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Wie sich der Porsche Mission E Cross Turismo fährt!

Bote einer neuen Zeit

Wie sich der Porsche Mission E Cross Turismo fährt

Ein alter Mercedes SL, ein Ferrari California, zwei, drei Lamborghini, Bentley und Rolls-Royce in allen Farben und Formen – auf dem Parkplatz des Restaurants Nobu in Malibu trifft sich die Haute Voiture von Los Angeles. Doch heute hat dafür niemand einen Blick. Heute starrt alles auf ein Auto, das es eigentlich noch gar nicht gibt: Drei Monate nach der Premiere in Genf gönnt Porsche dem Mission E Cross Turismo einen kurzen Ausflug in die Wirklichkeit und schickt die elektrische Studie auf Testfahrt über den Pacific Coast Highway und durch die Hollywood Hills.

Von Thomas Geiger

„Wir wollen herausfinden, ob und wie das Konzept bei unseren Kunden ankommen würde “, sagt Baureihenleiter Stefan Weckbach über den Misch zwischen Kombi, Coupé und SUV. Und er will ein für allemal beweisen, dass es keinen Verbrennungsmotor braucht, um mit einem Porsche Spaß zu haben.
Für beides gibt es kaum einen besseren Platz als das Küstengebirge rund um Los Angeles. Hier, wo es teilweise mehr Tesla als Toyota gibt, muss man Elektromobilität nicht mehr erklären. Und natürlich hat das Nobu eine ganze Reihe von Ladesäulen. Doch in einem Landstrich, in dem das Leben zwischen Bergen, Beach und Boulevard stattfindet und der einzige elektrische Geländewagen das Model X ist, gibt es umso mehr Bedarf für ein Lifestyle- und Freizeitauto, das eleganter ist und trotzdem einen größeren Aktionsradius hat. Und wer einmal mit einem Akku-Auto durch den Topanga-Canyon oder über den Mulholland-Drive gefahren ist, der weiß, wie segensreich das gewaltige Leistungs- und Drehmomentniveau eines Elektroautos ist.
Erst recht, wenn auf der Haube ein Porsche-Wappen klebt und die Ingenieure nicht gekleckert, sondern geklotzt haben: Zwei Motoren mit insgesamt über 600 PS garantieren einen Sprint von 0 auf 100 in weniger als 3,5 Sekunden. Und wenn es hier irgendwo eine hinreichend lange Gerade gäbe, dann würde der Cross Turismo mehr als 250 km/h schaffen. Verspricht zumindest Weckbach.
Denn egal mit was für einem Motor er angetrieben wird, ein Porsche muss immer wie ein Porsche fahren, sagt der Entwickler. Scharf, präzise und vor allem ungeheuer schnell schneidet der Cross Turismo entlang der Ideallinie. Es dauert deshalb nur ein paar Minuten, dann fühlt sich der Elektro-Zuffenhausener dank der variablen Kraftverteilung zwischen den Achsen, der Allradlenkung und dem spontanen Antritt eher wie ein Elfer als ein Panamera an – obwohl das Showcar fast fünf Meter misst und deutlich mehr als zwei Tonnen wiegt.
Kein Wunder, dass man plötzlich wie im Rausch durch die Canyons rast und gar nicht mehr raus möchte aus dem Karussell voller Kurven und Kuppen, das der liebe Gott hier für die PS-Fraktion in die Landschaft gezaubert hat. Muss man auch nicht. Zumindest nicht so schnell. Schließlich steckt im Wagenboden ein Akku von runden 90 kW/h Kapazität, der auf dem Prüfstand für mehr als 500 Kilometer reichen soll und selbst bei forcierter Fahrweise locker 300 Kilometer hergeben dürfte. Und falls er doch irgendwann leer ist, kann man ihn – zumindest in der Theorie – mit der richtigen Power binnen 15 Minuten wieder aufladen.
Doch so vertraut sich der Cross Turismo auch nach Porsche anfühlt, so fremd wirkt er zugleich. Denn es fehlt der Sound, der bei einem Sportwagen die halbe Miete ist. „Power of Silence“, nennt Weckbach diese ungewöhnliche Sinneserfahrung, die dem Beamen näher ist als dem eigentlichen Fahren und deshalb einen ganz anderen Erlebnishorizont öffnet.
