Als Porsche 2019 den Taycan brachte, wollte man den Schwaben ihr elektrisches Engagement kaum abnehmen. Doch das ist jetzt fünf Jahre und über 100.000 Autos her, und die Welt im Mikrokosmos Zuffenhausen ist eine andere. Denn selbst die deutsche Vollgasmarke schlechthin steht mittlerweile unter Strom und will bis zum Ende der Dekade immerhin 80 Prozent ihrer Verkäufe mit reinen E-Modellen machen. Weil das der VW-Tochter selbst mit dem tiefgreifenden Facelift dieses Frühjahrs allein mit dem Taycan nicht gelingen wird, geht die schwäbische Revolution mit dem elektrischen Macan jetzt in die nächste Runde – und zugleich in die Breite. Schließlich sinkt der Einstieg für die Generation E mit dem Grundpreis von 86.760,74 Euro um knappe 20.000 Euro, und wenn später mal das echte Einstiegsmodell kommt, dürfte es sogar bei deutlich unter 80.000 Euro losgehen.
Fotos: Hersteller
War der Taycan noch eine reine Eigenleistung, der erst später zur Schützenhilfe für die bürgerliche Schwester als e-tron GT auch bei Audi geparkt wurde, haben sich die beiden nicht immer wohlgesonnenen Geschwister diesmal von Anfang an zusammen getan und gemeinsam für den Macan und den Q6 e-tron die PPE-Plattform als Basis entwickelt – wenn auch mit etwas unterschiedlichen Ausprägungen und vor allem mit unterschiedlicher Wahrnehmung. Ja, auch der Macan ist stark verspätet und ein paar Kröten musste Projektleiter Jörg Kerner schon schlucken. Doch während die PS-Branche Audi des Stillstands bezichtigt und Witze über den verlorenen Vorsprung durch Technik macht, sieht sie dem Macan mit freudiger Erwartung entgegen und nimmt den Verzug tapfer hin. Erst recht, weil die Schwaben den Bayern schon wieder voraus sind und nun als erste zur Testfahrt gebeten haben.
Dabei hat der Chefingenieur dafür gar nicht in erster Linie ein Elektroauto entwickelt. „Sondern zuallererst mal ist das neue SUV ein typischer Macan“, sagt Kerner. Das gilt fürs Design, das zwar etwas aerodynamischer wird und der Batterie genau wie den Hinterbänklern mit dem um fast neun Zentimeter gestrecktem Radstand ein wenig mehr Platz einräumt, ansonsten aber vom spitzen Bug über die breiten Hüften bis zum schrägen Heck unverkennbar ist. Und das gilt vor allem für die Dynamik. Denn auch der elektrische Macan fährt wie ein Macan.
Nur, dass er frisch aus dem Fitness Studio kommt – und in jeder Disziplin deutlich mehr bietet als früher. „Wie setzen dort an, wo wir beim Vorgänger aufgehört haben,“ sagt Kerner. Schon das Basismodell beschleunigt deshalb besser und geht schneller ums Eck als der bisher flotteste Macan. Vom neuen Top-Modell, das in alter Logik auch weiter Turbo heißen wird, ganz zu schweigen.
Los geht es zunächst mit dem Macan 4, dessen zwei Motoren im Overboost auf bis zu 408 PS kommen und mit 650 Nm an allen vier maximal 22 Zoll großen Rädern zerren. Schon das reicht für einen Sprintwert von 5,2 Sekunden. Wer stolze 117.494,58 Euro für den elektrischen Turbo bezahlt, der bekommt ein Ugrade auf 639 PS und macht mit 1.130 Nm auch Elfer-Fahrer blass vor Neid. Erst recht, wenn der Macan beim Kickdown in 3,3 Sekunden auf Tempo 100 schießt. Nur bei der Höchstgeschwindigkeit, so viel Tribut an die neue Zeit muss Kerner dann doch bezahlen, gibt es Abstriche. Der Macan 4 zieht bei 220 km/h die Reißleine und für den Turbo ist bei 260 Sachen Schluss. Später wird es noch andere Varianten geben – darunter auch eine, für die Kerners Kampfansage nur eingeschränkt gilt: Denn mit Blick auf Preis und Reichweite kommt das Basismodell – wenig Porsche-typisch – als reiner Hecktriebler.
Neben der schieren Leistung ist es vor allem das Set-Up, das den Macan auszeichnet. Vorne die wahrscheinlich beste Lenkung am Markt mit der größten Präzision und der direktesten Rückmeldung und hinten nicht nur etwas mehr Last auf der Achse, sondern erstmals auch aktiv lenkende Räder – das macht den Geländewagen zum König der Kurven und wirft einmal mehr die Frage auf, ob man hier noch ein SUV oder schon einen Sportwagen fährt – erst recht, weil man trotz der Batterie im Boden auch noch fast zwei Zentimeter tiefer sitzt als im bisherigen Macan.
Aber auch wenn der Macan eine Spaßgranate für die Generation E ist und für Kerner das „sportlichste SUV im Segment“, will er natürlich nicht nur Sportwagen sein, sondern auch Alltagsauto. Als Belege dafür nennt der Baureihenleiter neben dem größeren Platzangebot mit nun 540 Litern Kofferraum (plus 136 Liter zum Vorgänger), einem Frunk von soliden 84 Litern und einer luftigen Mittelkonsole mit mehr Stauraum als der Keller einer Mietwohnung natürlich vor allem die Reichweite und die Reisezeit.
Der Baureihenleiter hat deshalb nicht nur einen 100 kWh großen Akku als dem Regal der „Premium Plattform Electric“ gegriffen, der in der Theorie 613 Kilometer beim Macan 4 und 591 Kilometer beim Turbo ermöglicht. Sondern er hat vom Luft- bis zum Rollwiderstand viel für die Effizienz getan und damit für die reale Reichweite. Und er hat das Laden optimiert. Es gibt deshalb zu den standesgemäßen 800 Volt für bis zu 270 kW Ladeleistung auch das sogenannte „Bank-Laden“. Dafür wird der Akku an der 400er-Säule virtuell halbiert und er schluckt den Strom so noch schneller. So reichen dann runde vier Minuten für 100 Kilometer und man bestellt beim Boxenstopp besser nur noch Espresso statt Cappuccino. Den schlürft man stattdessen zu Hause, weil es dort mit dem Laden gerne mal länger dauert. Denn wo mittlerweile schon Importkleinwagen bisweilen 22 kW Leistung offerieren, zuckelt der Macan an der Wallbox mit maximal 11 kW und bietet der elektrischen Elite kaum mehr als Kriechstrom. Aber selbst das wird man den Schwaben nachsehen.
Denn wenn der Taycan eines geschafft hat in den letzten fünf Jahren, dann den Imagewandel der Vollgasmarke, der man das Bekenntnis zur Elektromobilität mittlerweile zweifellos abnimmt. Jetzt müssen nur noch die Kunden mitziehen, damit der Plan aufgeht und es am Ende tatsächlich 80 Prozent E-Zulassungen werden.