Als M50 ist der BMW i4 das stärkste Mittelklasse-Fahrzeug der Marke ever. Und weil’s um BMW geht, heißt das schon echt was.
Sportliche Tradition in der Mittelklasse
Mercedes, ausgerechnet. Der Hersteller für Vorstand-Heinis, Taxifahrer und pensionierte Vorstand-Heinis und Taxifahrer. Und dann das. Gerade im Terrain von BMW, der Mittelklasse. Der 190 E 2.3-16 war in den frühen 80ern ein Stich ins Weißwurst-Herz, zumindest ein kleiner. Die Extra-Watsch’n gab’s dann im Motorsport. Nach zwei DTM-Saisonsiegen des BMW 635 CSi gipfelte die vom 190 E 2.3-16 ausgehende Demütigung in der Saison 1986. Der beste BMW landete auf Platz drei – hinter Volker Weidler auf Mercedes.
So konnte es nicht weitergehen, ging es auch nicht: BMW legte noch im Jahr 1986 den M3 E30 als Homologationsmodell nach. Auf Anhieb gewann man die DTM 1987. Bis 1992 feierte der E30 insgesamt 41 Siege. Und wir? Wir ließen uns von sechs Generationen BMW M3 den Adrenalinspiegel hoch schnalzen. Verqualmten Hinterreifen. Tanzten mit dem Heck. Kurzum: Lebten die Freude am Fahren.
BMW i4 stärker als M3
Doch es ist halt nicht mehr 1986. Zwar gibt es den BMW M3 (respektive seit der neuen Nomenklatur auch den M4) immer noch und er ist mit seinem Reihensechser und Hinterradantrieb auch immer noch das Aushängeschild der Marke. Nur: Wie lange noch? Jugendliche gehen Freitags demonstrieren. Forscher warnen eindringlichst vor dem ganzen Fuck-up, der uns erwartet, wenn wir nicht einlenken. Und Öl wird als politisches Druckmittel verwendet. Deshalb Strom statt Super, Laden statt Tanken, E-Motor statt Reihensechser, und Nikola Tesla statt Nicolaus Otto. Aber auch: i4 statt M3?
Schnell, aber nicht schockierend schnell
Ganz so weit sind wir noch nicht. Verrät schon der Name: Steht das M nicht alleine, wie etwa beim X4 M, dann ist noch Luft nach oben. Fix ist aber, dass der BMW i4 M50 das stärkste Mittelklasse-Modell der Marke ist. Das heißt schon echt was bei der Historie im Segment. Und zwar konkret: 544 PS und 795 Nm. Macht eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,8 Sekunden. Das ist freilich maßlos übermotorisiert und übrigens ein Zehntel schneller als es M3 und M4 Competition schaffen. Aber schockiert wie einst im Porsche Taycan Turbo S oder im Model S von Tesla sind wir auch nicht. Weil die doch noch ein bisserl ärger anreißen. Und weil die Kraftentfaltung halt immer ähnlich und dementsprechend bekannt ist. E-Mobility, der große Gleichmacher?
BMW i4 M50: Mehr als nur Geradeaus
Höchstens beim Antrieb. Denn für BMW geht die „typische Definition von Fahrdynamik“ weit über die Längsbeschleunigung hinaus. Sagt einerseits die Pressemeldung, fährt sich anderseits aber auch so. Von der etwas rückmeldefaulen, dafür umso gefühlvolleren, präzisen Lenkung bis hin zum sehr heckbetonten Allradantrieb. Die Bremsen beißen ordentlich zu, haben die doch 2,3 Tonnen gut im Griff. Kurvenlage? Hervorragend, eh klar. Und so findet man sich schnell im spektakulären Infight wieder, etwas digitaler als gewohnt, aber auch mit E-Motoren statt einem Reihensechser noch hochemotional.
BMW i4 M50: Rund 400 Kilometer Real-Reichweite
Dabei ist der Kampf um die Ideallinie eigentlich nicht die Kernkompetenz des BMW i4 M50. Weil die Elektro-Limousine trotz aller Sportlichkeit überwiegend als Gran Turismo abgestimmt ist. Damit die Turismo auch wirklich gran ist, hält ein 80,7-kWh-Akku im Boden des i4 M50 Energie für die beiden Elektromotoren parat. Die Reichweite soll bei 510 Kilometer liegen, was in der Theorie für Wien-Triest reichen müsste. Italien wurde zwar nicht in Angriff genommen, aber nach Mürzzuschlag – wo’s zwar kein Meer gibt, dafür ein Eisenbahn-Museum – haben wir es hin und zurück geschafft. Akkustand nach der rund 230 Kilometer weiten Fahrt: 40 Prozent.
Was weitergerechnet eine Reichweite von 383 Kilometer bedeuten würde. Ein respektabler Wert, denn erstens waren die Temperaturen noch tief und zweitens haben wir uns nicht eingeschränkt. Weder bei der Heizung, noch bei der Reisegeschwindigkeit, die auf der Autobahn fast rechtskonforme 140 km/h betragen hat. Bei etwas mehr Zurückhaltung dürften im Sommer schon deutlich über 400 Kilometer drinnen sein. Die 510 Kilometer sehen wir hingegen bestenfalls in der Stadt. Ohne Klima, ohne Radio. Und wenn höchstens fünf der 544 Pferdchen genutzt werden.
iX trifft 4er Gran Coupé
Im Innenraum des BMW i4 M50 schütteln sich Gegenwart und Zukunft die Hand. Oder auch: BMW iX trifft BMW 4er Gran Coupé. Mit ersterem teilt sich der i4 das Curved Display und die neue Software. Das Infotainmentsystem ist optisch moderner, aber nicht mehr ganz so logisch und aufgeräumt. Die Mittelkonsole kennt man wiederum vom konventionel angetriebenen 4er (übrigens wie das Exterieur-Design, das verglichen zum iX nicht ganz so „auf die Fresse“ ist). Es gibt also noch den iDrive-Controller sowie andere analoge Knöpfe, die die Bedienung super einfach machen. Kleiner Wermutstropfen: Um die Klimaanlage zu verstellen, muss man jetzt auch am Curved Display herumtapschen.
BMW i4 M50: Preis
Die Armatur, die den 14,9-Zoll-Infotainment- und den 12,3-Zoll-Instrumentenbildschirm zu einer Einheit verschmelzen lässt, ist übrigens serienmäßig an Bord des BMW i4 M50. Was aber eher Ausnahme denn Regel ist: Auf den Einstiegspreis von rund 70.000 Euro kommen fast 30.000 Euro Zusatzausstattung hinzu, womit „unser“ i4 M50 an der 100.000-Euro-Marke kratzt. Dafür bekommt man aber den stärksten Mittelklasse-BMW überhaupt. Und ein Stück Motorsport dazu: Der i4 ist als Safety Car im Einsatz – aber nicht in der DTM, sondern der MotoE. Es ist ja nicht mehr 1986.