie sonst nur Tesla (und bald auch Toyota) ein so genanntes Yoke-Steuer ein. Wie eine liegende Acht geformt, klein und griffig, erinnert das eher an ein Flugzeug denn an ein Auto und befördert den Fahrer zu Captain Future. Und spätestens dann fühlen sich die Konkurrenten plötzlich ganz, ganz alt an.