Aston Martin Lagonda neu – der Superbrite
Aston Martin Lagonda neu: bereits ungetarnt unterwegs.
Er kommt!
Mit etwas Glück trifft man den neuen Super-Briten bereits auf öffentlichen Straßen: Der offiziell angekündigte Nachfolger des legendären Aston Martin Lagonda wird gerade im Oman an die Serienfertigung herangereift.
von Thomas Geiger
Mittlerweile ist es zwar genau 26 Jahre her, dass bei Aston Martin der letzte Lagonda vom Band lief. Doch vergessen haben die Briten die Marke nicht. Im Gegenteil: Im nächsten Jahr feiert sie ihre Comeback. Und zwar nicht wie befürchtet mit einem unförmigen SUV im Stil der Genfer Studie von 2009, sondern wie es sich gehört: Mit einer Limousine, die luxuriöser kaum sein könnte. In Handarbeit gebaut und wahrscheinlich über eine Million teuer, soll sie in Handarbeit gebaut und ausschließlich in den Emiraten verkauft werden – und zwar nicht im freien Handel, sondern „by intivation only“, wie die Briten mit ihrem ganz eigenen Snobismus verkünden.
Zwar ließen erste Skizzen ein ziemlich schräges Design vermuten. Doch ganz so schrill und spektakulär wie das letzte Original dürfte der neue Lagonda dann noch nicht werden: Denn schon von außen war der Donnerkeil aus den Siebzigern ein Affront gegen die romantische Beulenpest der Konkurrenz: Wo Jaguar & Co noch in weichen Rundungen schwelgten, hat Designer William Towns seine Limousine wie mit der Rasierklinge aus dem Blech geschnitten.
Auch mehr als drei Jahrzehnte nach ihrer Premiere wirkt die unkonventionelle Luxuslimousine weniger wie ein Auto als wie ein etwas angestaubtes Raumschiff, das auf der Milchstraße die falsche Ausfahrt erwischt hat. Aber nicht nur Design und Technik waren einzigartig, auch der Preis sprengte alle Vorstellungen: Je nach Modelljahr und Wechselkurs kostete der Lagonda über 300 000 Mark (2,1 Mio Schilling) und war damit knapp vor dem Rolls Royce Silver Spirit und um Längen vor der Mercedes S-Klasse der teuerste Viertürer seiner Zeit. Und der schnellste war er mit seinem 300 PS starken V8-Motor auch: Denn 230 km/h hat damals keine andere Limousine geschafft.
Aston Martin Lagonda: Der Alte
Die Kanten sind messerscharf, und der Blick ist schon aus den normalen Nebel- und Zusatzscheinwerfern so stechend, wie man ihn heute erst langsam wieder mit den LED-Scheinwerfern kennen lernt. Sobald aber der Fahrer die Augenklappen öffnet und eine zweite Batterie von Scheinwerfern zündet, greift der Gegenverkehr selbst nachts zur Sonnenbrille und fürchtet, dass ein Jumbojet die Landebahn verfehlt hat.
Als Alternative zu den eleganten Sportwagen von Aston Martin sollte der Lagonda ein komfortabler Viersitzer werden. Deshalb hat Towns den Reise-Renner radikal in die Länge gezogen, ohne dabei die Proportionen zu korrigieren: Es bleibt bei der ebenso langen wie flachen Haube und dem nicht einmal brusthohen Dach. Dafür allerdings spendiert der Designer dem Lagonda knapp drei Meter Radstand, streckt ihn auf 5,30 Meter, schneidet vier winzige Türen ins Blech uns stückelt hinten noch eine Kiste für zwei Koffer und einen Reisemantel an. Den meisten Platz darin brauchen allerdings das Reserverad und der 127 Liter große Tank, für den es direkt neben der Hutablage gleich zwei Einfüllstutzen gibt.
War schon das Design des Lagonda futuristisch, war das Innenleben pure Science Fiction. Das Lenkrad schwebte im Raum wie in Batmans Dienstwagen, und wo damals noch klassische Rundinstrumente über Tempo und Drehzahl informierten, flackert im riesigen Leuchtpult das erste digitale Cockpit der Autowelt und macht den Fahrer zum Weltraumpiloten: Statt gewöhnlicher Schalter gibt es in schwarzem Kunststoff eingelassene Sensortasten, die Klimasteuerung erinnert verdächtig an das Mischpult eines Londoner Discjockeys und überall flirren rote Leuchtziffern durchs Blickfeld. Sogar einen Sprachcomputer hatten die Briten schon eingebaut, der Warnhinweise in Englisch, Französisch, Deutsch und Arabisch abspulte.
Teurer als ein Rolls
Zwar bot Auto allen erdenklichen Luxus und war teurer als jeder Rolls Royce. Doch zum wirklich feudalen Viersitzer hat es dem Lagonda trotz seiner wolkenweichen Lederfauteuilles nicht gereicht: Zu gering war die Kopffreiheit und zu knapp der Platz im Fond, als dass man darin reisen statt rasen wollte. Obendrein waren die Türen hinten so klein, dass man dort anfangs nicht einmal die Fenster öffnen konnte. Weil auch das Glasdach nur Attrappe war, haben die Briten lieber schattenspendende Vorhänge und eine zweite Klimaanlage in den Fond montiert.
Konventioneller Antrieb
So exaltiert das Design und so exotisch die Technik im Cockpit, so konventionell geht es unter der Haube zu. Dort bauen die Engländer ihren damals üblichen V8-Motor aus den Sportwagen ein, der Ihro Merkwürden gehörig Dampf macht: 300 PS und fast 500 Nm reichen auch bei einer müden Dreigangautomatik und über zwei Tonnen Leergewicht, um die Frackschöße ordentlich fliegen zu lassen. Heute schafft man das mit jedem VW Passat. Aber vor 30 Jahren verschlug es Limousinen-Fahrern bei einem Sprint in unter acht Sekunden oder bei 230 km/h förmlich die Sprache.
Mit dieser Mischung kommt der Lagonda bei den Kunden auf Anhieb prima an. Nur die Produktion bekommt Aston Martin partout nicht in den Griff. Über eine Woche schrauben die Briten an jedem Auto, müssen die Schickeria um zwei Jahre Geduld bitten und permanent neue Lösungen fürs Cockpit suchen. Zwar rettet der eilige Exot tatsächlich die Firma, doch bleiben die Stückzahlen deshalb bescheiden. Gerade einmal 645 Exemplare laufen vom Band, bis Aston Martin den Lagonda 1989 endgültig einstellt.
Aber bald wird alles wieder gut. Und wer kann, kann sich einen neuen Lagonda bestellen!