Im 8er BMW …
15 Stunden nach Le Mans
Zum spannendsten wie ereignisreichsten Motorsportereignis des Jahres reist man standesgemäß mit einem Sportwagen an. Vor allem dann, wenn dort nach knapp 30 Jahren dessen Nachfolger präsentiert wird.
Text: Franz J. Sauer / Fotos: Oliver Gast„Oder die Auspuffrohre, vier Stück, äußeres Zeichen innerer Stärke, aber irgendwie ein bisserl witzig, wenn man bedenkt, dass da eh nur mehr reine Luft rauskommt, kein ätzender Rauch, kaum schädliche Gase. Weil die Welt aber nun doch nicht ganz heil ist, findet der Höhepunkt der Frischluft im Innenraum statt.“ So schrieb die renommierte Autorevue anno 1989 über den damals brandneuen BMW 850i. Es scheint, als wäre die Abgasproblematik bei Autos damals weniger hysterisch abgehandelt worden als heute, andernfalls wäre Autor Skarics wohl damals ins Kittchen gewandert. Zu Unrecht natürlich. Weil er wollte ja bloß zum Pollenfilter des einst nagelneuen Ober-BMW hinleiten. Dieser war eine absolute Novität anno 89 und noch nicht in jedem Kleinwagen verbaut. So gestaltete sich der Innenraum des 850 bei Skarics zum „Traum für Allergiker“ oder auch zum „schnellsten Zivilschutzraum überhaupt.“
Die Voraussetzungen für eine längere Reise mit einem BMW 850i des Baujahres 1989 waren also perfekt. Keine schädlichen Umwelteinflüsse würden uns auf den 1.435 Kilometern von Wien nach Le Mans belästigen. Und auch in Sachen Fahrkomfort war BMW bereits Ende der Achtziger verblüffend nahe dran am perfekten Reiseauto. Bloß das flache Dach zwingt mich knapp Zweimetrigen zu einer ungewohnt liegenden Sitzposition. Doch das passt schon so in derart weichen Lederpolstern.
Wie man auf die seltsame Idee kommt, die knapp 15 Autobahnstunden westwärts von Wien zum 24-Stunden-Rennen zwischen Le Mans, Mulsanne und Arnage mit einem 29 Jahre alten Auto zurücklegen zu wollen, ist leicht erklärt. Nach Le Mans per Flugzeug oder Bahn zu reisen gilt unter genuinen Rennfreaks als Sakrileg. Und außerdem stellte BMW heuer in Le Mans den lang erwarteten Nachfolger des legendären 850er vor.
Wir würden also gewissermaßen eine launige Zeitreise erleben mit dem alten, gepflegten Herrn aus Privatbesitz, der trotz seines Oldtimerstatus nur 115.000 Kilometer auf dem Tacho trägt. Rein von der Strecke her ist die Passage in den Nordwesten Frankreichs für den Fahrer ziemlich fad, für das Auto ziemlich schonend. Autobahn nach Autobahn über Autobahn und damit Schluss. Den unvermeidlichen Verkehrsstau in der Gegend um Paris (da muss man vorbei) kompensiert man mit ein paar Vollgaspassagen im limitfreien Deutschland, ansonsten ist am Highway nach Le Mans niemals die Hölle los. Anders als mit einem aktuellen Reisegefährt, das über Abstandstempomat oder ähnliche Autonomitäten verfügt, läuft man im alten 850er allerdings viel seltener Gefahr, kurz mal letal wegzuknacken. Die Historie hält einen sozusagen wach und damit am Leben. Es kommen Erinnerungen auf. An den ersten 850er, den man damals auf der Straße sah. Wie ein Raumschiff aus einer fernen Welt materialisierte die Flunder aus Bayern, die den damals noch höchst barocken Stil der Coupés von Mercedes saftig konterkarierte. Außerdem erlaubte sich der große BMW viel mehr Eigenständigkeit gegenüber seinem viertürigen Cousin, dem 7er-BMW. Und überhaupt stand die damalige S-Klasse knapp vor ihrer Ablöse, während die Oberklasse der Bayern erst vor Kurzem tiefgreifend aufgefrischt worden war.
