Herr der (vier) Ringe
Der neue Audi Q8
Von Thomas Geiger
Nachdem Audi mit diesem Konzept im Vergleich zu den anderen deutschen Nobelherstellern eigentlich eine Generation zu spät dran ist, haben die Bayern wenigstens ihren eigenen Zugang zum Segment gefunden und nicht eine weitere X6-Kopie auf die Räder gestellt. Der Q8 sieht deshalb zwar sportlicher und schnittiger aus als der Q7 – nicht umsonst ist er drei Zentimeter breiter, vier Zentimeter flacher und sieben Zentimeter kürzer, hat einen nagelneuen Kühlergrill und obendrein kaum ein gemeinsames Blechteil mit seinem braven Bruder. Außerdem ist er das erste SUV-Coupé, das sich tatsächlich rahmenlose Seitenscheiben erlaubt. Aber er ist trotzdem lange nicht so spitz positioniert und so provokant gezeichnet wie das Konkurrenzmodell aus München.
Mit diesem Auftritt mag der Q8 deshalb nicht so viel Eindruck schinden und Aufmerksamkeit erregen. Doch dafür punktet er innen um so mehr. Vorn, weil der Q8 eigentlich ein aufgebockter A8 ist und man deshalb im neuen Hightech-Cockpit von Audi sitzt, in dem es kaum mehr einen Schalter und stattdessen riesige Touchscreens mit haptischem Feedback gibt. Außerdem übernimmt er von den LED-Scheinwerfern bis zum Kreuzungsassistenten und dem fernbedienten Parken alle Assistenten aus dem Top-Modell. Und hinten, weil man im Q8 anders als im X6 oder im GLE Coupé wirklich bequem sitzen kann. Schließlich ist nicht nur das Dach deutlich höher als bei der Konkurrenz. Sondern bei drei Metern Radstand gibt es auch genügend Beinfreiheit. Zumal der Q8 der einige seiner Art ist, bei dem man auch noch die Rückbank um 20 Zentimeter verschieben kann. Je nach Position der beiden asymmetrischen Hälften lümmelt man deshalb in der zweiten Reihe so bequem wie in der Langversion einer Limousine oder man stapelt so viel hinter die schräge Klappe mit dem durchgehenden Leuchtenband wie in einen Avant – nicht umsonst lässt sich das Gepäckabteil auf bis zu 1.755 Liter erweitern.
Die größte Überraschung erlebt man allerdings beim Fahren: Denn obwohl der Q8 stolze fünf Meter misst und stattliche 2,2 Tonnen wiegt, fühlt sich der Wagen unerwartet handlich an und lässt sich entsprechend agil bewegen: Die Sitzposition etwas tiefer als im Q7, die Progressivlenkung serienmäßig und auf Wunsch lenken auch noch die Hinterräder mit – so liegt die Betonung bei diesem Vehicle tatsächlich auf Sport und weniger auf Utility. Doch keine Sorge, die Bayern tragen auch hier der Acht im Kürzel Rechnung und bieten den nötigen Komfort: Wer mit dem Q8 auf der Autobahn unterwegs ist, der erlebt deshalb, der Luftfederung mit neun Zentimetern Verstellweg und der guten Dämmung sei Dank, eine luxuriöse Gelassenheit, mit der man bis in alle Ewigkeit fahren kann.
Die Kraft dafür liefert zunächst ein drei Liter großer V6-Diesel, der den Q8 50 TDI mit 286 PS und 600 Nm zu einem Kleinwagen schrumpfen lässt: Vom 0 auf 100 jedenfalls beschleunigt er den Koloss in 6,3 Sekunden und das Spitzentempo liegt bei 245 km/h. Später folgen ein Q8 45 TDI mit 231 PS und als vorerst einziger Benziner der 55 TFSI mit 340 PS. Aber wenn es ein großes Q-Modell gibt, dass nach einem S- oder gar einem RS-Logo schreit, dann ist es der Q8. Nur wer gerne besonders sparsam fahren will, darf sich kaum Hoffnungen machen. Mehr als den serienmäßigen Mildhybrid mit 48 Volt-Generator, der im Schnitt 0,7 Liter bringt, wird es wohl für den Q8 nicht geben. Zwar passt technisch auch der Plug-In aus dem Q7 ins Konzept. Doch kommt ja bald als weiteres SUV-Coupé der E-Tron mit reinem Elektroantrieb.
Ein stattlicher und trotzdem sportlicher Auftritt, viel Platz und Prestige, jede Menge neuer Technik und eine stolze Preisposition etwa 12.000 Euro über dem Q7 und rund 14.000 Euro unter dem A8: So wird der Q8 zum heimlichen Flaggschiff der Bayern – und dass er mit hoher Bodenfreiheit und Allradantrieb daherkommt, kann in der aktuellen Lage auch nicht schaden. Schließlich ist der Weg in die Zukunft bei Audi gerade ein bisschen steiniger als üblich.