Wie aggressiv ein wenig Lippenstift – in dem Fall auf der Kühlergrillumrandung – daherkommen kann, veranschaulicht der Ford Fiesta Red Edition. Dass ein Motor mit nicht mehr als einem Milchpackl Hubraum auch Spaß machen kann, ebenso.
Text: Philipp Stalzer
Man könnte ihn als „ST Light“ einordnen. Spitzbübische Optik, mit 140 PS im nach-wie-vor Kleinwagen Fiesta mehr als nur Mimikri und Ford-typisch extrem spaßiges Fahrverhalten sind ein feines Paket. Die zierlich hinter den Rädern hervorblinzelnde Trommelbremse an der Hinterachse verrät jedoch, dass der Fiesta doch mehr dem zivilen Einsatzgebiet zugetan ist, als der Nutzung auf der Rennstrecke. Das versüsst den Umgang mit dem Sportler in spe im Alltag, die Balance zwischen Haudegen und bravem Einkaufswagerl ist sehr gekonnt austariert.
King of Literleistung
Würde man das Aggregat eines Supersportlers filetieren und 3 Zylinder übrig lassen, hätte man quasi die Grundsubstanz für den Motor des Fiesta. So tönt zumindest der Pressetext von Ford, der vollmundig darauf hinweist, dass 140 PS aus 998 Kubikzentimetern mehr Literleistung bedeuten als diverse Supersportleraggregate das schaffen. Der Motor eines Bugatti Veyron oder Ferrari 458 Speciale etwa. Das ist beeindruckend, vor allem auch weil man sich dadurch einen hochgezüchteten, hysterischen Motor erwartet. Diese Vermutung bewahrheitet sich aber zum Glück überhaupt nicht. Im Stadtverkehr simuliert das Motörchen mit viel Drehmoment in niedrigsten Drehzahlbereichen recht gekonnt einen hubraumstarken Saugbenziner, wenn man den flotten Fiesta fliegen lässt, sorgen die 140 PS wie erwartet für spritzige Fahrleistungen. Das Kreuz das alle 3-Zylinder Motoren zu tragen haben, konnte aber auch Ford nicht wegentwickeln. Die satte Schwungmasse, die für einen vibrationsfreien Motorlauf trotz der ungeraden Zylinderzahl sorgt, nervt bei schnellen Gangwechsel mit langsam fallender Motordrehzahl. Eine Gedenksekunde mit getretener Kupplung wird für einen sauberen Gangwechsel unerlässlich. Der Vorteil des kleinen Motörchens: im Drittelmix unter realen Bedingungen schluckte der Fiesta knapp über 6 Liter – ein Wert der sich bei der Motorleistung sehen lassen kann, durch einen sechsten Gang aber noch gesenkt werden könnte.
Im Stadtverkehr simuliert das Motörchen mit viel Drehmoment in niedrigsten Drehzahlbereichen recht gekonnt einen hubraumstarken Saugbenziner, wenn man den flotten Fiesta fliegen lässt, sorgen die 140 PS wie erwartet für spritzige Fahrleistungen.
Wuseliges Fahrverhalten
Nach mehr anfühlen als tatsächlich da ist kann auch der Rest des Fiesta – in durchaus positivem Kontext. Das straffe Fahrwerk lässt den grantig dreinschauenden Zwerg satt über die Straße rollen, ist aber noch komfortabel genug um auf alltäglichen Wegen nicht zu nerven. Die agile Ader der Fords in Punkto Lenkung und minimierten Wankbewegungen bei flotter Kurvenfahrt ist auch dem Fiesta verpasst worden. Gut konturierte Sportsitze halten die Insassen dabei dort wo sie ursprünglich Platz genommen haben und die für einen Kleinwagen sehr saubere Verarbeitung des Innenraums sorgt für rundum zufriedenes Wohlgefühl hinterm Steuer. Punkteabzüge gibt’s nur für den kompliziert zu bedienenden Mäusekino-Bildschirm mit Navi und den Ford Sync-Funktionen (Sprachsteuerung und Freisprecheinrichtung mit Notfallassistent). Man kann sich mit ein wenig Übung schon damit arrangieren, der überarbeitete Focus oder neue Mondeo nehmen es mit der Bedienerfreundlichkeit mittlerweile aber deutlich ernster.
Alltagstauglich und beflissen
Harte Schale, weicher Kern. Trotz seines strengen Gschaus und der coolen Farbkombination (die auch „andersrum“, also Rot mit schwarzen Akzenten erhältlich wäre) ist der Fiesta nach wie vor ein braver Kleinwagen mit passablen Platzverhältnissen und vor allem guter Ergonomie. Auch als 1,90m-Mann findet man eine langstreckentaugliche Sitzposition, mit einer Urlaubsfahrt zu viert wird man aber naturgemäß an die Grenzen des Fiesta stoßen. Manchmal unpraktisch, optisch aber ein Hit: die langen Türen. Das Sondermodell startet preislich bei 21.250 Euro und macht nicht nur mit der auffälligen Farbkombination, sondern auch mit rundum anderen Stoßfängern, Schürzen und Schwellern auf Sportskanone. Für den Testwagen mit zusätzlich dem Navi, einem Winterpaket (beheizbare Frontscheibe und Sitze), getönten Scheiben, einem Regensensor und einer elektronischen Klimaanlage wären knapp 23.700 Euro fällig. Für einen Kleinwagen nicht wenig, jedoch lässt der Fiesta mit der modernen, kräftigen Motorisierung und seiner ausgewogenen Abstimmung zwischen Sportlichkeit und Alltagstauglichkeit eigentlich keine Wünsche offen.