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Audi e-tron: Auch Audi schwimmt mit dem Strom

Auch Audi schwimmt mit dem Strom

Der brandneue Audi e-tron

Jahrelang konnte Elon Musk in der Komfortzone kuscheln. Denn wie das Kaninchen vor der Schlange waren die etablierten Luxushersteller in eine Schockstarre verfallen und hatten den elektrischen Luxuslinern aus Kalifornien nichts entgegenzusetzen. Doch jetzt sind die hohen Herren aufgewacht und blasen zur Jagd auf den Messias der neuen Mobilität. Nachdem Jaguar den i-Pace schon verkauft und Mercedes gerade den EQC enthüllt hat, reiht sich nun auch Audi ein in die Schar der Telsa-Jäger und lässt endlich den e-tron von der Leine. Nach zwei Jahren PR-Gewitter und Vorspiel im Verkauf soll er noch Ende des Jahres zu Preisen ab etwa 80.000 Euro in den Handel kommen.

Von Thomas Geiger
Dafür gibt es – wie könnte es aktuell auch anders sein – ein schnittiges SUV, für das Audi seine Designsprache nur vorsichtig weiterentwickelt hat: Nochmal eine neue Spielart des ewigen Single-Frame-Grills, spektakuläre Scheinwerfer und ein Coupé-Heck wie ein UFO sollen den Aufbruch in eine neue Zeit zeigen und trotzdem Millionen von Bestandskunden mitnehmen, sagt Designchef Marc Lichte.
Das gilt auch für den Innenraum des Hoffnungsträgers, der bei 4,90 Metern Länge und 2,93 Metern Radstand reichlich Platz auf allen Plätzen und für bis zu 660 Liter Gepäck bietet. Denn im Prinzip kennt man das Layout mit digitalem Cockpit und den beiden riesigen Touchscreens schon von Q8 & Co. Doch im e-tron wirkt es alles noch ein bisschen futuristischer, weil es anders beleuchtet ist, die Grafiken neu programmiert wurden und der Wählhebel für das Getriebe aussieht wie in einem Raumschiff.
Was neu ist im e-tron, das ist die effiziente Raumausnutzung. Denn anders als Mercedes beim EQC machen die Bayern von den Vorteilen der elektrischen Architektur Gebrauch und schaffen damit zum Beispiel einen flachen Wagenboden ohne Kardantunnel, so dass Hinterbänkler bequem füßeln können. Zwischen den Vordersitzen gibt es eine Ablage größer als die Kommode daheim im Wohnzimmer und unter dem Bug haben sie noch „Frunk“ eingebaut: Dieser „Front-Trunk“ bietet 60 Liter Stauraum und ist damit groß genug zum Beispiel für das Ladekabel.
Angetrieben wird das elektrische Dickschiff von zwei E-Maschinen, die zusammen 300 kW leisten und, wie es sich für Audi gehört, bei Bedarf einen Quattro-Antrieb simulieren. Sie beschleunigen den e-tron in weniger als sechs Sekunden auf Tempo 100 und nur mit Rücksicht auf die Reichweite schaltet die Elektronik bei 200 km/h ab.
Gespeist aus einem stolze 95 kWh großen Akku im Wagenboden kommt der e-tron auf dem Prüfstand mehr als 400 Kilometer weit. Damit er diesem Wert auch in der Praxis zumindest halbwegs nahekommt, hat Audi alle Register gezogen: Es gibt eine aufwändige Rekuperation mit mehreren individuell einstellbaren Stufen, die rund 30 Prozent zur Reichweite beiträgt. Es gibt jede Menge Leichtbau. Und vor allem hat der e-tron die windschnittigste Karosserie im Q-Stall der Bayern. Nicht umsonst haben die Designer den Kühlergrill nahezu komplett geschlossen, den Unterboden mit kleinen Dellen gespickt wie bei einem Golfball und zum ersten Mal bei einem Serienauto auf die Spiegel verzichtet. An deren Stelle prangen nun kleine Video-Kameras, die ihre Bilder auf Displays in den Türen übertragen. Und als wäre das noch nicht fancy genug, kann man darauf sogar mit den Fingern zoomen und sich die Warnhinweise der Assistenzsysteme einblenden lassen. Um so unverständlicher ist es allerdings, dass der Innenspiegel noch aus konventionellem Glas ist. Den haben sehr viel weniger ambitionierte Hersteller schon längst durch Kameras ersetzt.
Nicht ganz so futuristisch wie der iPace, aber moderner als der EQC, wie immer ein faszinierendes Interieur und ein Design, das zumindest ein bisschen nach vorne weist, ein respektable Reichweite und Fahrleistungen auf dem Niveau der Konkurrenz – ob das für Audi reichen wird für die Pole-Position an der Ladesäule, das wird die Zukunft zeigen müssen. Doch zumindest soviel ist mit dem e-tron sicher: Die Zeit in der Komfortzone ist für Elon Musk bald endgültig vorbei.

Jakob Stantejsky

Freut sich immer, wenn ein Auto ein bisserl anders ist. Lieber zu viel Pfeffer als geschmacklos.

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