DriveMEDIUM

Die alten Werte

Dass bei einem Hersteller-Track Day auch Elektroautos über den Rundkurs flitzen, ist heutzutage fast schon Standard. Den direkten Vergleich im Eins gegen Eins meiden die Marken aber in der Regel ganz bewusst. VW hat auf dem Salzburgring aber den ID.5 GTX ins Rennen gegen den Golf R „20 Years“ geschickt.

Fotos: Hersteller

Okay, ganz stimmt das mit dem „ins Rennen geschickt“ nicht. Denn auf dem Rundkurs heizt nur der klassisch benzinbetriebene Kompaktsportler dahin. Wäre auch sinnlos, schließlich hat der Golf R einen Nürburgringrekord aufgestellt, während der ID.5 GTX bei 180 km/h abgeriegelt ist. Das wäre auf dem Highspeedlayout des Salzburgrings wahrlich kein faires Match. Bei einem Drag Race auf dem Infield sieht es schon anders aus. Denn auch wenn er mit 299 PS um 34 unterlegen ist und satte 700 Kilogramm mehr wiegt, profitiert der Elektriker hier massiv vom Drehmomentvorteil direkt am Start. Auf den ersten Metern sieht der Golf R da kein Land, hintenheraus holt er aber rasant auf. Erstaunlich: Sogar mit aktivierter Launch Control kann der wilde Verbrenner dem ID.5 nicht sofort entfliehen. Die optimale Sprintzeit von 4,6 Sekunden gegenüber den 6,3 des Stromers stellt dann aber nach wenigen dutzend Metern die Kraftverhältnisse klar.

Auf dem Papier sind diese Umstände ja bekannt. Aber selbst kommt man doch kaum dazu, mal so ins Drag Race zu gehen, ganz ohne Rücksicht. Schon beeindruckend, wie nahe der Akku-Koloss dem so durch und durch sportifizierten-Golf R kommen kann. Das gilt natürlich nur für die Gerade. Auf dem Ring selbst ist der Golf R „20 Years“ der König aller R-Modelle. Leider, wie es am Salzburgring sowieso ein Naturgesetz ist, bleibt die Strecke nicht von Niederschlag verschont. Mit Semi-Slicks ist da eine gewisse Vorsicht geboten. Während wir uns der Haftungsgrenze also nicht bis zum allerletzten Quäntchen nähern sollten, zeigt der Wolfsburger dennoch deutlich, dass er mit einem normalen Golf nicht mehr allzu viel zu tun hat.

Zu satt klebt er auch bei diesen schwierigeren Verhältnissen in der Kurve, zu brachial schießt er aus selbiger wieder heraus. Und hört auch nicht auf mit dem Schießen. 180, 200, 220 – da vergeht die Start-Ziel-Gerade wie im Fluge. Mehr Sport braucht niemand, der nicht unbedingt auf eine Supersportflunder besteht.

Es ist offensichtlich, dass VW mit dem diesjährigen Track Day-Programm zeigen möchte, dass Elektroautos auch ordentlich was auf dem Kasten haben. Dass wir alle keine Angst haben sollen, dass die automobile Zukunft langweilig werden könnte. Denn rein bei der Alltagstauglichkeit sind die Elektriker sowieso längst auf Augenhöhe unterwegs – nein, wir verfangen uns jetzt nicht in Reichweitendiskussionen. Aber alle alten Werte der Benzinbrüder können Elektroautos nicht widerspiegeln. Müssen sie auch nicht, schließlich schaffen sie neue Werte. Die haben halt weniger mit dem Gehör- und Geruchssinn zu tun, aber Adrenalin ausschütten können sie ebenfalls. Rennstreckenmaschinen sind sie allermeistens (noch) nicht. Aber auch da wird sich in Zukunft sicher mehr tun. Wir freuen uns drauf.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

Weitere Beiträge

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"