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BMW R 1300 GS – Constant Revolution

So fährt die neue R 1300 GS

Die vereinte Motorrad Welt ist sich seit vielen Jahren einig: „Die BMW GS ist vielleicht die beste Großenduro der Welt und man kann sie eigentlich nicht mehr toppen!“.Antwort BMW Motorrad: „hold my Weißbeer!“. 

So haben sich die Münchner dazu entschlossen das Unmögliche möglich zu machen und haben für 2023 eine komplett neue GS angekündigt und das Erfolgsmodell einer radikalen Entschlackungskur unterzogen. Ob das gelungen ist? Lesen sie selbst!

BMW GS – Die Übermacht aus Bayern

Die GS ist eine Ikone! Sie ist das erfolgreichste Motorrad in dieser Kategorie aller Zeiten und Ihre Übermacht, die sich mit der R 1200 GS ab 2004 stetig und unaufhaltsam über die darauffolgenden Jahre und jeweils neuen GS-Modellen aufgebaut hat, ist allgegenwärtig wahrnehmbar. Wenn man beispielsweise an einem der letzten warmen Oktober Tage einen einspurigen Ausflug in die legendäre Kalte Kuchl in den Niederösterreichischen Voralpen unternimmt und vor Ort dann am Parkplatz des gleichnamigen Wirtshauses um 11:00 vormittags bereits 45 Motorräder parken, von denen (nachgezählt) 29(!!) GS der letzten Serien sind. Schampoo, liebe Bayern.

Und bisher hat BMW Motorrad bei der Evolution der GS immer, und natürlich auch in konkurrierendem Einklang mit dem Mitbewerb auf das Motto „bigger, better, more“ gesetzt. Sprich: Mehr Leistung, mehr Ausstattung, mehr Technik, noch mehr Souveränität und letztlich aber auch dann meistens mehr Gewicht. Diesen Teufelskreis des Wettrüstens wollte BMW mit der neuen R 1300 GS nun unterbrechen, wohl aber mit dem Wissen, dass man an einer Ikone und letztlich ja auch dem Erfolgs- und Volumensmodell von BMW schlechthin nicht einfach so ein bisserl rumpfuschen kann. Eigentlich eine fast unlösbare Aufgabe, denn wie will man eines der besten Motorräder aller Zeiten letztlich noch besser machen und es gleichzeitig einer radikalen Verjüngungskur unterziehen? Nun, BMW hat es getan und hat offensichtlich 5 Jahre Entwicklung in die neue GS gesteckt und das Ergebnis ist mehr als beeindruckend.

Die neue BMW R 1300 GS ist anders! Komplett anders!

Schon auf den Fotos, noch vor dem ersten physischen aufeinandertreffen wurde klar: Die neue GS 1300 ist anders! Und zwar radikal anders! Sie sieht irgendwie fast gar nicht mehr wie die gewohnte GS aus, sie wirkt wesentlich kompakter, deutlich schmäler und hat auch das GS-typische asymmetrische Auge verloren, denn fortan wird mittels X-förmigen Voll-LED Hauptscheinwerfer ausgeleuchtet, was viele GS-Fans zunächst verschreckt hat. Geblieben ist der Schnabel. Haupt- und Heckrahmen sind neu, besonders Letzterer wirkt optisch deutlich schlanker als die bisher verbaute Gitterrohr-Konstruktion. Und wer hier eher das Puristisch-Sportliche liebt, dem wird mit dem kurzen, schlanken Heck und mit der Standard- bzw. Sportsitzbank in Verbindung mit den verschiedenen Felgen-Optionen wahrlich das Herz aufgehen.

Doch die neue GS wurde nicht nur optisch schlanker, sie hat auch ordentlich an Gewicht verloren. Insgesamt 12 Kilo leichter, wovon allein rund 6,5 Kilo auf den komplett neu aufgesetzten, legendären Boxer samt Antriebsstrang ausfallen, der nun mit einer größeren Bohrung bei geringerem Hub exakt 1300 Kubikzentimeter Hubraum fasst und dadurch und dank höherer Verdichtung jetzt 145 PS und 149 Nm Drehmoment leistet. Auch das Kippverhalten des Motors beim Gasgeben hat man der neuen GS fast vollständig abgewöhnt, doch wer will mit einem Motorrad schon lange rumstehen? Also widmen wir uns nun den Fahreigenschaften der neuen GS!

