600 Kilometer Reichweite und 500 PS – mit dem BMW iX haben die Münchner kürzlich ihre Vision für die Zukunft vorgestellt. Mit dem X3 30e xDrive verweilen wir aber noch etwas in der Gegenwart.
Die grüne Beteiligung an der österreichischen Bundesregierung, sie wäre dieses Jahr fast nicht aufgefallen. Nicht falsch verstehen, Vizekanzler Kogler und Gesundheitsminister Anschober, beide Mitglieder des sogenannten virologischen Quartetts, haben manche Bürger öfter zu Gesicht bekommen, als die eigenen Arbeitskollegen. Gemeint ist hier also die fehlende klimapolitische Handschrift. Klar, bei einer so akuten Krise wie der Corona-Pandemie rückt der Umweltschutz in den Hintergrund. Aber das Jahr ist noch nicht vorbei. Auf der Zielgeraden bleibt noch Zeit für eine umfassende Öko-Steuerreform.
Generell zieht in der europäischen Automobilbranche ein Sturm auf – und Österreich befindet sich mitten im Auge. Die CO2-Flottengrenzwerte stehen vor der Tür, hierzulande wird jetzt eben auch die Nova verschärft – finstere Zeiten für Fans von hubraumstarken V8-Triebwerken und ähnlichen motorischen Freuden.
Die Reaktion der Hersteller auf den Sturm: Die Blitzentladung nutzen! In Zukunft will das BMW eben mit so Fahrzeugen, wie dem iX. Aber auch im Hier und Jetzt haben die Münchner Antworten auf CO2-Steuern und -Grenzwerte – zum Beispiel den BMW X3 30e. Stellt sich nur noch die Frage, ob der Plug-in-Hybrid auch eine Antwort auf den Klimawandel ist.
Wie bei allen PHEVs lautet die Antwort: kommt darauf an. Lädt man den X3 so fleißig wie sein Smartphone und ist überwiegend auf der Kurzstrecke unterwegs, dann ist der offizielle Verbrauch von 2,1 bis 2,4 Litern pro 100 Kilometer kein bisschen utopisch. Wer den X3 30e jedoch so oft ansteckt, wie ein Bartträger seinen Rasierer, der kann den angegebenen Verbrauch auch verfünffachen. Noch dazu, wenn er vor allem lange Strecken absolviert.
Das ist bei einem BMW X3 natürlich schade. Weil der nun mal zu jenen Autos gehört, in denen man gerne mehr Zeit verbringt, gerne lange reist. Dank der großartigen Verarbeitung und den hochwertigen Materialien – Leder und Softtouch sind die dominierenden Elemente – fühlt man sich pudelwohl. Dazu volldigitale Instrumente und ein tolles Infotainmentsystem, das sich auf verschiedenste Weise steuern lässt. Nämlich über Touch, Gesten-, Sprachsteuerung und – anders als etwa bei Audi – mit einem Drehregler.
Das Festhalten an analogen Bedienelementen ist unserer Meinung nach kein Fehler. Im Gegenteil: Sie machen das Leben einfacher. Außerdem zeigt BMW, dass man solche im Innenraum integrieren kann, ohne dass dieser altbacken aussieht. Fraglich ist nur, wie lange die Münchner diesen Weg noch gehen wollen. Blickt man nämlich ins Cockpit des iX, wird man von Minimalismus erschlagen. Immerhin durfte der Drehregler bleiben.
Es gibt freilich noch viele weitere Gründe, weshalb es sich mit so einem X3 30e gut lebt: Das Fahrwerk, beispielsweise, das an Harvey Specter erinnert: Einerseits ausrechend komfortabel, anderseits sämtliche Seitenneigungen im Keim erstickend. Oder der Antriebsstrang. So ein Reihensechser-Diesel? Klar, auch kein Fehler. Doch der turboaufgeladene 2-Liter-Vierzylinder mit seinen 184 PS bewegt den zwei Tonnen schweren Brocken souverän nach vorne, ist laufruhig und angenehm zurückhaltend. Dieser Eindruck wird natürlich auch von der hervorragenden Geräuschdämmung verstärkt.
Wenn sich jedenfalls auch der Elektromotor an der Beschleunigung beteiligt, sind dank 292 PS Systemleistung die 0 auf 100 km/h in 6,1 Sekunden möglich. Also pfeif drauf! Wäre doch viel zu schade, den X3 nur auf kurzen Strecken zu erleben. Nicht zuletzt deswegen, weil das Ding, so wie es dasteht (also top ausgestattet), fast 90.000 Euro kostet – obwohl die Nova bei 0% liegt.
Immerhin: Für Sprit geht auf der Langstrecke weniger Geld drauf, als erwartet. Mehr als 1.000 Kilometer haben wir abgespult, überwiegend auf Landstraßen und Autobahnen, überwiegend offensiv, und nur die ersten 40 Kilometer rein elektrisch. Das Ergebnis: etwas über zehn Liter auf 100 Kilometer. Klar, den Dieselfahrer stellt’s jetzt sämtliche Haare auf. Doch dafür, dass der Vierzylinder aerodynamisch unvorteilhafte zwei Tonnen antreiben muss, ist das schon mehr als akzeptabel. Ein „großer Stinker“, wie der Vizekanzler SUVs tituliert, ist der BMW X3 30e also selbst bei einer Vollladung alle 1.000 Kilometer nicht. Ein kleiner aber schon.