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Maserati Ghibli Hybrid: Ganz oder gar nicht

Nein, zu den Vorreitern gehören sie in Modena nun wirklich nicht. Zwar macht Maserati bei der Eleganz niemand etwas vor und auch die Fahrleistungen der Modelle mit dem Dreizack am Grill sind über die allermeisten Zweifel erhaben. Doch technisch hinkten die Italiener zuletzt arg hinterher. Chronisch klamm und dann noch im Schlagschatten der glamourösen Schwester Ferrari, hat es schon lange nicht mehr für große Innovationssprünge gereicht. Doch jetzt spitzt Maserati noch einmal den Dreizack an und soll im neuen Stellantis-Imperium gar zum Vorreiter der Elektrifizierung werden: „Jedes neue Modell wird es auch in einer voll elektrischen Version geben“, verspricht der oberste Strippenzieher Corrado Nizzola und fordert dabei gar nicht mehr viel Geduld ein. Denn noch in diesem Jahr gibt es einen neuen Gran Turismo, der es in der E-Version mit Vorzeigestromern wie dem Porsche Taycan und oder dem Tesla Model S aufnehmen soll.

Aber während seine Entwickler das Zusammenspiel von bis zu drei E-Motoren proben, eine 800 Volt-Architektur austüfteln und eifrig Batteriezellen verlöten, muss Signore Nizzola erst einmal kleinere Brötchen backen und Trippelschritte auf dem Weg in die Zukunft machen. Denn die Elektrifizierung beginnt nicht mit einem schweren Stromschlag, sondern einem 48 Volt-Hybrid, der jetzt im Einstiegsmodell Ghibli Einzug hält. Damit sind die Italiener zwar reichlich spät dran, machen es dafür aber konsequent. Denn sie flanschen den Riemenstarter nicht einfach an ihren V6- oder V8-Motor, sondern bringen erstmals in der jüngeren Geschichte auch einen Vierzylinder und kommen so auf eine Verbrauchseinsparung von rund 20 Prozent. Und ganz nebenbei fällt so auch der Preis noch um über 10.000 Euro, so dass der Dreizack künftig schon ab 86.226 Euro sticht. Außerdem können sich die Italiener damit gleich auch noch den Diesel sparen, den zuletzt ohnehin kaum mehr jemand haben wollte.

Signore Nizzola ist übrigens nicht der einzige Strippenzieher zum Wechsel des Modelljahres. Denn parallel zur Elektrifizierung hält nun im Ghibli auch neue Elektronik Einzug und das Infotainment wird auf den neuesten Stand gebracht. Denn selbst wenn niemand einen Maserati wegen der Multi-Media-Ausstattung kaufen wird und die Zahl der Zylinder hier doch noch wichtiger ist als die Größe der Bildschirmdiagonale, waren die Italiener den Rückstand auf die Konkurrenz leid. Deshalb läuft auf dem vergrößerten Touchscreen jetzt ein Android-System mit Online-Navigation und Echtzeit-Daten zu Verkehr, Spritpreisen oder dem Wetter entlang der Route, Updates für Karten und Software kommen über Funk und neben einer Vernetzung mit dem Smartphone kann sich der Ghibli auch mit Alexa und Google Assist austauschen. 

Doch die Sprachassistenten haben jetzt Pause und das Wort führt der neue Motor: Ein Maserati mit vier Zylindern? Auf dem Papier klingt das wenig verführerisch, erst recht, wenn man noch den sündig süßen Klang der leidenschaftlichen V-Motoren in den Ohren hat. Doch in der Praxis macht der 2,0-Liter eine überraschend gute Figur: Mit 330 PS fast so stark wie der V6 und dank bis zu 450 Nm sowie einem elektrischen Verdichter als Trumpf im Kampf gegen das Turboloch mit einem Antritt gesegnet wie die Fußballer in der Squadra Azzurra, hält er locker mit den Sechszylindern in E-Klasse oder Fünfer mit und selbst aus vier Kehlen singt die Macchina aus Modena mit mehr Timbre als ein Sextett aus dem nüchternen Land nördlich der Alpen. 

Vor allem im Sport-Modus wird der Dreizack deshalb zum Stachel im trägen Heck der süddeutschen Elite und mit jedem Gasstoss, jedem Schaltruck der ansonsten kaum merklichen ZF-Automatik piekst er ein bisschen fester. Und dass dabei auf der Vorderachse jetzt weniger Gewicht lastet, während die zusätzliche Puffer-Batterie für die Rekuperationsenergie im Heck die nötige Balance bringt, ist sicher kein Schaden, so ausgewogen, scharf und präzise schneidet das Fast-Fünf-Meter-Modell um die Kurven. Nur so richtig sparsam ist der Hybrid natürlich nicht: 8,5 Liter sind im Vergleich zu den Ghibli-Geschwistern nicht schlecht, im Segment aber allenfalls Durchschnitt.

Signore Nizzola ficht das nicht an, und er denkt nicht im Traum daran, irgendwann noch einen Voll- oder gar einen Plug-In-Hybriden zu entwickeln. „Alles faule Kompromisse“, sagt der Ingenieur abschätzig und will lieber ganz auf den Verbrenner setzen oder gar nicht. „Denn wenn wir zwei Antriebe einbauen, ist immer einer Ballast“, sagt Nizzola: „Der eine ist unnötig und der andere nicht richtig befriedigend. Deshalb fahren unsere Autos entweder ganz oder gar nicht elektrisch.“

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