Wissen Sie, was eine Porzellanfuhre ist? Fiaker Johann Trampusch bestätigt, dass die Nachfrage danach wieder steigt. Eine kleine Tuning-Maßnahme an seinem Leder-Landauer leistet hierzu unschätzbare Dienste. Frei nach dem Motto: Pimp my Kutsche.
von Franz J. Sauer
Karl fährt seit 30 Jahren Fiaker. Das erfordert eine gewisse Gleichmut – irgendwann hat man sich selbst an den schönsten Sehenswürdigkeiten sattgesehen. Und das Geklicke der Touristen mag vielleicht auch das eine oder andere Mal dazu führen, dass man sich schon zur Mittagstränke ein Vierterl oder gar einen Doppler Grünveltliner zuführen mag, um den Rest vom Tag durchzustehen (das tut man freilich nicht, ist ja verboten!). Andererseits – Stress haben die anderen. Weil 2 (in Worten: zwei) PS sind nun mal zwei PS, da lässt sich wenig biegen in puncto Noch-schnell-angasen, wenn die Kreuzung da vorne grün blinkt. Eine Runde um den Ring kostet ihre Zeit und das beruhigende Gefühl, sicher jedem Stau voranzustehen, kann bei unruhigen Charakteren durchaus Nerven sparen. Gleiten statt Hetzen als conditio sine qua non, wirft hier der halbgebildete Lateiner ein.
Karl fährt seit 30 Jahren Fiaker. Nicht unbedingt immer in dieser Konfiguration. Aber stets mit unumstößlicher Coolness, wozu man früher Gleichmut gesagt hätte.
Apropos Gleiten: Sind Sie schon mal Fiaker gefahren? Also höchstselbst in so einem Leder-Landauer hinten drin gesessen? Wenn ja, dann kennen Sie das unbeschreiblich knirschende Gefühl, wenn ein rau gedengeltes Holzrad mit Metallauflage über unebenes Kopfsteinpflaster holpert: Nicht nur der Sound ist unbeschreiblich.
Womit wir auch schon bei der eingangs erwähnten Porzellanfuhre angelangt wären. Eine solche wird meist zum Zwecke der sexuellen Interaktion im Inneren der (empfehlenswerterweise geschlossenen Kutsche) gebucht, womit der Fiaker dazu aufgefordert wird, es eher sanft und vorsichtig anzugehen. Also schlechte Straßen zu meiden, Schlaglöcher zu umkurven und ruckartiges Anfahren und Abbremsen proaktiv abzufedern, sofern der Gaul gut gelaunt ist.
Ob man’s glaubt oder nicht: Sowohl Herr Karl als auch Fiaker-Betreiber Johann Trampusch bestätigen, dass derartige Fuhren auch heute noch gebucht werden. Vorgezogene Hochzeitsnächte wurden bereits vom Gespann gezogen inszeniert, die Ehe so hoch zu Pferd vollzogen. Und weil die Taxler vor gut 90 Jahren das gesamte Gewerbe aufmischten so wie heute Uber das ihre, hat man auch die Porzellanfuhren ins Droschkenwesen mitübernommen. Doch davon sollte heute hier und jetzt ganz sicher nicht zu viel geschrieben werden.
Schräger Plan
Viel mehr machte sich Fiaker Trampusch – in dritter Generation bereits dem Gespann-Gewerbe zugetan und einer der wenigen, heutigen Betrieber mit eigenem Kutscherhof in Wien-Simmering – Gedanken, wie man auf ungewöhnliche Art und Weise den Komfort einer Kutschenfahrt erhöhen könnte, ohne dabei auf irgendwelche Traditionalitäten verzichten zu müssen. Vulgo: Schirchheiten wie Luftfederung oder sonstiges Techno-Geschwurbel kamen nicht in Frage. Getunt werden dürfte aber durchaus, gewissermaßen im automobilklassischen Sinne. Und dabei kam dem geschäftigen Hans schnell die chromblitzende und nicht minder opulente Hotrod-Szene in den Sinn, deren Gemeinsamkeiten mit der Kutscherei bei genauerem Hinsehen nachgerade unübersehbar wurden.
Hotrod-Fiaker
Für schräge Ideen stets zu haben sind auch die findigen Jungs von AEZ, ihres Zeichens sowas wie Platzhirschen auf dem internationalen Auto-Felgenmarkt. Weil man schließlich selbst produziert und designt, herrscht gewissermaßen Kapazität für Eigenwilligkeiten im Stammwerk Hirtenberg (NÖ) und als sich die Wege von Trampusch und AEZ so zufällig, wie Zufälle eben sein können, kreuzten, war eine Kooperation zwecks Projektarbeit schnell beschlossen.
Einen waschechten Hotrod würde man aus dem nobligen (wie übrigens 70 Jaher alten) Landauer machen. Ganz einfach, indem man ihm freche 21Zoll-Räder an jene Stellen schrauben würde, wo sonst die biederen Holzräder vor sich hinrotieren. Dass derlei klarerweise nicht bloß durch Hinzunahme eines Radkreuzes gelingen würde, brachte die würzige Herausforderung für die Jungs von AEZ. Und schon einen Monat des Tüftelns später ward die grundsätzliche Konstruktion neuer Radaufnahme-Naben am edlen Fiaker kompetent zu Reißbrett gebracht. Bald war auch ein Prototyp gefertigt und nur zweieinhalb Monate nach Niederkunft des kühnen „Pimp my Fiaker“-Plan startete der Landauer auch schon zur Jungfernfahrt von Simmering in die Innenstadt auf den honorigen Heldenplatz.
Einen waschechten Hotrod würde man aus dem nobligen Leder-Landauer machen.
So fährt er sich
Werte Tierschützer aller Couleurs: entspannt Euch. Für die lieben Tierleins ist die Umstellung von Holz- auf Gummirad keine große Sache. Einzig in engen Kurven (also genau einmal, bei der Hofausfahrt) müssen sie ein bisserl mehr anrucken als sonst, weil die Reifenauflage eine größere ist und auch die Lenkkräfte eine Spur mehr Morch erfordern – die älteren unter uns kennen das noch aus der Vor-Servolenkungs-Zeit beim Automobil. „In Full Flight“ sozusagen ist den Pferden egal, welche Art von Räderei der Kutsche ihre Rollreibung verleiht. Im Gegenteil: Wenn´s nicht so ruckelt am Gestänge, tut auch das Zaumzeug weniger weh – falls man es nach 15 Dienstjahren denn überhaupt noch spürt.
Theoretisch liegt der Fiaker ja nun auch besser in der Kurve, wie uns Karl nach ein paar beherzten Durchquerungen der Parlaments-Biege am Wiener Ring bestätigt. Praktisch ist das alles freilich Mumpitz – der Hotrod-Landauer sieht mit den neuen Beinen einfach superscharf aus. Und wird überall, wo er auftaucht, zur oftgeknipsten Touri-Attraktion.
Mitfahrt verboten
Diesbezügliche, begeisterte Anfragen müssen Karl und Johann allerdings stets brüsk zurückweisen: Das Wiener Transportgesetz gestattet es (noch) nicht, dass mit der modifizierten Fuhre auch normale Fahrgäste transportiert werden. Dafür gereicht das Gerät formidabel zur Show mit guten Freunden an Bord. Der Attraktions-Beiwert ist ja dann sowieso auch gegeben, ganz egal, wer drinnen sitzt.