Gut, 887 PS Systemleistung kriegt man schnell mal zusammen, wenn der richtige Baukasten zur Verfügung steht. Gut, ein deppensicheres Fahrwerk, das eigentlich auch in Le Mans auftreten könnte, hat man ja schnell bei einem reinrassigen Supersportauto-Hersteller. Gut, der 918 Spyder ist ausverkauft. Das macht die Kaufentscheidung leichter. Und gut, wir werden es nicht schaffen, das Fahrerlebnis mit dem Zuffenhausener Überflieger in irgendeiner Weise zu trivialisieren.
von Franz J. Sauer / Fotos: Erich Reismann (www.reismann.at)
Im Gegenteil: man kommt wohl auch nicht umhin ums Schwelgen. Mit einem Schlag ist sie vollformatig da, die ganze Rennsporthistorie, oder, von mir aus auch: -hysterie. Porsche baut seit bald 70 Jahren begehrenswerte Autos, aus der Sicht vieler (auch aus jener des Autos) leistete sich die Marke bislang keinerlei Durchhänger, jedes einzelne Modell aus der Geschichte ist besitzenswert bis heute, was sich nicht immer (an dieser Stelle gibt es eine Gedenkminute für meine beiden 924er) aber doch immer öfter auch als wohldotierte Aktie für den Besitzer formuliert. Inmitten der Chose bleibt immer der legendäre 911er und es ist klar, dass man auch bei einer Story über den 918 Spyder nicht um das Urmeter herumkommt. In der Tat finden sich sogar im Super-Über-Drüberflieger wohlbekannte Details der fahrerischen Haptik, die man aus dem Elfer kennt. Und ein schöneres Kompliment für einen, nun, sagen wir mal, „Normalo-Sportwagen“, wie es der 911 einer unter all den Supercars dieser Welt längst ist, gibt es wohl nicht: der Überflieger orientiert sich an der Basis und nicht umgekehrt.
Eine ikonische Form, zeitlos, dynamisch und elegant. Erinnert gleichermaßen an den nicht minder ikonischen 904 wie an ein Auto aus der fernen Zukunft.
Vielleicht resultieren all die Seele, all das Herz, all jene großen Emotionen, die einen angesichts dieses HiTech-Wunderwerks von Automobil in der Sekunde umschlingen ja auch daran, dass der 918 Spyder, eines der hochgezüchtetsten Autos aller Zeiten, handgefertigt wurde. Bis vor zwei Wochen, als die Produktion in Zuffenhausen eingestellt wurde.
Warum auch weiterbauen, wenn es eh schon genug davon gibt? Exakt 918 Fahrzeuge wurden gebaut und längst an den Mann gebracht. Klar, es herrscht ein G’riß um ein Auto der Neunhunderttausendeuro-Preisklasse. Ich selbst war live dabei, in Genf vor zwei Jahren, als Wolfgang Porsche, mit meiner Wenigkeit sowie Porsche Österreich-Chef Helmut Eggert gerade beim Plauschen an der Bar, von einem bärbeißigen Riesen mit dunkler Sonnenbrille und Rasputin-Bart angestupst und ins Hinterzimmer gebeten wurde. Ion Tiriac, der leibhaftige, stand hinter uns. Und wenn ein Wolfgang Porsche so schnell aufspringt, dann gehts ums Geschäft. Wenig später war er wieder zurück an der Bar und verstaute seine Montblanc-Feder schmunzelnt im Sakko. „Der hat gerade einen 918er gekauft.“ war die kurze Message. Und Helmut Eggert bekam Sorge, wer denn jetzt, bitte, die Garantie-Leistungen abarbeiten sollte, so welche auftraten. Die Schweizer? Die Deutschen? Die Österreicher?
Porsche 918 Spyder: Das erste Wunder
Emotionen hin oder her: Zu viel Respekt kann störend sein, wenn man ein Superauto wie dieses erstmals besteigt. Es hemmt einen beim Tür aufmachen, beim Sitz verstellen, beim Lenkrad begreifen, einfach bei allem. Insofern gestaltet sich das Entern eines 918 Spyder einfacher, wenn man ihn vorerst mal zum Transportmittel mit Cabriooption degradiert. Und sich so folgerichtig über viel zu enge, unbequeme Sitzschalen beschwert, deren Lehne nicht mal getrennt von der Sitzfläche verstellbar ist.
… Starfotograf Erich Reismann erklärt uns, wie man einen #918spyder besteigt …
Posted by Motorblock on Freitag, 19. Juni 2015
Das HiTech-Überdrüber dieses Fahrzeuges wird auf gefällige Art und Weise vom Design konterkariert.
