Mercedes erhöht die Spannung und erweitert das elektrische Angebot. Nachdem der EQC nun fast zwei Jahre lang alleine den Stecker hochhalten musste, gesellen sich in diesem Jahr gleich vier weitere Sterne zum ersten elektrischen Mercedes-SUV an die Ladesäule. Den Anfang macht dabei noch im Frühjahr der EQA, der als erster kompakter Stromer aus Stuttgart für Schätzpreise in der zweiten Hälfte der 40.000er zum Elektroauto für elitäre Einsteiger werden soll.
Anders als die es Studie von 2017 und das Typenkürzel vermuten lassen, basiert der EQA allerdings nicht auf der A-Klasse, sondern nutzt den GLA als Basis. Denn erstens kommen SUV weltweit gerade besser an, und zweitens bieten sie mehr Bauraum, in dem die Batterie verschwindet. Und davon brauchen sie beim EQA reichlich. Denn um auf die gut 420 Kilometer WLTP-Reichweite zu kommen, die uns die Ingenieure versprechen, sollten sie schon um die 70 kWh installiert haben. Das wiederum zwingt zu starker Ladetechnik, wenn die Standzeiten sozialverträglich sein sollen. Deshalb zieht der EQA den Gleichstrom im besten Fall mit 100 kW und kommt so binnen 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladestand.
Bei der ersten Ausfahrt in einem ziemlich finalen Prototypen des EQA 250 erlebt man den elektrischen GLA als souveränen Stromer, der ausgesprochen gelassen durch die Gegend gleitet. Für die Ruhe beim Reisen komplett von Karosserie und Chassis entkoppelt, geht der im Bug montierte Motor mit 140 kW zu Werke und macht den EQA mit seinem sofort verfügbaren Drehmoment zum König des Kavalierstarts. Beim Ampelsprint jedenfalls wähnt man sich eher in einem AMG als in einem Öko-Auto, und auch auf der Landstraße hält der EQA locker mit, zumal die üppige Batterie den Schwerpunkt senkt und Kurven deshalb sogar ein wenig mehr Spaß machen. Nur auf der Autobahn braucht man einen langen Atem und muss sich mit Rücksicht auf die Reichweite mit maximal 160 km/h bescheiden. Neben dem 250er plant Mercedes noch mindestens zwei weitere Varianten: Ein Performance-Modell mit zwei Motoren, Allradantrieb und mehr als 200 kW sowie einen EQA für die Langstrecke, der mit einer Ladung über 500 Kilometer weit kommt.
Die Tarnfolie auf dem Testwagen hätten sich die Schwaben dabei allerdings sparen können. Denn viel mehr als den dunklen Kunststoffgrill mit der durchgehenden LED-Leiste, aerodynamisch optimierte Felgen und ein paar Retuschen am Heck wird es außen kaum geben. Innen dagegen gibt es gar keine Camouflage – weil es nichts zu verbergen gibt: Sieht man einmal von den eigenwilligen und deshalb nur gegen Aufpreis lieferbaren Applikationen in Roségold ab, die Mercedes zum Erkennungszeichen seiner Elektroautos gemacht hat, unterscheidet sich der EQA nur noch in einem Detail vom GLA: Bei ihm flimmert die Ambientebeleuchtung nicht nur aus LED-Leisten, sondern erstmals glimmt die gesamte Konsole über dem Handschuhfach – standardmäßig natürlich in „Electric Blue“.
Mit dem EQA will es Mercedes vor allem Umsteigern und Elektro-Novizen leichtmachen und setzt deshalb nicht nur auf ein vertrautes Fahrgefühl, sondern auch auf das bewährte Bedienkonzept, das für die Arbeit mit den Akkus nur ein wenig erweitert wurde. So optimiert die Navigation Route und Reichweite nun auch unter Berücksichtigung von Temperatur und Topographie, sucht passende Ladesäulen entlang des Weges und kalkuliert bei der Ankunftszeit die Power-Pausen gleich mit ein. Und wer die Mercedes Me-App nutzt, kann damit nicht nur das Laden steuern und kontrollieren, sondern bekommt so auch problemlosen Zugang zu vielen hunderttausend Steckdosen in ganz Europa.
Gleichwohl bietet der EQA aber auch ein paar elektrische Eigenheiten. Nicht umsonst hat Mercedes gleich fünf Rekuperationsstufen unterschiedliche programmiert, die von kilometerweitem Segeln bis zum One-Pedal-Fahren reichen. Denn im stärksten Setting verzögert der zum Generator umgepolte Motor so stark, dass man die konventionelle Bremse kaum mehr braucht. Da steht der EQA dezidierten Stromern in nichts nach.
In einer anderen Disziplin kann der kompakte Mercedes mit ausschließlich für Akkus entwickelten Autos dagegen nicht konkurrieren: Beim Raumangebot. Zwar bietet der EQA bei knapp 4,50 Metern Länge genauso viel Platz für Kind und Kegel wie der GLA und nicht einmal im Kofferraum sieht man einen Unterschied. Doch sitzen die Hinterbänkler in einem Auto wie dem VW ID.3 trotz seines kleineren Formats deutlich besser, weil die Elektrotechnik dort geschickter integriert ist. Zwar räumen die Schwaben diesen Nachteil freimütig ein, haben aber für Kunden mit größerem Platzbedarf einen schnellen Trost: Nur ein paar Monate noch, dann folgt auf den EQA der EQB und alle Platzsorgen sind vergessen.