Die Umbenennung von „M3“ auf „M4“ spiegelt auch ein wenig den Charakter des neuen BMW Sportcoupés wider. Nun ein bisschen mehr von allem, hauptsächlich vom Verschleiß.
von Philipp Stalzer
Man kann es auf verschiedene Weise betrachten, ob man das „mehr“ beim „ehemaligen M3“ gut finden möchte oder eher nicht. Der nun erstmals turbo-aufgeladene Motor bricht einerseits mit liebgewonnenen Traditionen, andererseits geht der M4 damit in jeglicher Lebenslage ab wie Harry, in waffenscheinpflichtigem Ausmaß. Die größeren Dimensionen des „M3+1“ machen ein erwachsenes, ja sogar ansatzweise praktisches Auto in dem auch 4 Personen sitzen können aus dem Coupé, andererseits ist es auch eine Spur weniger handlich und auch nicht mehr so kompromisslos wie seine Vorgänger. Charakterlich kann man einen gewissen Schritt hin zu einem GT erahnen, aber es ist keinesfalls ein zahnloses Reisecoupé. In seiner fesch geschwungenen Karosserie schlagen mehrere Herzen und keine Neigungsgruppe von BMW M-Fans wird wirklich enttäuscht sein – bis auf den Akustikfetischisten.
Ein Motor der Bäume ausreißt
Ja wir wissen, der NEFZ-Zyklusverbrauch und die Euro 6 Abgasnorm sind dafür verantwortlich, dass nun so gut wie alle Motoren mit einem (oder auch gleich mehreren) Turbolader(/n) zwangsbeatmet werden. Auch das hat natürlich positive Seiten, aber für einen leidenschaftlichen Verfechter der Saugmotoren wie die M GmbH es lange Zeit war, muss es ein bitterer Schritt sein. Sie haben sich auch wirklich größte Mühe gegeben und sorgen mit vielen Tricks (2 Lader, Steuertricks der Nockenwelle bzw. Ventile um die Turbos bei Laune zu halten sobald man vom Gas geht, usw.) dafür, dass das Ansprechverhalten des Motors wirklich schon nahe an einen Saugmotor herankommt. Aber eben nicht ganz. Komischerweise wird der an sich für einen Turbomotor, der seinen Krawall konstruktionsbedingt ganz gern für sich behält, eh recht feine Auspuffsound mit synthetischen Geräuschen aus der Lautsprecheranlage des M4 karikiert. Wozu das gut sein soll, bleibt fraglich, liebe M GmbH. Ohne wäre laut genug und dazu echt, ein ziemlich wichtiges Feature in Autos heutzutage.
„Tailhappy“, wie der Engländer so schön sagt
Dafür entschädigt unfassbares Drehmoment quasi ab Standgas, das den feschen Hintern des M4 nach Abschaltung der Stabilitätskontrolle sich ungefähr so ruhig und entspannt verhalten lässt, wie es Edmund „Mundl“ Sackbauer tun würde, wenn ihm die Toni das Bier versteckt hat. Völlig hysterisch schwenkt das Heck bei jeglichem, nur einen Hauch zu unvorsichtigen Tip aufs Gaspedal am Kurvenausgang. Die fetten Michelins an der Hinterhand ziehen permanent den Kürzeren, ganz egal wie sehr sie versuchen sich in den Asphalt zu krallen. Potenter und driftwilliger war noch kein M3 davor. Den M4 muss man wirklich fest im Griff haben, sonst passieren Dinge wie das. Vor Publikum. Kaum jemand hat sich mal so fest gewunschen, jetzt bitte einfach sang- und klanglos im Erdboden zu verschwinden:
… dank sofort einsetzenden Drehmomentbergen drückts das Heck auch mit Doppelkupplungsgetriebe und ohne Kupplungsschmäh fein in Richtung Bankett …
Verschleiß um jeden Preis
Mit ein bisschen Feingefühl lässt sich der gepflegte Powerslide dank ständig herrschendem Kraftüberfluss herrlich zelebrieren. Noch feiner ginge es mit der serienmäßigen Handschaltung (Danke M Gmbh, das habt ihr euch zum Glück nicht getraut), aber dank sofort einsetzenden Drehmomentbergen drückts das Heck auch mit Doppelkupplungsgetriebe und ohne Kupplungsschmäh fein in Richtung Bankett. Reifen zu sein auf einem M4 macht weder vorn (ordentlicher Anker! Bremst wirklich super) noch hinten (permanenter Schlupf) besonders Spaß, die Lebenszeit ist überschaubar. Aber wie so oft im Leben, irgendwer muss Leiden damit wer anderer Spaß haben kann. Den hat man hinterm Steuer des M4 definitiv, wenngleich auch nicht mehr auf so fein ausbalancierte Prima-Ballerina-Saugmotormäßige Art und Weise, sondern irgendwie rauer, verdorbener und mächtiger. Mit Verschleiß eben.