Es verblüfft doch immer wieder nachhaltig, wie Porsche es schafft, seinen Markennukleus neu zu erfinden, ohne dabei auch nur einen Millimeter von der über die Koordinaten Heritage, Design und Technologie aufgespannten Grundlinie abzuweichen. Solches wäre nämlich fatal.
Text: Franz J. Sauer
Nein, wahrlich, Gelegenheiten gäbe es genug, mit einem neuen Elfer in den Gatsch zu greifen. Man könnte ihm zum Beispiel zu viel schlaue Technonerdereien unters Blechkleid packen. Das Cockpit zu sehr verbildschirmen. Die Grundform mit irgendwelchen aerodynamischen Knicken oder Falzen verschlimmbessern. Oder gar irgendwas mit Strom beim Antrieb andenken.
Klar ist der neue 911 ein modernes Auto, stets am Letztstand der aktuellen Fahrzeugtechnik, was natürlich ein paar nette, schlaue Bildschirme ins Armaturenbrett oktroyiert. Aber der Drehzahlmesser, stets jenes optische Element im direkten Blickfeld des Piloten, an dem sich das ganze Cockpit aufhängt und um das herum es sich anordnet, der ist beim neuen 911 nicht nur fix umrandet, analog und mit einem echten Zeiger versehen, sondern sogar im stilbildenden Design des legendären RS von 1973 gezeichnet. Mit den richtigen Ziffern, den richtigen Linien, einfach allem, sogar der Digi-Tacho mittendrin wirkt, als wäre er von damals. Und die Screens rundumadum liefern im Basis-Layout die Optik von bis 1995 dazu, als man einfach Uhr um Uhr und Knopf um Knopf ins Porsche-Armaturenbrett schraubte, bis kein Platz mehr da war.
Dieser Status war bekanntlich 1998 erreicht, damals kam mit dem Modell 996 („Spiegelei-Augen“) der bislang größte Paradigmenwechsel im Elfer-Leben, nämlich der Wechsel von Luft- auf Wasserkühlung, der das völlig neue Cockpit massiv überstrahlte. Was gingen damals die Wogen hoch, kochten die Gemüter über, von wegen der Elfer wird nie wieder ein Elfer sein und so weiter. Und was wurde aus dem 996? Der meistverkaufte Porsche 911 bislang. Der sogar auf dem Gebrauchtmarkt langsam, aber sicher wieder preislich anreißt, um zur guten Wertanlage zu werden, wie eigentlich eh alle Elfer bislang eine wurden.
Insofern wird man also auch dem frischen 992 jene beiden Irritationen verzeihen, die uns ein wenig im Pelz jucken. Da ist also zunächst der seltsame Gangwählhebel, der einem klitzekleinen Braun-Rasierer im Barbie-und-Ken-Format gleicht und so gar nicht zur Urgewalt passt, die man dem Powertrain dieses Autos zutraut. Und die zweite ist die Heckansicht bei ausgefahrenem Heckspoiler. Der sich seit seinem ersten Auftreten beim 964er vor 30 Jahren vom feinen, kleinen Bügelbrettchen zur ausgewachsenen Walfisch-Oberlippe ausfraß. So sieht das Elfer-Heck im vollen Flug neuerdings aus, als würde es einen verspeisen wollen. Gottlob liegt es da in der Natur der Sache, dass ein Elfer-Heck vor einem in der Windschutzscheibe üblicherweise kleiner wird. Geschlossen sieht die ganze Partie sowieso höchst friedlich aus. Erstmals schafft es das durchgängige LED-Band sogar hinterwärts so was wie ein Grinsen darzustellen.
Sound, Anmutung, Platz, Haptik, Technik, Antritt, Power – alles wie beim Alten, nur halt eben, wie immer, ein Alzerl besser. Diese Besserungen spielen sich, wie üblich, zumeist unter Deck ab. So haben wir beim Carrera 4S neuerdings ein wassergekühltes Vorderachsgetriebe, dessen technische Sophistikationen wir uns nicht mal vorstellen wollen. Das Fahrwerk agiert nun gegen Aufpreis wankstabilisiert, die Schnauze lässt sich um weitere drei Flieger Schmattes elektronisch auf- und niederheben. Das Verdeck öffnet oder schließt in 12 Sekunden und zur Not auch noch bei Tempo 50. Und für den Sprint auf 100 werden nunmehr 3,8 Sekunden veranschlagt. Spätestens bei Generation 12 sind wir hier im Minusbereich angekommen.
Ein Drittel aller weltweit vertriebenen Porschetten kommen als Cabrio des Weges, was sich einerseits in der Geschichte der Marke (der erste Porsche war ein Roadster), andererseits im Faktum niederschlägt, dass der geschlossene 911 dieser Tage um nichts, aber um wirklich gar nichts dem verlöteten Modell nachsteht. Weder lauter noch weicher ist es, das Cabrio. Falls das wen interessiert.
Der Sound röhrt ebenfalls seit 50 Jahren gleich, oder ähnlich, daran rüttelt auch kaum, dass sich der Aufbau des Boxer-Aggregates doch recht tiefgreifend verändert hat (alles Turbo nun und so). Schriftzüge, Logos, Details innen wie draußen, alles wurde perfekt abgeschmeckt, sensibel nachgewürzt, teilweise aus der Asservatenkammer der Designabteilung geholt und alles in allem zu einer allgemeinen Punktlandung verarbeitet, die sich erst mit der nächsten Generation, also in schätzomativ sieben Jahren, wieder um ein Alzerl verbessern lässt. Was übrig bleibt, ist, man ahnt es schon: Begeisterung.
Porsche 911 Carrera 4S Cabriolet
Hubraum: 2981 ccm
Leistung: 450 PS
Verbrauch: 9,1 Liter
Drehmoment: 530 NM / 2600–5000 U/min
Beschleunigung: 0–100: 3,8 s
Spitze: 304 km/h
Gewicht: 1635 kg
Preis: ab 172.491 Euro