Lamborghini Huracán Sterrato: Stier für viel Schotter
Ist das Kunst, oder kann das weg? Ausgerechnet auf der Art Basel in Miami zieht Lamborghini jetzt das Tuch vom neuesten Ableger des Huracán und wird damit manch altgediente Bleifüße ein bisschen irritieren. Denn statt den V10-Sportler nach alter Väter Sitte noch ein bisschen tiefer zu legen, ihn noch ein paar Pfund leichter zu machen, noch mehr Spoiler dran zu schrauben und so das Tempo anzuziehen, stellen die Italiener ihr Einstiegsmodell auf Stelzen, machen einen Sportler für schlechte Wege daraus und nehmen sogar Abstriche bei der Höchstgeschwindigkeit in Kauf.
Dafür allerdings fängt der Hurracan mit dem Beinamen Sterrato jetzt wieder alle Blicke. Denn das geschätzte 250.000 Euro teure Coupé steht nicht nur gute vier Zentimeter höher, sondern hat auch gute drei Zentimeter mehr Spurweite und steckt in einer Rüstung aus rustikalen Kunststoffplanken, die den edlen Lack schützen sollen: Am Bug und am Heck, entlang der Gürtellinie und vor allem um die weit ausgestellten Radhäuser wappnet sich der Stier so für den Kampf mit den Elementen. Und damit dem Motor dabei im Dreck nicht die Puste ausgeht, gibt es eine Art XXL-Schnorchel auf dem Dach, während Zusatzscheinwerfer auf der Haube dem Fahrer auch im dichtesten Sandsturm die Sicht sichern sollen.
Während die Entwickler zudem einen Rallye-Modus unter die Fahrprofile programmiert und den Allradantrieb entsprechend optimiert haben, baut die Motorenmannschaft auf vertraute Ware: Sie installiert beim Sterrato die auf 610 PS abgespeckte Version des 5,2 Liter großen V10-Motors, der im Huracán seine Abschiedsvorstellunggibt. Wie sonst in der Heckantriebsversion sind das 30 PS weniger als beim Allrad-Coupé. Aber bei 565 Nm dürfte trotzdem keine Langeweile aufkommen – zumal Lamborghini das Spitzentempo mit Rücksicht auf die Reifen leicht limitiert hat. So sprintet der Sterrato zwar in 3,4 Sekunden auf Tempo 100 und wird dabei reichlich Staub aufwirbeln. Doch statt mehr als 325 km/h wie auf der Straße erlauben die Italiener hier nur 260 km/h.
Schuld daran sind maßgeblich die grobstolligen Bridgestones, die auf die eigens für den Sterrato gestalteten 19-Zöllner aufgezogen werden. Aber dafür haben diese Gummis einen anderen Vorteil: Damit die ernsthaften Abenteuer unter den Angebern im Zweifelsfall nicht laufen müssen, fahren sie mit ihrer Runflat-Technik zur Not auch auch 80 Kilometer weit ohne Luft. Mit dem Platz für ein Reserverad wird es beim Huracán schließlich schwierig.
So abgedreht der aufgebockte Spitzensportler auch erscheinen mag, ist das freilich keine ganz neue Idee. Denn schon vor ein paar Wochen hat Porsche auf der Motorshow in Los Angeles den nach einem ganz ähnlichen Muster gestrickten 911 Dakar präsentiert – und der beruft sich auf die Stuttgarter Safari-Rennwagen aus den 1980ern.
Dass diese Idee allerdings gerade jetzt wieder aktuell wird, werten Experten wie Designprofessor Lutz Fügener von der Hochschule Hof als durchaus positives Zeichen. Denn erstens sehe jeder noch so offroad-bewährte Sportwagen allein durch seine Proportionen und seine Form stets besser aus als ein herkömmliches SUV. Und zweitens entstehe das vielleicht gerade der lange ersehnte Gegenentwurf zum alles beherrschenden Luxus-SUV.
Ob der Sterrato deshalb jetzt also Kunst ist oder weg kann? Die haben die Kunden wahrscheinlich längst entschieden. Denn Lamborghini baut gerade mal 1.499 Exemplare des Sportwagens auf Stelzen und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn die nicht längst alle weg wären.