Unterwegs im neuen Flaggschiff
Der VW Touareg
Von Thomas Geiger
Vor allem aber hat der Touareg etwas, das selten geworden ist in dieser Klasse: Gefühl. Denn wo die Konkurrenz viel zu oft das S von Sport Utility Vehicle betont und aus falsch verstandener Dynamik auf kompromisslose Härte setzt, interpretiert VW das gängige Kürzel ein bisschen anders. Ein Utility Vehicle, also ein nützliches Auto will der Touareg natürlich trotzdem sein. Nicht umsonst gibt es serienmäßig und für alle Varianten einen permanenten Allrad, nicht ohne Grund ist er einer der wenigen mit vollen 3,5 Tonnen Anhängelast, und nicht von ungefähr bietet der um mehr als 100 Liter gewachsene Kofferraum über 800 Liter Platz und kann mit der um 16 Zentimeter verschiebbaren Rückbank noch einmal erweitert werden. Doch das S steht bei den Niedersachsen nicht für Sport, sondern für Status und für Sedan. Denn der Touareg, das sind sie den alten Phaeton-Kunden schuldig, soll der Sedan, also die Limousine unter den Geländewagen sein und entsprechend souverän fahren.
Egal, wie schlecht die Straßen auch sind, bügelt die Luftfederung sie deshalb mühelos glatt und der Wankausgleich hält den Aufbau im Lot. Der 286 PS starke V6-Diesel, mit dem der Verkauf beginnt, hat mit seinen 600 Nm zwar einen Punch wie ein Preisboxer, klingt aber wie in Watte gepackt und wird von der seidenweichen Achtgang-Automatik brav im Zaum gehalten und selbst die Sturmböen, die bei einem Sprint von 0 auf 100 in 6,1 Sekunden und bei Vollgas mit 238 km/h um den Riesen rauschen, werden vom Dämmglas geschluckt. Dazu neuartige Massagesitze und eine Klimaautomatik fast so leise und zugfrei wie früher im Phaeton: Wolfsburg heißt Sie Willkommen in der Wohlfühlzone.
Nur weil er ein Leisetreter und Softie geworden ist, wirkt der Touareg aber keineswegs behäbig, sondern er fühlt sich ungewöhnlich leicht und handlich an. Das liegt zum einen daran, dass der Wagen zwar in der Länge um acht und in der Breite um gute vier Zentimeter gewachsen ist und bei 4,88 Metern jetzt spürbar mehr Platz auf allen Plätzen und für das Gepäck bietet, aber trotzdem zwei Zentner abgespeckt hat. Und es liegt zum anderen am neuen Fahrwerk des Flaggschiffs. Denn während der Wankausgleich den Aufbau stabilisiert, lässt die Hinterachslenkung virtuell den Radstand und real den Wendekreis schrumpfen. In engen Kurven mit flottem Tempo oder im Parkhaus fühlt sich der Touareg dort deshalb fast so kompakt an wie ein Tiguan, während er auf der Autobahn so souverän und unbeirrbar dahingleitet wie ein Audi Q7.
Bei den Motoren macht VW dagegen keine halben Sachen. Klar ist Downsizing ein wichtiger Trend und irgendwie muss der Flottenverbrauch ja runter. Aber Vierzylinder kommen den Wolfsburgern bei ihrem Flaggschiff trotzdem nicht unter die Haube. Stattdessen gibt es nach der 286 PS-Version des Dreiliter-Diesels als Einstiegsmodell später noch eine Variante mit 231 PS und für die wenigen Kunden aus der Otto-Fraktion bereitet VW einen V6-Benziner mit drei Litern Hubraum und 340 PS vor. Nächstes Jahr krönen die Niedersachsen die Modellpalette mit dem V8-Diesel aus den vornehmen Schwestermodellen Audi Q7 und Bentley Bentayga, der bei 4,0 Litern Hubraum auf 421 PS und 900 Nm kommen wird. Und je nach politischer Großwetterlage wird es Ende nächsten Jahres auch bei uns den zunächst nur für China geplanten Plug-In-Hybriden geben – wahlweise mit vier- oder sechs-Zylinder-Benziner und immer mit mindestens 50 Kilometern elektrischer Reichweite.
Die Position an der Spitze der Modellpalette sichert sich der Touareg darüber hinaus vor allem mit seinem Interieur. Buchstäblicher Blickfang ist dort das Innovision-Cockpit, das selbst Tesla-Fahrern die Tränen in die Augen treiben wird. Denn zu dem mittlerweile hinlänglich bekannten, künftig aber noch individueller konfigurierbaren Digital-Tacho gibt es nun einen gewaltige 15 Zoll großen Touchscreen, der nahtlos an die Armaturen anschließt und nahezu die gesamte Mittelkonsole einnimmt. Feste Schalter findet man drum herum dagegen kaum mehr. Und auch die Menüs auf dem Bildschirm sind nicht festgelegt. „So, wie man die Anordnung auf seinem Smartphone individuell gestalten kann, so lässt sich auch der Screen im Touareg nahezu frei belegen“, sagt Produkt-Manager Philipp Jung und wischt die einzelnen Kacheln dorthin, wo sie ihm am liebsten sind. Für Entwicklungschef Frank Welsch adelt das den Geländewagen zum „Touareg für die digitale Generation“. Er liefere schon heute die Blaupause dafür, wie digitale Interieurs in Zukunft auszusehen haben. Selbst wenn es natürlich Aufpreis kostet, ist das Cockpit zwar der ganze Stolz der VW-Entwickler, aber es ist nicht das einzige Highlight auf der langen Ausstattungsliste. Dort findet man auch Extras wie ein noch größeres Head-Up-Display und eine Wärmebildkamera für das erste Nachtsichtsystem in einem VW-Modell, ein Heer von Assistenzsystemen mit nahezu autonomen Fähigkeiten sowie LED-Scheinwerfer mit Matrix-Technik, die ihren Lichtkegel individuell den Gegebenheiten anpassen.
Auch die Designer durften ihre Premium-Phantasien ausleben und haben den Touareg deshalb mit mehr Chrom geschmückt als jeden anderen Volkswagen. Und noch gründlicher als beim Arteon verschmelzen nun die Scheinwerfer und der Kühler zu einer einzigen Orgie in Licht und Glanz. „Das Design des neuen Touareg macht unmissverständlich klar, dass er das souveräne Flaggschiff der Marke ist,“ sagt Designchef Klaus Bischoff, rudert aber gleich wieder ein bisschen zurück. Den Prunk und Protz der Premium-Marken will er nämlich nicht übernommen haben: „Die Macht dieses Autos ruht in seiner Freundlichkeit und Eleganz – der Touareg muss nichts erzwingen.“