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Porsche Taycan Turbo GT: Der stärkste Porsche bis zum heutigen Tage

Er ist rein von den Leistungsdaten her das schnellste, straßenzugelassene Fahrzeug, das Porsche je auf vier Räder gestellt hat. Allerdings ist der Porsche Taycan Turbo GT ein Voll-Elektriker. Schafft er es trotzdem, die eingefleischte Markenklientel zu begeistern?

von Franz J. Sauer / Fotos: Philipp Steyrer / madnice automotive

1.034 PS, 2,2 Sekunden auf 100, Spitze 305 km/h, trotzdem eine Reichweite von über 500 Kilometern nach WLTP. Ausserdem sorgt die bekanntlich wundervolle 800 Volt System-Technologie für superschnelles Aufladen, wenn die Infrastruktur hält, in 20 Sekunden hat man 400 Kilometer Reichweite nachgeladen. In einem reinrassigen Supersport-Auto übrigens, das alles, was Porsche bislang an Wunderbarkeiten auf vier Räder gestellt hat, in den bloßen Leistungsdaten in den Schatten stellt.

Trotzdem glühen Motoristen-Äuglein noch immer leuchtender und feuchter auf, wenn sie einem, sagen wir mal, Porsche 911 Turbo der aktuellsten Baureihe hinterhersehen. Obwohl der gerade Mal zwei Drittel der Leistung des Taycan auf die Straße stemmt. Das größte Problem des derzeit stärksten Porsche für die Straße ist sein rein elektrisches Wesen. Ein Auto, das aus der Zukunft stammt, besser geht als alles bislang dagewesene – und trotzdem nicht ganz ernst genommen wird. Wie kann das sein?

Tja, die gute alte Zeit und das ewige Geraunze drumherum. Wir werden es nicht los werden, niemals nicht, und warum die Gattung all jener, die der Marke Porsche schon immer und bis auf weiteres völlig zugetan ist, nach wie vor als „Benzinbrüderschaft“ bezeichnet wird, hat wohl auch seine Gründe. Es braucht eine gewisse Rekalibirierung weg von irgendwelchen Voreingenommenheiten, hin zu einer unbeschwerten Ergebnisoffenheit, bevor man erstmals im Super-Taycan Platz nimmt, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Erst dann kann man restlos begeistert von ihm sein.

Bistu deppat!

Von diesem Auto und seiner schieren Leistungsgewalt nicht beeindruckt zu sein, würde nämlich von einer gewissern Realitätsferne zeugen, wenn man sonst auf Supersportautos steht. Das Ding schiebt an, wie selten was, dagegen fühlt sich die Startphase im Verkehrsflugzeug wie ein Ausflug mit Opas Rollator an. Zuerst ist ein bissl Computerspielen angesagt, um sich durch die diversen Mapping-Menüs zu switchen, um letztlich jene Overboost-Funktion im Sport Plus Modus zu aktivieren, die einem für insgesamt 10 Sekunden nachhaltig den Atem raubt, wenn man sich wirklich getraut, der Kiste voll reinzusteigen.

Man fasst nicht, was da abgeht, hat noch lange nicht zu sich selbst zurückgefunden, während man längst wieder auf vollster Stufe rekuperiert, um hastig in wieder legale StVo-Bereiche zu gelangen (ausser man brettert, so wie wir natürlich, in Deutschland dahin). Und nun hört man also auch von Rennstreckentests, wo Leute wie Timo Bernhard vor der schieren Beschleunigung des Taycan Turbo GT Respekt kriegen. Und dann doch einen halben Tag bis Tag brauchen, bis sie aus diesem Wagen so viel Kooperationsbereitschaft herauskitzeln können, auf dass mittlerweile auf drei Kontinenten Streckenrekorde (Shanghai / Laguna Seca / Nürburgring) herausgefahren wurden.

Es fehlen auch dem Vollprofi die Inertialsysteme, eh klar. Mehr als man meint orientiert man sich am Motorengeräusch, das dem reinen Elektriker klarerweise fehlt, ist sein Pulswechselrichter auch noch so groß. Er bremst anders, beschleunigt anders, geht anders in die Kurve als der Benzin-Renner. Wie soll sich dann also eine reine Straßenverkehrs-Nulpe wie ich auf Anhieb in einem Überdrüber-Teil wie diesem zurecht finden, auf dass es Sinn macht, damit ein bissl, hm, anzugasen?

Alltags-Wahnsinn

Die Antwort ist einfach: gar nicht. Was auch hier stattfindet, mindestens so geil wie im Elfer oder sonst wo, wo Porsche draufsteht: Lenkung, Fahrverhalten, Ansprechen, Verarbeitung, Qualitätsgefüge: Alles großartig. So wie es sein soll und noch viel besser. Dass ich nicht wirklich in den Schalensitz aus Karbon passe, ist mehr meine Schuld als die des Autos (und es gibt aufpreisfrei relativ normale, bequeme Sitze dazu). Und dass hier anstelle von zwei Rücksitzen eine harsche Karbon-Platte Batterien und Komponenten beim heiß werden abschirmt, spart immerhin im Zusammenspiel mit dem Rest vom sogenannten „Weissach Paket“ insgesamt 70 Kilogramm. Das ist nicht nix im Infight. Und hat auch seinen Anteil daran, dass das Teil eine ganz normale Alltagsreichweite liefert, um die es von manch anderem Kompakt-Elektriker rundum beneidet wird.

Überhaupt, der Alltag. Während Supersportler dieser Kategorie, nehmen wir als Beispiel den allseits beliebten Porsche 911 GT3 RS her, im gemeinen Innenstadt-Gestaue, am Weg zum Supermarkt oder bei sonstigen, automobilistischen Banalitäten einen langsamen aber umso merkbareren Tod sterben, hat der Taycan Turbo GT mit all dem absolut keine Probleme. Im Gegenteil: Er rauscht ebenso vergnügt über den Wiener Gürtel um fünf Uhr Nachmittags, wie er es auf irgendeiner Rennstrecke fliegen lässt, als gäbe es kein morgen. Ob derlei die Porsche Supersportler-Kundschaft von ihm überzeugen wird, bleibt vorerst fraglich. Der Kaufpreis der Fuhre ist jedenfalls auch ohne staatliche NoVA-Zugabe in einer Preisregion angelangt, die Stückzahlen im allgemeinen eher niedrig hält: wir sprechen hier von einem Verkaufspreis von 243.000 Euro.

Franz J. Sauer

Liebt Autos, weiß auch ein bissl was, schwurbelt schön drum herum und springt für SUV in die Bresche.

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