Handlich wie nie zuvor

Schon beim Aufsitzen wird klar, die Bayern meinen es sehr ernst in Sachen Agilität und Fahrbarkeit bei der Neuauflage der Legende. Stieg man bisher in eine GS eher ein als auf um umgehend von ihrer Souveränität eingelullt zu werden, so hat man auf der neuen GS 1300 tatsächlich das Gefühl auf einer groß geratenen Supermoto zu sitzen! Die Standardsitzbank wurde angenehm härter, der Übergang zum Tank wirkt schlank, die Sitzposition ist entspannt, der Lenker näher beim Fahrer und man ist generell wesentlich beweglicher auf der neuen GS als bei ihrer Vorgängerin. Auch das Angebot an Wind- und Wetterschutz wurde in jeder Variante verschlankt, was speziell bei Fahrern mit überdurchschnittlich breiten Schultern in der Version mit dem elektrisch verstellbaren Windschild zu relativ viel Verwirbelungen im Brustbereich führt, wohingegen der Windschutz am Helm ausgezeichnet ist.

Für große Fahrer die oben rum breiter sind empfiehlt sich eigentlich eher das Standard Windschild sowie eine höhere Sitzbank, beispielsweise die Rallye-Sitzbank, die die Sitzhöhe auf 870mm erhöht. Mit der Standardsitzhöhe von 850mm ist der Kniewinkel für größere Fahrer auf Dauer etwas spitz.

Auf den ersten Metern und bei Schrittgewschwindigkeit wird aber schon eines ganz klar! Was die neue GS in Sachen Erschlankung und Agilität optisch verspricht, das wird auch beim Handling gehalten. BMW hat die neue GS im Vergleich zum bisherigen Modell wieder mit komplett direktem Feedback von der Straße oder dem Untergrund ausgestattet, was für viele sportlichere Fahrer eines, wenn nicht das ausschlaggebende Kaufargument darstellen könnte. War man auf der alten GS irgendwie schon fast vom Untergrund entkoppelt, was wiederum auch sehr viele der bisherigen GS Käufer sehr schätzen, so will die neue GS wieder das direkte Bindeglied zwischen Fahrer und Straße sein. Man kann die Straße wieder fühlen, jeder kleine Impuls seitens Untergrund wird direkt an den Fahrer weitergegeben, ohne dabei aber die GS-typische Souveränität zu verlieren. Die neue GS 1300 lässt sich präzise wie ein Skalpell steuern, sie übersetzt jedes Aitzerl Impuls am Lenker gekonnt und souverän auf das Fahrwerk und wer die alte GS kennt, der hat auf den ersten paar Kilometern durchaus damit zu tun, dass die neue GS eben diese Art beharrliche Sturheit der bisherigen GS komplett abgeschüttelt hat. Sie kippt geschwindigkeitsunabhängig freudig und lustvoll in die Kurve und auf den Bergstraßen rund um Malaga kommt echtes Supermotofeeling auf, wenn die neue große Bayerin die Kurven verschlingt wie ein ausgehungerter Leopard seine gerade gejagte und erlegte Beute.

Eine noch nie dagewesene Leichtigkeit erfüllt den Fahrer mit Glücksgefühlen, man könnte tatsächlich vergessen, dass man hier auf einen Großenduro sein Unwesen treibt. Das optional erstmals mögliche Absenken des Motorrads im Stand, um drei Zentimeter, ist die erste Wahl für kleinere Fahrer. Ab einer Geschwindigkeit von 50 km/h fährt es automatisch wieder rauf. Das sophisticated Dämpfersystem inklusive Federratenanpassung sorgt für feines Ansprechverhalten über Asphaltrisse und somit viel Fahrkomfort.

Der Boxer, der alles kann

Wesentlichen Beitrag zu diesem Gesamtkunstwerk an Fahrerlebnis trägt natürlich der bislang schon legendäre Boxer der GS bei, der allerdings in der neuen GS 1300 wohl eines, wenn nicht das beste Aggregat ist, das man für Geld kaufen kann. Dieser Motor kann einfach alles! Er kann gemütlich cruisen, wobei er entspannt dahingrummelt, er kann Stop and Go in der Kolonne, er kann Landstraße bei rund dreistelligem Reisetempo, man kann dabei auch locker mal im sechsten Gang bei unter 2.000 Touren durch den Ort bei 50 km/h rollen und dann wieder dank dieser Urgewallt aus dem Drehzahlkeller auf 100 km/h rausbeschleunigen. Doch er kann auch noch ganz anders, wenn man ihn denn lässt. Triebwerk ist wahrscheinlich der passendste Ausdruck für den neuen Boxer, denn auch bei überaus ambitionieter und sportlicher Gangart dreht der Boxer dann im Dynamic-Modus an der Kardanwelle bis in den Begrenzer, dass es einem automatisch die Mundwinkel bis zu den Ohren zieht vor lauter Freude. Und wo wir grade bei Ohren sind: Merklich angenehmer wurde der Sound der neuen GS. Sie grummelt nunmehr deutlich entspannter in jeder Lebenslage dahin, die bisherige GS hat es mit dem teils etwas anstrengenden überbordenden Sound für mich persönlich schon etwas übertrieben. Die Summe aller Assets der neuen GS und die Kombination aus neuer Leichtigkeit, dem nochmals verbesserten Boxer und der trotz allem weiter vorhandenen Souveränität dürfte auf der Landstraße aus aktueller Sicht schwer zu toppen sein und da facto würde sie sogar auf der Rennstrecke damit wohl keine schlechte Figur machen.

