München entdeckt den elektrischen Mainstream: Denn nachdem BMW mit dem innovativen aber exzentrischen i3 offenbar mehr Kunden verschreckt als zur neuen Mobilität bekehrt hat, schicken die Bayern jetzt den zweiten Sturm auf die Straße und geben sich dabei viel konventioneller. Der iX3, der kurz nach dem Jahreswechsel zu Preisen ab 66.300 Euro (D) gegen Mercedes EQC, Audi Q4 e-tron oder VW ID.4 antritt, nutzt deshalb keine eigene Akku-Architektur mehr und auch kein kostspieliges Karbon, sondern den ebenso alten wie bewährten X3 als Basis. „Power of Choice nennt BMW diesen Ansatz und hält das Rennen zwischen Verbrenner, Plug-In und E-Auto damit weiter offen. Und das ist nicht der einzige Kurswechsel. Sondern auch bei der Produktion gehen die Bayern neue Wege: Sie bauen den iX3 nicht im amerikanischen Spartanburg, sondern in Shenyang in China und verschiffen ihn von dort erstmals rund um den Globus. Nur um Amerika machen sie erstmal einen Bogen und schließen so einen der wichtigsten E-Märkte aus. Verstehen muss man das nicht.
Fürs Ego der Entwickler mag das Ende der Avantgarde ein schwerer Schlag sein. Doch für die Kunden ist das kein Schaden. Im Gegenteil: Schließlich ist der X3 ein ebenso gefälliges wie gelungenes Auto, dem ein paar blaue Zierelemente, der geschlossene Kühlergrill und die Aero-Felgen keinen Abbruch tun. Und wo der i3 innen noch ein bisschen zwischen Bio-Laden, Designer-Boutique und organischer Kaffee-Bar unterwegs war, sitzt man jetzt wieder in der klassischen BMW-Welt mit vertrauten Materialien, gelernten Bedienelementen und gewohnten Grafiken auf den riesigen Displays. Auf Wiedersehen Avantgarde, willkommen im Alltag.
Dass der iX3 anders als der i3 oder designierte Konkurrenten wie das Tesla Model Y nicht mehr Platz bietet als die Verbrenner, dass man weiter über einen Mitteltunnel klettert und sogar ein paar Liter Kofferraumvolumen einbüßt, nimmt man da gerne in Kauf – zumal es deshalb ja an Platz nicht mangelt: Auch in der zweiten Reihe sitzt man kommod und hinter die elektrische Klappe passen noch immer 510 Liter, die mit zwei Handgriffen auf 1.560 Liter erweitert werden. Und wenigstens können die Hinterbänkler nun aussteigen, ohne dass erst der Vordermann die Tür aufmachen muss.
Am Fahrverhalten des iX3 gibt es ohnehin nichts auszusetzen: 286 kW und 400 Nm stark und mit einer neu komponierten Klangwelt nicht mehr ganz so steril wie der i3, beschleunigt der iX3 schließlich in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 und nimmt es so beinahe mit einem X3 3.0i auf. Und dass bei 180 km/h schon wieder Schluss ist, mag nur im Quartettspiel stören, weil manche Konkurrenten flotter fahren. In der Praxis nutzt das keiner, weil sonst die Reichweite schneller schwindet als die Entfernung zum Ziel – dabei halten sich im Alltag ansonsten recht tapfer Werte weit jenseits von 300 Kilometern. Viel eher genießt man deshalb den Spaß in den Kurven und spielt mit den Fahrprofilen, die auch Einfluss auf die Rekuperation haben. Je nach Setup kann der iX3 dann meilenweit segeln, er passt den Grad der elektrischen Verzögerung automatisch dem Verkehrsgeschehen an, oder er bietet konsequentes Ein-Pedal-Gefühl und bremst schon beim Lupfen des Fahrpedals so stark, dass die mechanische Bremse kaum mehr gebraucht wird. Nur dass der iX3 als einziges X-Modell ohne Allradantrieb auskommen muss, das bringt die Bayern ein wenig in Argumentationsnöte: Konkurrenten wie der EQC, der Audi e-Tron, ja sogar bürgerliche Elektro-SUV wie den Skoda Enyaq oder der VW ID.4 fahren auf Wunsch auch auf allen Vieren.
Dafür will der iX3 an der Ladesäule punkten: Weil er seine Energie an Gleichstrom-Stationen zum ersten Mal mit bis zu 150 kW ziehen kann, dauert das Nachladen von 0 bis 80 Prozent nur 34 Minuten und für 100 Kilometer muss man lediglich zehn Minuten einplanen.
Zwar ist der iX3 kein Designstatement mehr und auch kein technologischer Leuchtturm, doch markiert zumindest der Antrieb einen großen Schritt nach vorn. Denn mit dem iX3 lanciert BMW die mittlerweile fünfte Generation des E-Antriebs und macht bei Platzbedarf und Leistungsdichte von Motor und Akku noch einmal mal einen entsprechenden Sprung. So haben die Bayern erstmals den Motor, das Getriebe und die Leistungselektronik in einem Gehäuse integriert und zugleich die Effizienz des Pakets gesteigert: Wo ein Verbrenner mit einem Wirkungsgrad von weniger als 40 Prozent auskommt, reklamieren die Bayern für das um 30 Prozent geschrumpfte E-Paket bis zu 92 Prozent.
Auch der Akku wurde weiter verbessert und kann nun bei weniger Platzbedarf und Gewicht mehr Energie speichern. Um bis zu 20 Prozent wollen die Bayern diese gravimetrische Energiedichte gesteigert haben und bekommen so im beschränkten Bauraum des X3 immerhin eine Kapazität von 80 kWh unter. Die reicht im WLTP-Zyklus für 460 und nach NFZ sogar für 520 Kilometer, stellt BMW in Aussicht.
Zwar ist der ix3 ein vergleichsweise konventioneller Stromer und wenn ihn ein paar Monate später der i4 folgt, wird sich der ebenfalls nur marginal vom Vierer unterscheiden. Doch so ganz haben sich die Bayern von der Avantgarde noch nicht verabschiedet. Denn als Dritter im Bunde folgt 2021 noch ein weiteres Akku-Auto, das den Zeitsprung bereits im Namen trägt: Mit dem iNext wagt sich BMW dann doch wieder in die Zukunft.