Nissan Murano
Space Invader im Großstadt-Dschungel
Außen UFO, innen Lounge: Der neue Nissan Murano ist der Charakterkopf unter den großen Geländewagen und hätte als Flaggschiff der Japaner durchaus auch in Mitteleuropa eine Chance. Also her mit dem Weltenbummler.
von Thomas Geiger
Mars an Erde, bitte kommen! Während die NASA gerade erst wieder in den Weltraum startet und Elon Musk von bemannten Flügen jenseits des Mondes träumt, sind die Außerirdischen längst unter uns – und haben sogar ihre eigenen SUV mitgebracht. Das zumindest kommt einem in den Sinn, wenn man zum ersten Mal den neuen Nissan Murano sieht. Denn was die Japaner da zum Jahreswechsel zunächst ausschließlich für den US-Markt auf die Räder gestellt haben, ist eher UFO als Auto und lässt Konkurrenten wie die den Ford Edge, den Kia Sorento oder den Hyundai Santa Fe oder ganz schön alt und angestaubt aussehen. Und wir Europäer werden spätestens beim Blick auf die Preisliste blass vor Neid. Denn als Fronttriebler startet das Basismodell schon knapp unter 30 000 Dollar und selbst mit Allrad, Furz und Feuerstein und schmucken 20-Zoll-Rädern kann man den Preis kaum über 45 000 Dollar treiben. Für den schockierenden Auftritt im Einerlei der SUV-Flotte hat Designer Ken Lee den Murano erst kräftig aufgebockt und dann wieder platt geklopft wie einen Sportwagen, er hat die Scheinwerfer so scharf und zackig geschnitten wie Scherben und die Seitenfenster bis über die D-Säule gezogen. Dazu gibt’s markante Powerdomes auf der Haube, über die Flanke laufen Zierleisten wie Muskelstränge, das Dach fällt nach hinten ab wie bei einem Coupé und das breite Heck lebt von Rückleuchten im Bumerang-Styling, einer stark nach vorn geneigten Scheibe samt markantem Spoiler sowie endlos breiten Kotflügeln. Nicht schön, aber selten – und vor allem unverwechselbar. Das jedenfalls haben die Japaner raus.
Wohnliches Interieur, ohne Designexperimente
Während der Murano außen wirkt wie von einer anderen Welt und man fast reflexartig erst einmal einen Schritt zurück tritt, offenbart er beim Einstiegen ein ungeheuer einladendes Wesen: Viel ruhiger und cleaner gezeichnet als das Exterieur nimmt sich der Innenraum angenehm zurück, wirkt luftig, weit und hübsch aufgeräumt. Nicht umsonst haben die Entwickler die Zahl der Knöpfe zum Beispiel auf der Mittelkonsole halbiert. Stattdessen gibt es ein großes Display zwischen den Instrumenten, ein ordentlich beladenes Multi-Funktionslenkrad und vor allem einen riesigen Touchscreen samt App-Store und Online-Services. Dazu super bequeme Klima-Sitze, ein beheiztes Lenkrad, viel Sicht und Licht durch eine großzügige Verglasung und quadratmeterweise Zierkonsolen wahlweise in hellem Holzimitat oder in poliertem Pseudo-Blech, die auf den ersten Blick sogar ganz ordentlich aussehen – fertig ist der kommode Kilometerfresser für Familien, denen eine Limousine zu lahm und ein Van zu spießig ist. Aber der Murano will nicht nur ein Auto für die erste Reihe sein. Konsequenter als manche Konkurrenten haben die Japaner auch an die Hinterbänkler gedacht. Dafür stehen nicht nur der flache Mitteltunnel und die buchstäblich überschaubare Truhe zwischen den beiden Vordersitzen, über die man sich spielend hinweg beugen und deshalb leichter mit den Passagieren ins Gespräch kommen kann. Sondern dafür stehen auch die mit NASA-Hilfe ermüdungsfrei konstruierten Sitze der Rückbank und das soliden Freiheiten für Köpfe und Knie. Weil sich Nissan den Luxus leistet und konsequent auf die dritte Sitzbank verzichtet, hat man auf der zweiten spürbar mehr Platz und der Kofferraum bietet trotz der schnittigen Form ein ordentliches Volumen – 1100 Liter sind schließlich nicht schlecht.
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Europäische Features, amerikanische Motorisierung
Er spielt zwar in einer anderen Liga. Aber bei der Technik bedient sich der Murano seiner europäischen Verwandten Qashqai und X-Trail. Denn genau wie die CrossOver für die alte Welt bietet das SUV-Ufo für Amerika Finessen wie die LED-Scheinwerfer, den Around-View-Monitor mit gleich vier Kameras und Assistenten wie den Tempomaten mit Abstandsregelung, die Helfer für Spurführung und –wechsel sowie die Querverkehrskontrolle beim rückwärts Ausparken. Nur beim Antrieb gehen die Amerikaner ihren eigenen Weg. Weil ihn das europäische Downsizing suspekt ist und der 1,2-Liter-Viertzylinder aus dem Basis-Qashqai diesseits des Atlantiks allenfalls für einen Rasenmäher taugt, setzten sie wie eh und je auf einen standesgemäßen V6-Motor. Der 3,5-Liter ist ebenso bekannt wie bewährt und wäre nach wie vor eine probate Kraftquelle, wenn ihn Nissan nicht konsequent mit einer stufenlosen Automatik kombinieren würde. Denn was helfen einem der seidenweichste Lauf und die harmonischste Kraftentfaltung, wenn beim Kickdown der Gummiband-Effekt einsetzt und das Getriebe den Motor zu johlenden Drehzahlorgien zwingt. Da vergeht einem die Lust an 260 PS und 325 Nm und man lässt es gleich viel ruhiger angehen. Aber vielleicht ist das ja insgeheim auch so gewollt. Denn nicht ohne Grund sind auch Fahrwerk und Lenkung eher auf gemütliches Cruisen ausgelegt und nicht auf den schnellen Ritt durch enge Kehren. Außerdem kann man so wohl am ehesten von den rund 20 Prozent Verbrauchsvorteil profitieren, die Nissan durch einen guten Zentner weniger Gewicht und viel Feinschliff im Antrieb erreicht hat. Aber Trotzdem: Unter zehn Liter kann man den Murano selbst im tranigen US-Trott kaum bewegen.
Exportchancen sind gering
Genau das ist auch der Haken, wenn es um die Exportaussichten des erstmals in Mississippi montierten Geländewagens geht. Zwar würde der erklärten Cross-Over-Marke Nissan in Europa ein Flaggschiff-Nachfolger wie der Murano gut zu Gesicht stehen. Bei 4,90 Metern Länge und einem Schätzpreis von 45 000 Euro wäre er weit genug weg von Qashqai und X-Trail, damit bei den beiden Volumenmodellen nichts anbrennt. Und was das Setup von Fahrwerk und Lenkung angeht, ließe sich das mit ein paar Abstimmungsrunden auf europäischen Straßen schon richten. Doch einen Diesel oder wenigstens einen Hybrid-Antrieb dürfte es das UFO aus Amerika in Deutschland schwer haben. Aber wer weiß: Wenn es der Murano vom Mars schon auf die Erde geschafft hat, dann ist der Weg von Amerika nach Europa vielleicht doch nur noch ein Katzensprung.