McLaren Honda – Sand im Comeback-Getriebe
Es gibt nur ganz wenige Formel-1-Teams, die den Sport über Jahrzehnte so geprägt haben, wie McLaren-Honda. 2015 ist nun also das Jahr des Comebacks einer Fahrzeug-Motoren-Kombination, die unter anderem untrennbar mit dem legendären Stallduell Ayrton Senna gegen Alain Prost und der damit einhergehenden Dominanz in den auslaufenden 80er-Jahren der Formel-1-WM verbunden ist. Doch die lang ersehnte Rückkehr der Japaner entwickelt sich nach Test-Rückschlägen, dem Alonso-Unfall und einer seit heute evidenten Qualifying-Schmach langsam aber sicher zum Geduldsspiel.
Text: Manfred Wolf
McLaren ist nicht irgendein Formel-1-Team. Genau genommen ist es das zweiterfolgreichste Team in der Formel-1-Geschichte, übertroffen nur von der italienischen Legende Ferrari. Daneben darf man mit Fug und Recht behaupten, dass McLaren das einzige Team ist, das den (fiktiven) „Grand Slam“ des Motorsports geholt hat, sprich, das beim Großen Preis von Monaco, dem 500-Meilen-Rennen von Indianapolis, dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen und darüber hinaus sowohl in der Formel-1-WM als auch in der ChampCar-Meisterschaft Gesamtsiege geholt hat. Alleine in der Formel 1 blickt McLaren bei 761 gefahrenen Rennen auf 182 Siege, 155 Pole-Positions, 153 schnellste Rennrunden und in der Folge auch auf acht Konstrukteurs- sowie 12 Fahrer-WM-Titel zurück.
Und Honda ist nicht irgendein Motorenlieferant. Gleich die Hälfte der acht Konstrukteurs-Titel und immerhin ein Drittel der zwölf Fahrer-Titel gingen auf das Konto der Zusammenarbeit mit den Japanern, die von 1988 bis 1992 dauerte und von 1988 bis 1991 je vier Titel in Folge brachte – eine ebenso beeindruckende Serie. Dabei sorgte in diesen Jahren vor allem die spektakuläre wie kontroverse Fahrer-Paarung aus dem unvergessenen Brasilianer Ayrton Senna und dem Franzosen Alain Prost für Aufregung – die gegenseitige Abneigung der beiden gilt bis heute als legendär und gipfelte in den beiden „Suzuka-Kollisionen“ von 1989 und 1990.
McLaren Honda – gloriose Zeiten
Aus österreichischer Sicht war die Kombination McLaren-Honda vor allem in den Jahren 1990 bis 1992 interessant, als Gerhard Berger die unverkennbaren, rot-weißen Autos bewegte. Gegen den übermächtigen Ayrton Senna hatte Berger jedoch nie wirklich eine Chance, und so musste er sich mit einzelnen Siegen (z.B. in Kanada und Australien im Jahr 1992) sowie mehreren Podestplätzen begnügen. In dieser Zeit entwickelte sich allerdings eine enge Freundschaft zwischen dem Ausnahmetalent Ayrton Senna und dem Lebemann Gerhard Berger, von der beide Seiten profitierten und die für zahllose Anekdoten sorgte.
Die Erwartungen an ein Formel-1-Comeback von Honda konnten also schon alleine aufgrund der Vorgeschichte hoch, wenn nicht zu hoch sein, was dem geneigten Formel-1-Fan spätestens jetzt, nach dem ersten Qualifying der Saison 2015, augenscheinlich wird. Verwundern dürfen die (beiden letzten) Plätze 17 (Jenson Button) und 18 (Kevin Magnussen) aber trotzdem nicht. Nach dem desaströsen Verlauf der Wintertests, bei dem das Team die Kombination aus McLaren-Chassis und Honda-Motor, genannt MP4-30, so gut wie nie richtig zum Laufen brachte, war es fast zu erwarten, dass im Comeback-Jahr ein schwieriger Saison-Verlauf droht. Dass aber nach dem ersten Qualifying auf die Pole-Zeit von Mercedes-Pilot Lewis Hamilton mehr als fünf Sekunden (der „Schnellere“ war Jenson Button mit 1:31.422 Min.) fehlen, damit hatten nicht einmal die größten Pessimisten gerechnet.
McLaren Honda 2015: Hintennach
Hondas Motorenchef Yasuhisa Arai, für die Konstruktion des 1.6 Liter V6 Motors mit der internen Bezeichnung RA615H verantwortlich, führt den riesigen Zeitabstand unter anderem auf die „hohen Temperaturen“ zurück, bei denen man noch nicht testen konnte. Ohne diese Tests habe man die Leistung des Antriebs vorsorglich gedrosselt (auf den langen Geraden von Melbourne fehlten dem McLaren-Honda rund 20 km/h!) weil man keinen Motorschaden riskieren wolle. Wenn man bedenkt, dass es in Malaysien vermutlich fast doppelt so heiß sein wird wie in Australien, dann verheißt das nichts Gutes. An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, wo der Hund begraben liegt: Sind es die Regularien der FIA (Stichwort „Kosteneinsparungen“), die Global Playern wie Honda unzumutbare Hürden in den Weg räumen? Oder hat man bei Honda schlicht und ergreifend die Hausaufgaben nicht gemacht?
Zu allem Überfluss ist nach wie vor nicht klar, ob der in Melbourne rekonvaleszente Star-Pilot Fernando Alonso beim Großen Preis von Malaysien in Sepang wieder an den Start gehen kann. Und ebenso unklar ist nach wie vor die Ursache für Alonsos dramatischen Unfall beim letzten Wintertest in Barcelona, der ihn – offiziell aufgrund einer Gehirnerschütterung – außer Gefecht setzt. Während Alonso auf Twitter Bilder postet, die belegen sollen, dass es ihm gut geht, tauchen täglich neue Spekulationen zu seinem Gesundheitszustand und der Unfallursache auf. Offiziell spricht das Team von starkem Seitenwind, der den McLaren-Honda von Alonso „entgleisen“ ließ, beim darauf folgenden seitlichen Anprall an die Mauer sei die schwere Gehirnerschütterung von Alonso zu Stande gekommen.
Wurz untersucht
Klarheit soll nun eine offizielle FIA-Untersuchung bringen, die Alexander Wurz (als Vorsitzender der Fahrervereinigung GPDA) leitet. In einem Brief an alle aktiven Piloten der Formel-1-Weltmeisterschaft, der auch öffentlich gemacht wurde, warnte Wurz davor, voreilige Schlüsse zu ziehen und Gerüchten zu glauben, die immer wieder von einem Stromschlag durch das Energie-Rückgewinnungssystem KERS sprechen. Vielmehr bat der Niederösterreicher seine Kollegen um Geduld. Etwas, von dem vor allem das McLaren-Honda Team in diesem Jahr noch eine große Portion brauchen wird.