Mit dem i3 waren sie ein Vorreiter des Wandels. Doch weil der seiner Zeit zu weit voraus war und sich entsprechend schleppend verkaufte, hat BMW bei der Elektromobilität auf die Bremse getreten und ist so zum Mitläufer geworden. Aber jetzt wollen es die Bayern noch einmal wissen und ziehen das Tempo wieder an: Denn wenn sie im November den iX in den Handel bringen, ist das nicht nur einfach ein weiteres Luxus-SUV mit sauberem Antrieb und eine Gutmenschen-Alternative zum etwa gleich großen X5. Sondern grün in Antrieb, Ausstattung und Produktion und obendrein smarter als jeder andere BMW soll er zum Vorreiter für nachhaltigen Luxus werden und zum Leuchtturm für neue Technologien. Nur zum Weltenretter taugt der Wagen freilich nicht. Denn bei einem Grundpreis von 77.300 Euro (D) dürfte sich der Einfluss aufs globale Klima in engen Grenzen halten.
„Technologie treibt den Fortschritt voran, den wir benötigen, um selbst größte Herausforderungen bewältigen,“ predigt Vorstandschef Oliver Zipse und sein oberster Entwickler Frank Weber attestiert dem iX davon jede Menge: „Mit Technologie des iX setzen wir Maßstäbe: Er hat mehr Rechenleistung zur Datenverarbeitung, leistungsfähigere Sensorik als die neuesten Fahrzeuge unseres aktuellen Portfolios, ist 5G-fähig, wird neue und verbesserte automatisierte Fahr- und Parkfunktionen erhalten und nutzt die leistungsstarke fünfte Generation unseres elektrischen Antriebs.“ Zwar rühmen die Manager den iX damit als technologischen Meilenstein und stellen ihn in eine Reihe mit dem i3, der bei seinem Debüt vor acht Jahren zurecht als das innovativste Elektroauto am Markt gegolten hat. Doch ganz so gleißend hell, wie uns die Bayern weis machen wollen, strahlt dieser Leuchtturm leider nicht. Und das liegt nicht allein am Design, das auf dem Weg von der Studie iNext zum Serienmodell zwar etwas entschärft wurde, das aber mit einer Niere groß wie Hasenzähnen und Scheinwerfern schmal wie Schlitzaugen noch immer kontrovers diskutiert werden dürfte. Sondern das liegt vor allem an einer elektronischen Enttäuschung. Denn auch wenn BMW den iX für seine 5G-Connectivity und seinen prall gefüllten Baukasten an Assistenzsystemen lobt und neue automatisierte Fahr- und Parkfunktionen in Aussicht stellt, ist das beim Debüt der Studie versprochene autonome Fahren erst einmal vom Tisch. Wie die Konkurrenz haben die Bayern da den Mund ein wenig zu voll genommen und vertrösten die Kundschaft jetzt auf kommende Evolutionsstufen.
Dass man BMW im iX von einer neuen Seite sieht, liegt deshalb vor allem am Design des Crossovers, das etwa so lang ist wie ein X5, so flach wie ein X6 und mit dem eigenwilligen Dekor der D-Säule bewusst an den i3 erinnert. Und wo sich die Kundschaft außen noch an der Form reiben mag, wirkt der Fünfsitzer innen um so einladender: Lack und Leder waren gestern und der Overkill der Schalter ist endlich auch vorbei: Stattdessen blickt man in eine gemütliche Lounge mit noblen Stoffen und natürlichen Hölzern und sieht vor dem Lenkrad ein großes, schlankes Display, das leicht zum Fahrer hingebogen ist. Unter einer gemeinsamen, rahmenlosen Abdeckung verbergen sich dort ein 12,3 Zoll großer Bildschirm und ein zweites Touchdisplay mit 14,9 Zoll Diagonale. Die wenigen verblieben Schalter etwa auf der hölzernen Konsole, die frei zwischen den Sitzen schwebt, sind mit Kristallglas veredelt, und was es sonst noch an Technik braucht, ist geschickt versteckt: „Shy-Tech“ nennt BMW das Konzept, mit dem innen zum Beispiel die Lautsprecher oder der Projektor des Head-Up-Displays und außen die Türgriffe, die Rückfahrkamera oder der Einfüllstützen fürs Wischwasser nahezu unsichtbar werden.
Wo die Bayern beim Ambiente neue Wege gehen, ist der Antrieb zwar ganz neu, aber doch schon wieder ein alter Bekannter. Denn der iX greift in den gleichen Baukasten mit Motoren ohne seltene Erden, besonders dicht gepackten und deshalb überdurchschnittlich effizienten Batterien und einem reduzierten Gesamtgewicht, , den BMW gerade für den iX3 vorgestellt hat und im neuen Jahr auch für den i4 nutzen will – nur dass sie in München für ihr elektrisches Flaggschiff etwas tiefer zugreifen dürfen. Schließlich wollen sie auch bei der Freude am Fahren wieder den Maßstab definieren. Schon das Basis-Modell iX 40 fährt mit zwei Motoren von zusammen rund 300 PS und kommt in weniger als sechs Sekunden auf Tempo 100. Als Reichweite verspricht BMW dabei mehr als 400 Kilometer. Wer für rund 20.000 Euro mehr den 98.000 Euro (D) teuren iX 50 bestellt, bekommt über 500 PS, schafft den Sprint auf Tempo 100 in weniger als fünf Sekunden und kann auf ein Spitzentempo hoffen, das anders als bei e-tron & Co jenseits von 200 km/h liegen dürfte. Außerdem heben die Bayern den Aktionsradius auf über 600 Kilometer an. Und damit die Lust beim Fahren nicht in Frust beim Laden mündet, gibt es für 40er über 70 und für den 50er sogar mehr als 100 kWh Akku-Kapazität und eine Ladeleistung von maximal 200 kW. An einer schnellen Gleichstrom-Säule kommt der iX so bestenfalls in 40 Minuten von zehn auf 80 Prozent und zieht in zehn Minuten den Strom für 120 Kilometer.
Zwar sieht BMW im iX den „Wegweiser in die Zukunft der Mobilität.“ Doch wissen die Bayern insgeheim offenbar selbst, dass es auf der Straße in die Zukunft ganz schön eng werden dürfte in der nächsten Zeit und dass sich der iX dort mit vielen etablierten oder neuen Konkurrenten wird kabbeln müssen. Vielleicht auch deshalb haben sie die Niere so konstruiert, dass sich leichte Blessuren von selbst heilen: Die zusätzliche Beschichtung aus Polyurethan jedenfalls ist so komponiert, dass sich beispielsweise leichte Kratzer bei Raumtemperatur innerhalb von 24 Stunden wie von selbst beseitigen.