Stille – das ist eine Eigenschaft, die man im Cross Turismo aber nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinne erleben kann. Denn sie war zugleich das Leitmotiv für die Gestaltung des Interieurs, in dem nichts die Aufmerksamkeit des Fahrers ablenken soll. „Wir haben das Anzeige- und Bedienkonzept auf ein absolutes Minimum reduziert“, erläutert Interface-Entwickler Gantimur Meissner. Außer am Lenkrad gibt es keine analogen Schalter mehr. Alles, was im Cross Turismo zu steuern und zu regeln ist, erledigt man über Sensorfelder und Touchscreens. Und alles, was einem das Auto mitzuteilen hat, erscheint auf den drei Bildschirmen. Diese sind hinterm Lenkrad, in der Mittelkonsole und vor dem Beifahrer(!) platziert. Obwohl das alles frisch und fremd ist, wirkt es zugleich ungeheuer vertraut. Denn ein paar Konstanten hat Meissner in die neue Zeit gerettet: Eine grafische Darstellung der Beschleunigung in der Mitte der Anzeige erinnert an den Porsche-typisch dominanten Drehzahlmesser. Und natürlich befindet sich der Startknopf auch Links vom Lenkrad.
Natürlich ist im Cross Turismo noch vieles Zukunftsmusik und wie bei jeder Designstudie braucht man ein bisschen Phantasie und Vertrauen, wenn man den Beschreibungen der Entwickler folgt. Doch anders als die meisten Showcars rollt der Porsche nicht nur, sondern fährt tatsächlich. 70, 80, zwischendurch auch mal 100 km/h sind locker drin, wenn die Cops aus dem Begleittross mal ein Auge zu drücken. Und selbst wenn die Software des Bedienkonzepts noch den Demomodus in Dauerschleife abspult, wirkt zumindest die Hardware im Cockpit buchstäblich greifbar.
Das kommt davon, wenn man nicht bei null anfangen muss, sagt Weckbach. Denn statt von Hand ein Auto für die Messe zu schnitzen, hat er einfach einen Prototypen des eigentlichen Mission E als Basis genommen. Schließlich ist dessen Entwicklung bereits auf der Zielgeraden und in 18 Monaten soll er als extrem sportliche Limousine auf den Markt kommen.
Diese enge Verwandtschaft bei Antrieb und Ausstattung hat nicht nur der Studie gutgetan, sondern sie könnte auch das Serienmodell beflügeln. “Denn im Grunde müssten wir nur einen neuen Hut über die Plattform stülpen“, sagt Weckbach. Das geht vergleichsweise leicht und vor allem schnell, so dass der Cross Turismo als geräumigere Alterative mit vier vollwertigen Sitzen und einem durch die erhöhte Bodenfreiheit erweiterten Aktionsradius schon ein Jahr nach dem elektrischen Erstling auf den Markt kommen könnte.
Müsste, könnte, würde – wenn Weckbach über die Zukunft der Studie spricht, nutzt er noch oft den Konjunktiv und lässt sich offiziell nichts zu den Aussichten für den Cross Turismo entlocken. Stattdessen berichtet er sogar von einem relativ geteilten Echo auf die Studie. Denn während sie in Europa begeistert waren vom Showcar, ist der Wagen den Amerikanern noch zu viel Kombi und zu wenig SUV.
So richtig zweifeln mag man trotzdem nicht an der Serienfreigabe. Erstens, weil das Auto einfach zu gut aussieht und als Softie-SUV perfekt in die Zeit passt. Zweitens, weil Porsche schließlich mehr als ein Modell braucht, wenn die Zuffenhausener tatsächlich bald ein Viertel ihres Absatzes mit Elektroautos bestreiten wollen. Und drittens, weil Porsche in den letzten 20 Jahren noch keine Studie gezeigt hat, die danach nicht in Serie gegangen wäre. Und ein paar Traditionen will man schließlich auch in der neuen Zeit hochhalten.

Maximilian Barcelli

Bei 7.000 Touren beginnt der Spaß für den mehr begeisterten denn begnadeten Autofahrer.

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