Doch wer GS wählt, der will ja oftmals nicht nur auf der Straße unterwegs sein, sondern im Fall auch ans Ende der Welt. So bleibt die neue GS natürlich auch ihrer Offroad-Heritage treu und logischerweise wirkt sich die neue Agilität und Leichtigkeit natürlich im Gelände auch sehr deutlich und positiv aus. Auf Singletrails lässt sie sich durch Körpereinsatz gut manövrieren, im Offroad Pro Modus sind Drifts ein einfaches Unterfangen, auf Schotter ist sie deutlich leichter wieder einzufangen als die alte GS, sportlich ambitionierte Fahrer werden das neue Offroad-Verhalten des GS lieben. Die verschiedenen Modi wechselt man im bekannten Cockpit elektronisch. Die SAF-Next getaufte Kombination aus Tele- und Paralever mit je einem eigenen Stoßdämpfer ermöglicht viele Varianten der Dämpfung. Road und Dynamic-Setting lassen sich zudem in je fünf Stufen feinjustieren.

Wer trotz allem die gewisse Sturheit der alten GS vermisst, der kann sich aber durchaus mit der Bereifung helfen, denn im Vergleich zur Straßenbereifung der neuen Standard-GS, kommt beispielsweise die GS in der Trophy Variante mit dem Metzeler Karoo 4 Reifen dem Fahrgefühl der alten GS deutlich näher.

Ebenfalls überarbeitet hat BMW die Bedienung des bereits bekannten Infotainment Systems. Neu ist der BMW-intern aufgrund seines Aussehens gern „Burger“ Button, mit dem man die wichtigsten Funktionen je nach Bedarf und wirklich schnell auf die Wahltasten am linken Griff legen kann. So kann man damit dann beispielsweise direkt die elektrische Scheibe oder die Griff- und Sitzheizungen bedienen, drückt man die Burger Taste länger, kommt ebenfalls ein frei wählbares Menü hervor, so kann man sich sekundenschnell die für den aktuellen Einsatz passenden Funktionen auf die Wahltasten legen ohne in Untermenüs herumzuwurschteln.

Durchaus Konkurrenzfähig ist aber auch der Einstiegspreis der neuen GS, der in Österreich bei 21.990 EUR liegt, allerdings nunmehr auch schon ein breites Spektrum an Serienausstattung mitbringt. So sind Heizgriffe, das Keyless Ridesystem, RDC, MSR, das vollintegrale ABS Pro, ein adaptiver Tempomat mit Bremsfunktion, die LiO-Batterie und der Handschutz mit den integrierten Blinkern bereits ab Werk mit an Bord. Aber GS-typisch ist die Sonderausstattungsliste natürlich durchaus auch gut gefüllt so kann man den Preis im Konfigurator bei Bedarf mit allem Schnick-Schnack schon auch in Richtung 30.000 EUR treiben.

Was die neue GS jedenfalls schafft, sie wird das teilweise etwas angestaubte „Warnwesten-Image“ gekonnt abstreifen und mit ihrer neuen und mehr als überzueugenden Leichtigkeit bei nachhaltiger Performance mit Sicherheit zahlreiche neue und wesentlich jüngere Kunden ansprechen können. Das wird auch die unzähligen Variationen in Optik und Ausstattung unterstützt. Doch schon um knapp 21.000 Euro kann man sich die Standard GS mit der coolen blau-weißen Trophy Trim und den Speichenrädern oder den sportlicheren Schmiede-Felgen ordern, die dank kurzem Heck und ohne Beifahrer-Couch schon ausgesprochen ambitioniert dasteht!

Ob die neue GS auch bei der bisherigen GS-Klientel vollinhaltlich punkten wird, bleibt abzuwarten, denn für einige war und ist gerade das von der Umwelt etwas entkoppelte Fahrgefühl der Riesen-Bayerin das auschlaggebende Argument gewesen. Doch wie auch immer man es dreht und wendet, eines muss nach einer Testfahrt mit der neuen GS auch den letzten Zweiflern relativ klar werden: Ja, die Bayern haben es schon wieder getan! Sie haben unglaubliches geschafft und haben die Ikone GS in einer Art und Weise evolutioniert, die ehrlich gesagt kaum zu erwarten war.

Gregor Josel

Ob einspurig, mehrspurig oder mit 30 Tonnen im Gepäck: Josel fährt und fährt und fährt und fährt...

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