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Porsche Macan Turbo: Power ohne Provokation

SUV haben derzeit einen schweren Stand, erst recht wenn sie stark und teuer sind. Denn so sehr die Kunden vor allem nach kompakten Geländewagen gieren, so laut ist die Kritik an den vermeintlich übermotorisierten und übergewichtigen Vorstadtpanzern. Nicht die beste Zeit also für Porsche, um die Macan-Familie ein knappes Jahr nach dem großen Facelift mit den  serienmäßigen LED-Scheinwerfern, dem roten Leuchtenband am Heckdeckel und dem großen Touchscreen im Cockpit wieder mit einem Turbo zu krönen – zumindest auf den ersten Blick.

Von Thomas Geiger

Auf den zweiten Blick dagegen passt das Auto perfekt in die Zeit. Denn gemessen am gewaltigen Cayenne ist der Macan fast schon ein dezentes Auto und selbst als Turbo verkneift er sich einen allzu potenten Auftritt: Ja, unter der Heckschürze lugen jetzt vier Endrohre hervor und über der Heckklappe thront ein dezenter Spoiler. Aber wer auf Aufmerksamkeit aus ist, der wartet besser, bis im nächsten Jahr auch wieder ein Macan GTS angeboten wird. Der hat dann zwar nicht ganz so viel PS, dafür aber ein bisschen mehr Präsenz und Prestige.

Aber keine Sorge. Spätestens nach dem Anlassen ist der Turbo über jeden Zweifel erhaben: Wo im aktuellen Macan bislang bei 354 PS Schluss war und der letzte Turbo auf 400 PS kam, stehen jetzt 440 PS im Datenblatt und das maximale Drehmoment des 2,9 Liter großen V6-Motors gipfelt nun bei 550 Nm – genug, um das SUV im besten Fall binnen 4,3 Sekunden auf Tempo 100 zu wuchten und danach weiter bis 270 km/h zu beschleunigen.

Bei aller Kraft ist der Turbo dabei nicht auf Krawall gebürstet. Klar, mit offenen Schallklappen im Auspuff macht er aus seiner Power kein Geheimnis, und wer seinen Strich etwas flotter durch die Kurven zieht, ist dankbar für die strammere Abstimmung des adaptiven Fahrwerks und für das GT-Lenkrad aus dem Elfer, weil man den Zweitonner so besser im Griff hat und auf Kurs halten kann. Doch wo viele andere SUV mit so viel Power im Bemühen um den Beweis ihrer Sportlichkeit zu polterigen Knochenschüttlern werden, gibt sich der Macan fast schon komfortabel und ist so abgestimmt, dass die Passagiere keinen allzu hohen Preis für die Freude des Fahrers zahlen müssen. Selbst der Nachwuchs im Fond dürfte das Essen intus behalten, wenn sich der Fahrer auch nur halbwegs im Zaum hält.

So vergnüglich und sozialverträglich die Fahrt mit dem Macan Turbo auch ist, kann man das Top-Modell der Einstiegsbaureihe kaum als vernünftig bezeichnen. Aber das ist eine der wenigen Tugenden, auf die Porsche bereitwillig verzichtet. Und wer lieber auf seinen Verstand hört als auf sein Herz, der soll gefälligst den eng verwandten Audi Q5 kaufen oder am besten gleich einen VW Tiguan, der nüchtern betrachtet zwar weniger Performance bietet aber dafür praktischer ist. Bei Porsche jedenfalls ist er dann falsch.

Und ja, der Motor kommt schon auf dem Prüfstand auf einen Verbrauch von 9,8 und wer sich von der Leistung locken lässt, kann leicht mit drei, vier Litern Express-Zuschlag rechnen. Doch erstens hat natürlich auch das Top-Modell nun einen Otto-Partikelfilter und erfüllt so alle gängigen Schadstoffnormen, und zweitens geht Porsche dafür bei einer anderen Umweltbelastung mit großen Schritten voran. Während die EU gerade erst auf dem Weg zu neuen Grenzwerten und Gesetzen ist, haben die Schwaben im vorauseilenden Gehorsam schon einmal den Kampf gegen den Bremsstaub aufgenommen und im Macan neue Beläge mit 90 Prozent weniger Abrieb eingeführt.

Stärker und sportlicher als der bürgerliche Vetter aus Ingolstadt oder Konkurrenten wie ein BMW X3 und ein Mercedes GLC und lange nicht so krawallig wie die Kraftmeier der Werkstuner – so wird der Macan als Turbo zum Muskelprotz mit guten Manieren, der sich jede Provokation verkneift. Fas jede zumindest. Denn so dezent der Turbo auch auftritt, ist er nicht ganz frei von einem gewissen Aggressionspotential. Und das richtet sich ausnahmsweise mal nicht gegen die anderen, sondern ausgerechnet gegen die Kunden selbst. Denn die müssen beim ersten Blick in die Preisliste wahrscheinlich kräftig schlucken. Schließlich erhebt Porsche für den Turbo – mehr Leistung hin und üppigere Ausstattung her – einen ziemlich sportlichen Aufschlag von guten 25.000 Euro, so dass der Macan Turbo erst bei 91.922 Euro (D) startet. Dafür gibt es nicht nur bereits einen ordentlichen Cayenne, sondern da ist dann auch der Porsche 911 nicht mehr weit.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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