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Mercedes G-Klasse: Dino fit für die Zukunft

Ein Dino fit für die Zukunft

Die neue Mercedes G-Klasse

Sie ist die dienstälteste Baureihe bei Mercedes und gilt ihren Kritikern als Dinosaurier, der gar nicht früh genug aussterben kann. Doch nachdem die Schwaben in knapp 40 Jahren immerhin mehr als 300.000 Exemplare der G-Klasse verkauft und in den letzten Jahren einen Absatzrekord nach dem anderen gefeiert haben, denken sie nicht im Traum daran, den Klassiker ins Museum zu rollen. Im Gegenteil: Während Land Rover bei der Nachfolgeregelung des ganz ähnlich gestrickten Defender noch immer strauchelt, schickt Mercedes jetzt zur Motorshow eine komplette Neuentwicklung des Klassikers auf die Bühne und im späten Frühjahr zu einem nahezu unveränderten Grundpreis von 107.041 Euro auf die Straße.

Von Thomas Geiger
Auf den ersten Blick bleibt sich der Vierkant aus Graz dabei treu: Ja, auch an diesem Auto hat Designchef Gorden Wagener seine Idee von der sinnlichen Klarheit ausgelebt und noch ein paar Linien weggenommen. Doch wenn ein Würfel aus Blech ein Würfel aus Blech bleiben soll, hat selbst ein Star-Designer eine Gewisse Mühe, seine Handschrift zu hinterlassen. Und das ist in diesem Fall auch gut so. Auch wenn das Auto fünf Zentimeter breiter und zwölf Zentimeter länger wird, damit nun auch die Hinterbänkler endlich bequem sitzen können, bleibt es deshalb beim beinahe rechtwinkligen Design, den kreisrunden Scheinwerfer und den Blinkern, die allen Crashanforderungen zum Trotz auch weiter wie Krokodilsaugen auf der Motorhaube thronen. Dass die Frontscheibe mittlerweile ganz leicht gebogen ist, erkennt man nur aus nächster Nähe. Und auch das Ersatzrad bleibt weiter von außen an der senkrechten Hecktür angeschlagen.
Doch unter dem Blech haben die Schwaben eine kleine Revolution angezettelt. Denn zum ersten Mal bekommt die G-Klasse so etwas wie ein modernes Fahrwerk „Wir montieren vorne eine Einzelradaufhängung, haben eine neue Lenkung und eine Verstelldämpfung“, sagt Baureihenchef Gunnar Güthenke und stellt damit deutlich mehr Komfort auf der Straße in Aussicht. Das ist auch bitter nötig. Denn während der G-Klasse im Abseits auch nach vier Jahrzehnten noch keiner etwas vormacht, war das Fahrverhalten bislang – nun ja – eher mäßig. Selbst die erste M-Klasse von 1997 war komfortabler und spurstabiler als die letzte Evolutionsstufe der G-Klasse. Vom Vergleich mit modernen Modellen wie dem GLE oder dem GLS ganz zu schweigen.
Doch Güthenke weiß um das Risiko, dass sein Riesenbaby plötzlich als verweichlicht gelten könnte. Schließlich haben schon ganz andere Autos diesen Flirt mit dem Alltag verloren. Deshalb schwört er Stein und Bein, dass die G-Klasse im Gelände dafür keine Kompromisse macht. In der Theorie nicht, weil zumindest der Leiterrahmen, die Getriebeuntersetzung und die drei 100-prozentigen Sperren so unverrückbar zur G-Klasse gehören wie der Stern im eckigen Grill. Und in der Praxis nicht, weil trotz des größeren Radstandes und der breiteren Spur alle im Gelände relevanten Werte sogar noch einmal besser geworden sind: „Bodenfreiheit und Wattiefe, Rampen- und Böschungswinkel – überall haben wir beim Generationswechsel noch ein paar Punkte rausgeholt“, schwärmt Güthenke.
Aber es ist nicht nur das neue Fahrwerk und eine neue Elektronik mit einem speziellen Fahrprofil für abwegige Touren, die Allrad-Abenteuer zu einem gemütlichen Spaziergang machen. Sondern beim Ausflug im Unterholz profitiert man auch vom neuen Cockpit. Schon möglich, dass Traditionalisten das Interieur aus E- und S-Klasse trotz der augenzwinkernden Spielereien wie der Lautsprecher im Stil der Blinker oder der Übernahme von Sperren-Schalter und Haltebügel ein bisschen zu verspielt ist. Doch ohne das Widescreen-Cockpit mit den riesigen Monitoren gäbe es auch keine neue 360-Grad-Kamera, mit der man den G beim Trail zwischen Felsbrocken und Baumstämmen aus allen Perspektiven betrachten kann. Und wenn man ehrlich ist, kann man auch den ans Lenkrad gerückten Schalthebel verkraften, wenn es dafür jetzt endlich ein paar vernünftige Ablagen gibt.
Das Design vorsichtig poliert, das Fahrwerk revolutioniert und das Innenleben endlich vernünftig modernisiert – nur unter der Haube hat es für etwas wirklich Neues bislang nicht gereicht. Denn zum Start kommt die G-Klasse nur als 500er mit einem 4,0 Liter großen V8, den man mit seinen 422 PS und 610 Nm schon aus dem letzten 4x4x2 kennt. Dass er trotzdem besser beschleunigt, schneller fährt und mit 11,1 Litern weniger verbraucht, liegt deshalb allein an der neuen 9-Gang-Automatik und den bis zu 170 Kilo, die das Stahlgebirge abgespeckt hat.
Doch dabei soll es auf Dauer nicht bleiben, kündigt Güthenke an. Denn natürlich wird es auch wieder einen Diesel geben und selbstverständlich werden die verschiedenen AMG-Varianten nicht lange auf sich warten lassen. Und dann macht der G womöglich noch einen weiteren Sprung in die Zukunft und wird elektrifiziert. Ein Mild-Hybrid ist sicher, ein Plug-In wahrscheinlich und eine reine Akku-Version zumindest nicht ausgeschlossen. „Denn auch an diesem Klassiker wird die Ära der Elektrifizierung nicht spurlos vorüber gehen“, sagt Baureihenchef Güthenke und erklärt damit vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis der G-Klasse. Denn obwohl sie sich immer treu geblieben ist, hat sie sich über die bislang beinahe 40 Jahre eben doch regelmäßig den Gegebenheiten und Notwendigkeiten angepasst und hat so länger überlebt als jeder andere Dinosaurier.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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