Basiswissen
887 PS treffen auf 1.642 Kilogramm. 2,6 Sekunden braucht der 918 Spyder auf 100 km/h. 7,4 Sekunden auf 200. Verbrauch: 3,1 Liter auf 100 Kilometer. Dem Achtender in V-Anordnung mit 4,8 Liter Hubraum und 608 PS wird von zwei E-Motoren unter die Arme gegriffen, einer mit 129 PS an der Vorderachse, einer mit 156 PS an der Hinterachse. Rein elektrisch kann er ganze 25 Kilometer zurücklegen..
Best of Techno
Wo viel Zukunft, da viel Smartphone. Also glänzt die quer durch den Fahrgastraum angelegte Mittelkonsole puncto Bedienbarkeit mit dem Wisch-und-Weg-Komfort der allseits beliebten Taschentelefone. Von Klima bis Heckspoiler lässt sich hier alles wichtige wie unwichtige ein- und verstellen. Drei Drehregler noch und man ist durch mit der Ergonomie, ganz ohne Manual. Ein Supersportler für einfache Gemüter, sozusagen.
Speziell das Lenkrad gibt sich volksnah, man kennt es bereits von Stangen-Porsches a la Macan oder Panamera Hybrid, womit die Brücke zu den übrigen Halbstromern des Hauses gelegt wäre. Nun glänzen hier im 918 gleich zwei Elektromotoren mit überbordendem Leistungsangebot. Einer hockt an der Hinterachse und hilft dem Benziner, der andere sitzt vorne und macht den 918 zum Allradler. Insgesamt reichen die beiden E-Motoren für die Leistung von insgesamt 279 Pferden und eine reine Elektro-Reichweite von 25 Kilometern. Den Rest auf den Nominalwert erledigt ein V8-Hochdrehzahlbenziner mit 608 PS, der erst einsetzt, wenn man‘s wirklich wissen will. Oder der Stromer keinen Saft mehr hat.
Man stromt dahin im Hybrid-Modus und denkt sich nicht viel, plötzlich rülpst sich der Benziner ins Leben, sorgt für einen kleinen Rückentritt sowie ab da tiefenentspannte Tachowerte zwischen 250 und 280 km/h.
Ein Perpetuum Mobile?
Dies geschieht im unbekümmerten Autobahnbetrieb von Stuttgart richtung Berlichingen (ja, genau dieses …) unerwartet schnell. Man stromt dahin im Hybrid-Modus, durchaus zügig und denkt sich nicht viel, plötzlich rülpst sich der Benziner ins Leben, sorgt für einen kleinen Rückentritt sowie ab da tiefenentspannte Tachowerte zwischen 250 und 280 km/h. Die Batterie ist da längst leergefahren, dass man sie genauso schnell aber auch wieder vollkriegt, wenn man entweder in den Sport oder in den Race-Modus schaltet, verblüfft letztlich fast am meisten. Hat Porsche hier etwa das Perpetuum Mobile erfunden? Oder doch einfach nur so viel Urgewalt vom Verbrennungsmotor zu bieten, dass sich die Ladeaggregate zweier Hochleistungs-Elektromotoren innerhalb kürzester Zeit wieder voll rekuperieren? Plötzlich klingen Werksangaben wie die 3,1 Liter Durchschnittsverbrauch gar nicht mehr soo weltfremd.
Auf keiner Zubehörliste findet man das Vermögen des 918ers, seinen Fahrer mit ungemein viel Selbstvertrauen auszustatten. Die perfekte Ausbalancierung des Fahrwerkes macht einen zum perfekten Landstraßen-Sportsmann, dass die Gesamtstückzahl des Superhybriden jüngst von niemand geringerem als Walter Röhrl himself auf 917 verringert wurde, sollte einem beim unbekümmerten Angasen allerdings stets im Hinterkopf bleiben.
… so sehen 2,6s von 0 – 100 im Profil des Fahrers aus … #porsche #918spyder #berlichingen #oida
Posted by Motorblock on Samstag, 20. Juni 2015
Porsche 918 Spyder: „derritten“
Porsche hat es schon immer verstanden, absoluten State-of-the-Art-HighTech in freundlich-selbstgefällige Inertialsysteme zu verpacken, die selbst Fahranfänger zu Kumpels machen können. Insofern werde ich noch länger davon zehren, das aufregendste Sportauto der Gegenwand mit Bravour „derritten“ zu haben.