Sind es die Probleme mit der Produktion des Model 3 oder das Erwachen der Konkurrenz? Warum Tesla-Chef Elon Musk derzeit öffentlich über seine Schlafschwierigkeiten klagt, wird man so genau wohl nie herausfinden. Doch so viel ist sicher: Gemütlich wird es für den Messias der Elektromobilität in den nächsten Monaten eher nicht.
Text: Thomas Geiger
Denn allerorten nehmen die etablierten Hersteller jetzt den Fehdehandschuh auf und kontern den elektrischen Siegeszug aus dem Silicon Valley mit ihren eigenen Akku-Autos: Der Jaguar i-Pace ist schon auf der Straße, der Audi E-Tron steht genau wie der Porsche Taycan in den Startlöchern und jetzt schickt auch Mercedes seinen ersten Tesla-Fighter ins Rennen: Vorhang auf und Bühne frei für den EQC, der sich im kommenden Frühjahr zu Preisen jenseits der 70.000 Euro endlich in die noch recht kleine Gesellschaft der Tesla-Konkurrenten einreiht.
Anders als etwa der Jaguar i-Pace ist der EQC ein Auto, das von der Stammkundschaft vergleichsweise wenig Transferleistung erfordert. Von außen, weil er zwar mit einem Black-Pannell-Grill, blauem Lidstrich in den LED-Scheinwerfern und Speichen in den Felgen das zur Schau trägt, was Designchef Gorden Wagener eine avantgardistischen Elektro-Ästhetik nennt, jedoch trotzdem verdammt nach GLC aussieht – nur dass er hinten zehn Zentimeter weiter überhängt und eine ebenso schräge wie schnörkellose Heckklappe mit einem von Audi abgekupferten Leuchtenband trägt.
Und von innen, weil das 4,76 Meter lange SUV auch da ganz nah im Hier und Heute lebt: Ja, es flinkert ein bisschen Kupfer oder Rose-Gold in den Konsolen, die Materialien wirken etwas technischer, die Lüfter sind moderner und der freistehende Bildschirm hinter dem Lenkrad ist als Übernahmeteil aus der neuen A-Klasseein bisschen größer und schlanker. Die Grafiken, die er zeigt, sind brillant, er lässt sich auch mit den Fingerspitzen bedienen und beheimatet die vielleicht beste Sprachsteuerung seit Siri & Co. Doch wer im GLC und der A-Klasse zurechtkommt, der macht sich auch schnell mit dem EQC vertraut.
Vor allem aber ist das Fahren typisch Mercedes – extrem komfortabel und gediegen. Flüsterleise und wolkenweich fühlt sich der EQC bei den ersten Mitfahrten im Prototypen an. Das E-Auto erinnert dabei sogar eher an eine S-Klasse als an ein SUV. Denn der über zehn Zentner schwere Akku treibt zwar das Gewicht auf amtliche 2,5 Tonnen, drückt aber den Schwerpunkt schön tief nach unten. Weil der Motor per se geräuschlos ist, haben die Ingenieure besonders gründlich auf Vibrationen und Störgeräusche geachtet. So hört man weder das typische Straßenbahngeräusch beim Beschleunigen, noch das Gepiepe draußen aus dem Lautsprecher, das der Gesetzgeber ja vielerorts vorschreibt.
Sobald man aufs Fahrpedal tritt, dürfte es mit der Gemütlichkeit allerdings vorbei sein. Dann wird EQ plötzlich zur leisen Konkurrenz von AMG: Wozu hat der Wagen schließlich zwei E-Motoren, die zusammen 408 PS leisten und ihre 765 Newtonmeter schon mit dem ersten Wimpernschlag auf den Asphalt bringen? Bei einem Sprintwert von 5,1 Sekunden tut sich deshalb an er Ampel selbst ein C 63 schwer damit, den Anschluss zu halten. Selbst wenn er nur ein paar Augenblicke später doch vorbei zieht. Denn mit Rücksicht auf die Reichweite hat Mercedes das Spitzentempo auf 180 km/h begrenzt.
Dafür prahlen sie mit einem stolzen Aktionsradius: Bei 80 kW/h Akkukapazität kommt der EQC nach NEFZ-Norm mehr als 450 Kilometer weit. Die Ingenieure tun alles dafür, dass die Praxis der Theorie nicht allzu weit hinterherhinkt: Man kann deshalb nicht nur das Laden, sondern auch die Klimatisierung programmieren, die Navigation berücksichtigt den Energieverbrauch und der Tempomat schaut so weit voraus, dass der EQC so effizient wie möglich fährt. Außerdem gibt es ein halbes Dutzend verschiedene Fahrprogramme und eine mehrstufige Rekuperationsregelung mit Schaltwippen am Lenkrad.
Beim Antrieb betreten die Schwaben mit dem EQC zwar Neuland, doch sonst ist der elektrische Erstling aus Stuttgart vergleichsweise konventionell gestrickt ist. Er hat ein relativ bodenständiges Design und übernimmt vom GLC sogar die wuchtige Mittelkonsole sowie hinten den Tunnel im Fußraum. Klar, verschenkt man viele Platzvorteile eines designierten Elektroautos, doch auch das hat seine Gründe.
Zum einen will Mercedes in der Produktion maximal flexibel bleiben, um auf die schwer abzuschätzende Marktentwicklung zu reagieren und die Kosten niedrig zu halten. Deshalb ist der EQC so konstruiert, dass er in den Fabriken in Bremen und Peking über das gleiche Band laufen kann wie die C-Klasse oder der GLC. Nur für die Batteriemontage braucht er eine eigene Station. Zum anderen wissen die Schwaben offenbar, dass die Mercedes-Kunden nicht zu den risikobereitesten und avantgardistischsten zählen. „Und die wollen wir schließlich mit auf die Reise in die Zukunft nehmen“, sagt Baureihenleiter Michael Kelz.
Darauf müssen die Interessenten allerdings noch ein wenig warten. Denn selbst wenn Daimler-Chef Dieter Zetsche vor fast 500 Gästen aus bald 50 Ländern bei der Premiere in Stockholm jetzt publikumswirksam den Schalter umgelegt hat, dauert es noch einmal ein gutes halbes Jahr, bis die elektrische Revolution bei Mercedes endlich Fahrt aufnimmt. Vielleicht sollte sich Tesla-Chef Musk also nochmal umdrehen und es mit Schlafen versuchen, denn bald dürfte die Zeit in der Komfortzone für ihn endgültig vorbei sein.