Allradantrieb in einem M?!
Alles anders im BMW M5?
Von Montag bis Freitag eine Limousine fürs Big Business und nach Feierabend ein Rennwagen reinsten Wassers – so hat es der BMW M5 in mehr als 30 Jahren und fünf Generationen zum erfolgreichsten Bodybuilder in der Business-Klasse gebracht. Und jetzt will er seine Talente noch besser zur Geltung bringen. Denn wenn die Bayern im Frühjahr die nächste Generation von der Leine lassen, brechen bei der M GmbH neue Zeiten an.Von Thomas Geiger
Das neue System nennen sie in Garching M xDrive und machen damit nicht nur auf dem Heckdeckel ihre Eigenständigkeit deutlich. Denn statt einfach die Standardsoftware des Fünfers zu übernehmen, haben sie das Steuergerät neu programmiert und zur zentralen Schaltstelle für den maximalen Fahrspaß aufgerüstet. Bis zu 4.000 Stellgrößen von der Längssperre nach der achtstufigen Automatik über die Quersperre an der Hinterachse bis zur Kennlinie des Gaspedals werden nun alle fünf Millisekunden ausgelesen und mit einer völlig variablen Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse so optimiert, dass man das Potential des M5 jederzeit optimal auskosten kann. „So kombinieren wir die Agilität und Präzision des Standardantriebs mit der Souveränität und Traktion des Allradantriebs,“ sagt van Meel: „Damit lässt sich der neue BMW M5 sowohl auf der Rennstrecke wie auf der Straße auch bei besonderen Witterungsbedingungen gewohnt sportlich und zielgenau dirigieren.“
Die erste Testfahrt im Prototypen gibt dem M-Chef recht: Egal ob bewässerter Handling-Parcours oder trockene Tempo-Strecke – auf der Geraden stürmischer denn je, fühlt sich der M5 in Kehren und Schikanen ein immer und überall bisschen sicherer an, ohne dass der Spaß auf der Strecke bleibt. Man kann vor Kurven etwas später bremsen, sich enger an den Innenrand herantrauen und nach dem Scheitelpunkt früher wieder aufs Gas steigen, ohne dass die Kehrseite der Limousine ein gefährliches Eigenleben entwickelt. „Das schafft im Alltag das nötige Vertrauen in so einen leistungsstarken Antrieb und bringt auf der Rundstrecke wertvolle Zeitvorteile“, sagt van Meel, der nichts vom Wettrüsten bei Leistung und Beschleunigungswerten hält. „Von 0 auf 100 beschleunigt man bei einem Rennen nur einmal, doch von der besseren Querdynamik profitiert man in jeder Kurve.“ Trotzdem hat der M-Chef natürlich eine diebische Freude am vergnüglichen Grinsen der Testfahrer, wenn der neue M5 den Kickdown mit einem Standardsprint in 3,4 Sekunden quittiert. Und interessiert registriert er das wissende Nicken, wenn die Limousine auf der langen Geraden selbst bei Vollgas noch so viel Luft hat, dass er das offizielle Limit von 250 km/h weiterhin mit links erreicht und auch bei der üblichen Anhebung auf 305 km/h noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten ist.
Nach schon jetzt über zwei Jahren Entwicklung und Abstimmung hat BMW für den M xDrive zwar eine Abstimmung gefunden, die eigentlich immer passt. Erst recht für eine potente Business-Limousine, die vom Nürburgring in der Regel doch nicht mehr sieht als den VIP-Parkplatz. Doch weil immer ein bisschen Playstation mitspielt bei solchen PS-Protzen und weil man dem Kunden zumindest das Gefühl lassen will, er wisse und könne es besser als die Elektronik, gibt es gleich fünf unterschiedliche Modi für das Zusammenspiel der beiden Antriebsachsen und die Gewichtung bei der Kraftverteilung.
So lässt sich der Spaß schon im Standardmodus mit einer etwas längeren Leine für ESP & Co steigern, man kann die Kraftverteilung im Setup 4WD Sport ein wenig weiter nach hinten verlagern und parallel dazu den Einfluss der Stabilitätssysteme beschränken. Und man kann den M5 auf Knopfdruck ein paar Generationen zurückversetzen und ihn sehr zur Freude seines Reifenhändlers zu einem reinen Hecktriebler ganz ohne elektronisches Fangnetz machen. Werden die Schwimmwinkel dabei Schritt für Schritt etwas weiter und der Einfluss des Gaspedals auf die Lenkung etwas größer, wird die Limousine dann zu einem quirligen Querschläger, der keinen Spaß mehr versteht und dafür umso mehr Spaß bereitet.
Dann allerdings fährt man mit erhöhtem Risiko und empfindet den neuen M5 viel ungestümer und weniger gut beherrschbar als seinen Vorgänger – obwohl sich die beiden in der Theorie plötzlich ganz nahe sind. Vor allem aber lernt man die Limousine dann plötzlich aus einer neuen Perspektive kennen. Und das kann man ganz wörtlich nehmen: Denn spätestens wenn man das Heck im Seitenfenster statt im Rückspiegel sieht, so langsam aus der Kurve getragen wird und man am Ende der Testfahrt froh ist, wenn man den Schaden mit einem Rechen und einem Rasenmäher wieder gerade ziehen kann, weiß man, dass Allradantrieb bei 600 PS und mehr als 700 Nm wirklich keine schlechte Idee sind.
Erst recht, wenn man die Preise bedenkt, die BMW für den M5 im Sinn hat. Schon das Standardmodell wird mit 117.900 Euro zu Buche schlagen. Und wer zur Markteinführung im nächsten Frühjahr unter den ersten 400 Kunden sein will, muss für die First Edition noch einmal 19.500 Euro mehr überweisen.
Dass es BMW ernst meint mit den erweiterten Möglichkeiten für Arbeit, Sport und Spiel, das merkt man jedoch nicht nur im Protoytpen auf dem Prüfgelände, sondern auch an der Wahl der Premierenbühne. Denn die Bayern enthüllen den Business-Boliden nicht im September auf der IAA in Frankfurt oder vier Wochen vorher beim Autogipfel in Pebble Beach. Sondern zum ersten Mal zu sehen ist der Fünfer für Fortgeschrittene ausgerechnet auf der Spielemesse GamesCom in Köln. Neue Zeiten eben.