Damals faszinierten uns vor allem die Schlafaugen. Derlei kannte man zwar von diversen Italienern oder den Vierzylindern von Porsche. Aber bei BMW hatten sogar Schlafaugen einen eigenen Verve. Sie gingen nicht nur viel schneller auf und zu als alle anderen, sie blieben auch im Motorraum liegen, wenn man rundherum die Haube öffnete. Das hatte Sex, warum auch immer.
Auch die Lichtausbeute der schmalen Sehschlitze ist erstaunlich hoch, eine Kategorie, in der auch der neue 8er neue Wege ausleuchtet. Und sich daher für die Teilnahme an einem Langstreckenrennen besonders eignet. Ein trefflicher Zufall, wo doch der neue 8er-BMW das erste Sportfahrzeug der Bayern ist, das noch vor der Präsentation seiner Straßenversion an einer Sportveranstaltung teilnimmt. Nämlich in der GTE Pro-Klasse der 24 Stunden von Le Mans.
Welchen Status das Rennen von Le Mans unter Rennfahrern einnimmt, zeigt das Engagement von Fernando Alonso, der sich die Strapaz antut, während einer laufenden Formel-1-Saison in Le Mans zu starten. Sein Sieg beim ersten Antreten ist dann auch von ziemlich viel Euphorie und Freude gekennzeichnet, ganz anders etwa als der gleichzeitig erste Sieg seines Rennstalls Toyota Gazoo Racing, der schon ein paarmal auf Sieg gebürstet nach Le Mans reiste und jedesmal erfolglos heimkehrte. Diesmal klappte es dann halt, mit dem sauren Beigeschmack, gegen keinerlei wirklich ernst zu nehmende Konkurrenz in der LMP1-Klasse angetreten zu sein. Dennoch war eine gewisse Erleichterung auch bei den Toyota-Leuten zu spüren: Endlich am Ziel.
Den genuinen Le-Mans-Enthusiasten reizen die Stellungskämpfe in der wilden GTE Pro- Klasse sowieso viel mehr als das fade Spurgewechsel in der LMP1. Bei den GTs herrscht mehr oder minder Gleichstand bei den Leistungsdaten, außerdem hat es weit mehr Thrill, einer Corvette, einem Ford GT, einem 8er-BMW oder einem Porsche beim Vorbeiröhren zuzuhören, als einem Hybrid-Racer beim Säuseln.
Für das erste Antreten unter lauter Routiniers lieferte das BMW Werksteam eine echt brauchbare Show. Zwar schaffte es nur eines der beiden Autos ins Ziel und der letztlich 12. Platz in der GTE Pro-Klasse spiegelt keinesfalls den Rennverlauf wider, während dessen man stets in den Top Five mitfuhr. Gewonnen hat bei den GTE Pros die „Sau“, einer der beiden von Porsche eingesetzten 911 RSR im historischen Look (mit dem zweiten RSR im legendären „Rothmans“-Out t fuhr der Österreicher Richard Lietz auf den zweiten Platz).
Am Vorabend des Rennens präsentierte BMW an der Rennstrecke auch die Straßenversion des neuen 850i. Das schnittige Coupé definiert bei BMW eine ziemlich einzigartige Liga, genauso wie im Umfeld des Mitbewerbs, was Produktmanagerin Sarah Leßmann am Beispiel des ewigen Konkurrenten Mercedes-Benz auf den Punkt bringt: „Das S-Klasse Coupé ist eine S-Klasse mit zwei Türen weniger, der AMG GT ist ein reiner Zweisitzer. Da ist unser 8er-Coupé in beiden Fällen weit davon entfernt.“
Die Optik vermag jedenfalls zu begeistern, die Details wurden famos herausgearbeitet und der Automatik-Wählhebel materialisiert als Kristallkugel mit viel Blick in die Zukunft. Projektleiter Markus Flasch, ein Österreicher übrigens, weiß jedenfalls von rigoroser Kompromisslosigkeit zu berichten, wenn er von der Entwicklung des 8ers erzählt. Seine diesbezüglichen Erfahrungen haben wir in einem Interview direkt am Auto erfragt, es findet sich online unter: motorblock.at/interview-flasch